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Das Versprechen der Nonne. Robert Storch
Читать онлайн.Название Das Versprechen der Nonne
Год выпуска 0
isbn 9783961400874
Автор произведения Robert Storch
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Männern stieg die blanke Angst in die Augen, Frauen hoben klagend die Arme gen Himmel.
„Doch wir können ihnen ein Ende machen, jetzt und für immer!“ Wulfhardt reckte sein Schwert in die Höhe. „Wer folgt mir?“
„Wir!“, riefen die Männer. „Wir folgen dir!“
Wulfhardt verteilte Schwerter an die erzürnte Meute und marschierte mit ihnen durch den Wald bis zu einer Lichtung. Die Schatten der die Lichtung umsäumenden hohen Buchen und dichte Wolken hielten die Sonne zurück. Fahles Licht fiel auf drei windschiefe Hütten. Die Weizenfelder rund um die Hütten waren abgeerntet bis auf eines, in dem drei Männer, zwei Frauen und zwei Kinder ihre Sicheln in immer gleichen Bewegungen gegen die Halme führten. Ein weiterer Mann schüttete Abfälle in einen von grunzenden Schweinen umsäumten Trog.
Einer der Männer, die im Weizenfeld standen, drehte sich zu Wulfhardt um, wahrscheinlich hatte er ihn im Augenwinkel gesehen. Er musterte die Schwerter in den Händen von Wulfhardt und seinen Männern. Ein Schreckensruf verständigte seine Nebenleute und die Heiden in den Hütten.
Die Heiden rannten davon.
Wulfhardts Männer verfolgten sie bis tief in den Wald, beinahe bis zum Kloster Heidenheim, und schleiften sie zurück auf die Lichtung.
Wulfhardt musterte die Heiden. Zwar drohte er in seiner Rolle als Bischof oft den Ungläubigen mit Teufel und Hölle, doch im Grunde hatte er nichts gegen ihre Zeichendeutungen und Totenbeschwörungen einzuwenden, denn dadurch, dass Vater nur halbherzig gegen die Rituale der Vorfahren, die auch unter den Getauften noch vollzogen wurden, vorgegangen war, hatte er viele Möglichkeiten kennengelernt, den Willen der Götter zu erkunden und zu beeinflussen. Wie viel mehr Nutzen brachte ihm das im Gegensatz zum schwachen, gekreuzigten Christengott! So prüfte er stets selbst, ob göttliche Zeichen seine Vorhaben guthießen. So hatte er einen hellen Feuerstrahl am Himmel blitzen gesehen, gerade als er den Plan zum Überfall auf den Grafenhof geschmiedet hatte. Sofort hatte er die Botschaft der Götter erfasst: Er sollte Feuer über den Grafenhof bringen.
Nein, er verdammte nicht die Riten der Heiden. Vielmehr missfiel ihm, dass sie sich seiner bischöflichen Macht entziehen wollten.
Die meisten der beinahe zwanzig Heiden blickten furchtsam auf die grimmigen Männer, Mütter hielten schützend die Arme um ihre Kinder. Ein Mann jedoch verschränkte die Arme vor der Brust und glotzte Wulfhardt trotzig an. Auf diesen Mann schritt Wulfhardt zu und drückte ihm die Klinge an den Hals. „Gestehe! Wer von euch hat meinen Bruder ermordet?“
Der Mann rührte sich nicht, nur den Kopf wendete er leicht, sodass die dunklen Augen unter den buschigen Brauen Wulfhardt erfassten. „Niemand.“
„Pah! Warum seid ihr davongerannt, wenn ihr nichts zu befürchten habt, he? Ihr habt euch an meinem Bruder gerächt! Weil ihr auf sein Geheiß jeden Sonntag in der Kapelle das Kreuz anbeten musstet! Aber eure heidnischen Götter, die wollt ihr weiter ehren. Gibst du zu, dass ihr ihnen opfert?“
Der Mann ließ einige verräterische Augenblicke verstreichen, dann sagte er: „Nein.“
Die Ungerührtheit des Mannes überraschte Wulfhardt und steigerte das Verlangen, ihn zu demütigen. So, wie er früher gedemütigt worden war. „So seid ihr Heiden: mordet und lügt. Ihr seid mit dem Bösen im Bunde.“
Ein Mädchen löste sich aus den Armen der Mutter, rannte zum Mann und klammerte sich an sein Bein. Schwarze, zerzauste Haare fielen auf die Schultern herab, mit dreckigen Fingern bohrte es in der Nase.
Wulfhardt packte das Mädchen und zerrte es zu sich. Der Mann stürzte vor, um es seinem Griff zu entreißen, doch Wulfhardt hielt ihm die Klinge vor das Gesicht. Bald waren seine Männer zur Stelle und drehten dem Mann die Arme auf den Rücken.
Wulfhardt packte das Mädchen am Haarschopf und ritzte einen Kratzer in ihren Hals. „Nun, du kennst die Frage: Wer hat meinen Bruder ermordet?“
„Niemand, Herr, ich schwöre es. Mit dem Mord haben wir nichts zu tun.“
Wulfhardt holte mit dem Schwert aus. Der Mann schrie auf, die Klinge sauste auf das Mädchen nieder, mit einem Streich schnitt er den Haarschopf ab.
Kreischend rannte das Mädchen weg, doch Wulfhardt bekam es zu fassen.
Der Mann fiel mit den Knien in den Dreck und faltete die Hände. „Bitte, Herr, glaubt mir doch …“
„Du hast die Wahl!“, donnerte Wulfhardt. „Entweder du deutest auf den Mann, der meinen Bruder ermordete, oder der nächste Schwertstreich trifft den Hals!“
Ein Rotkehlchen trällerte einsam über die Lichtung. Wulfhardt hob den Schwertarm, der Heide hob flehend die Hände. Da mischte sich plötzlich seltsames Gemurmel in das Trällern: Eine Prozession verschleierter Frauen erreichte die Lichtung. Acht Nonnen hielten die Handflächen zum Gebet aneinandergepresst. Die vorangehende Nonne murmelte etwas; ihre Worte klangen wie die lateinischen Formeln, die er während der Messen sprechen musste, ohne sie zu verstehen. Die folgenden Nonnen murmelten die Worte nach. Bange fragte sich Wulfhardt, ob sie mit diesen Worten Mächte anriefen, die er nicht kannte. Eine der Frauen − die kleinste − trug keinen Schleier, sondern ein Kopftuch, an dessen unterem Rand Locken hervorspitzten. Sie sah auf den ersten Blick aus wie ein Kind. Doch auf den zweiten Blick ließen die Locken eine Wildheit erahnen, die nicht mit dem züchtigen Kopftuch harmonierte, ebenso wenig wie die sinnlich geschwungenen Lippen. Wulfhardt starrte sie an. Die Wangenknochen überzog eine feine Röte, wahrscheinlich war sie Hals über Kopf durch den Wald gehetzt.
Wer hatte sie gerufen?
Noch immer Gebete murmelnd, schaute die Nonne auf und bemerkte seinen Blick. Hastig wandte er die Augen von ihr ab. Zusammen mit den anderen Nonnen blieb sie drei Schritte vor ihm stehen, nur die vorderste kam zu ihm heran. Ihr Köpfchen verschwand beinahe unter dem Schleier, und der Umhang fiel an ihr hinab wie an einer Vogelscheuche; an ihrem Gürtel hingen viele kleine Amphoren. Sie bekreuzigte sich und trat zwischen ihn und das Mädchen ohne Haarschopf. Sie sprach fast im Flüsterton in seiner Sprache, aber mit fremdem Einschlag: „Ich, Walburga, Äbtissin des Klosters von Heidenheim, entbiete Euch meinen Gruß, edler Bischof Wulfhardt. Ich komme eiligen Schrittes, um Euch vor einem entsetzlichen Fehler zu bewahren. Ich war oft zu Gast bei den guten Menschen, die hier jahraus, jahrein die Felder pflügen, und habe ihnen das Evangelium Jesu Christi verkündet. Sie sind friedfertig, bald werden sie die heilige Taufe empfangen. Wahrlich, das Samenkorn, welches ich unter diesen arbeitsamen Menschen aussäte, fiel auf gutes Land und wird hundertfach Frucht bringen.“
Wulfhardt gewahrte, wie lächerlich die Situation war: Ein paar Nonnen wollten ihn aufhalten! Er deutete mit dem Schwert auf die Dorfbewohner. „Der Mörder meines lieben Bruders versteckt sich unter diesen Heiden! Sie haben den Machtsitz meiner Familie überfallen, mitten in Friedenszeiten!“ Die Stimme kippte, so stark schien es ihn zu schmerzen. Als er sich gesammelt hatte, rief er: „Und nun verschwindet, damit die Schwerter für Gerechtigkeit sorgen!“
Walburga bekreuzigte sich. „Eure aufrichtige Trauer rührt mein Herz, edler Bischof Wulfhardt. Möge Gott, der Herr, Euch dies dereinst vergelten. Indessen trübt der Schmerz Euer Urteil. Ich bitte Euch, lasst ab von diesen unschuldigen Geschöpfen Gottes und handelt, wie die Schrift es uns lehrt: Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Wulfhardt tat die Bemerkung mit einem Schwertstreich durch die Luft ab. „Ihr glaubt, Ihr kennt die Heiden, weil Ihr sie ein Mal besucht habt. Aber die Heiden sind falsch und tückisch.“