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Das Versprechen der Nonne. Robert Storch
Читать онлайн.Название Das Versprechen der Nonne
Год выпуска 0
isbn 9783961400874
Автор произведения Robert Storch
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Widerspruch keimte in Michal auf, doch wie konnte sie, die Sünderin, das Wort führen gegen den Prior?
Das Portal knarrte, sie drehte sich um. Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet, doch sie knarzte wieder zu. Niemand außer ihr schien es bemerkt zu haben. Kaum hatte Michal sich wieder nach vorne gewandt, wo Goumerad gerade auf einem vor dem Altartisch platzierten Stuhl Platz genommen hatte, hallte vom Portal her ein Schlag durch die Kirche. Sie fuhr herum. Jemand schob sich durch die aufschwingende Tür. Im düsteren Licht konnte Michal die Gestalt nicht erkennen, doch eine innere Stimme flüsterte ihr, dies müsse der Knabe aus dem Wald sein. Und tatsächlich: Auf zwei Krücken und dem linken Bein humpelte Gerold durch das Langhaus Richtung Altar. Er hatte sich gut erholt, wenn man berücksichtigte, dass er vor sechs Tagen zu schwach gewesen war, um das Lager zu verlassen. Zweifellos waren Michals Gebete erhört worden. Seine Wangen waren nicht mehr so eingefallen, eine etwas zu weite Tunika hing an ihm herunter, seine blonde Strähne schimmerte im düsteren Kirchenraum. Sie musste lächeln, bis sie Walburgas Blick auf sich gewahrte, schnell wieder ernst wurde und ihr Gesicht zum Altar kehrte. Als er neben ihrer Bank stehen blieb, bemerkte sie mit einem Seitenblick, wie seine hellblauen Augen angriffslustig zu Goumerad hinauffunkelten.
Michal musste an ihre Begegnung zurückdenken, die sie trotz aller Bemühungen der letzten Tage nicht hatte vergessen können: Wie er plötzlich die Augen aufgeschlagen, wie er auf ihre ungebührlichen Fragen trotzig geschwiegen und schließlich doch ein paar Antworten gegeben hatte. Warum hatte er sie in der ersten Verwirrung Schwesterherz genannt?
Jetzt schritt Amalberga, die Pförtnerin, mit einer Behändigkeit, die man ihren stämmigen Beinen nicht zutraute, auf Gerold zu. „Was suchst du hier?“, fuhr sie ihn mit männlich tiefer Stimme auf Latein an. Weil Gerold nicht sofort antwortete, packte sie ihn am Arm.
Gerold rief in der Volkssprache: „Ich bin ein Zeuge in dieser Angelegenheit und bitte darum, gehört zu werden, bevor eine Unschuldige verurteilt wird.“
Walburga trat neben Amalberga. „Halte ein, wir wollen ihn hören.“
Goumerad stach aus seinem Stuhl hoch. „Das Tribunal muss in der Sprache der Kirche geführt werden, nicht in dieser Bauernsprache.“
„Werter Goumerad“, sagte Walburga, „die Messe muss gewiss in der lingua sacra gehalten werden, nicht jedoch dieses Tribunal. Deshalb wird er uns seine Sicht der Ereignisse darlegen, kann doch seine Aussage der Wahrheitsfindung dienen. Und erzählt er dies in der Sprache des hiesigen Volkes, so sollen all jene Zuhörerinnen, die diese Sprache noch nicht zur Gänze beherrschen, seinen Worten lauschen und ihre Sprachkenntnisse erweitern. Denn wie können wir den Einheimischen das Evangelium verkünden, wenn wir nicht ihre Sprache sprechen?“
Von einem verächtlichen Laut begleitet, ließ sich Goumerad in den Stuhl sinken.
Walburga wies Gerold an, vorne an der Holzschranke, zwischen den zwei Bänken der Nonnen, stehen zu bleiben und zu warten, bis das Wort an ihm sein würde. Sodann gab sie das Wort an Michal, doch bevor sie ihre Stimme erheben konnte, schritt Goumerad ein und zitierte den ersten Brief an die Korinther, wonach in allen Gemeinden der Heiligen die Frauen in der Gemeindeversammlung zu schweigen haben; denn es sei ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen. Die Äbtissin pflichtete dem Prior bei: Gewiss sollen Frauen während der Messe schweigend der Predigt des Priesters lauschen, dies hier sei jedoch − wie sie bereits ausgeführt habe − keine Messe. Sodann forderte sie Michal nochmals auf, zu sprechen.
Michal bekannte, sie sei in das Krankenlager gegangen, um für die Gesundung des Patienten zu beten. Plötzlich sei dieser aufgewacht, woraufhin sie mit ihm geredet hatte. Das Ergebnis hatte einen empörten Zwischenruf Goumerads zur Folge. Sie sei, fügte Michal an, von übermäßiger Neugier getrieben gewesen, zweifelsohne hätte sie den Raum sofort verlassen müssen, als der Knabe erwacht sei. Während sie sprach, spürte sie Gerolds Blick auf sich. Auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte, machte sie dieser nervös. Sie verhaspelte sich, während sie um Vergebung bat.
Walburga gab das Wort an Gerold.
Gerold verlagerte sein Gewicht auf die linke Krücke, legte die rechte Hand auf die Brust und neigte den Kopf, und für einen Augenblick tanzten die Locken auf seinen Schultern. „Diese Situation war allein meine Schuld, denn ich lag bereits wach, da öffnete sie die Tür. Sie blickte kurz herein und wollte, nachdem sie mich gesehen hatte, die Tür sofort wieder zuschlagen, doch ich drängte sie zu bleiben, überschüttete sie mit Fragen, obwohl ich wusste, dass ihr der Umgang mit mir untersagt ist.“
Walburga beäugte ihn streng, die Brauen bis unter die Haube hochgezogen. „Woher wusstest du, dass ihr dies untersagt ist?“
„Nun, ich denke, dies ist doch jedem bekannt.“
Walburga wandte sich von ihm ab und musterte Michal, als müsse sie auf den Grund ihrer Seele blicken, um das Urteil zu fällen. Michal senkte das Haupt. Die Furcht vor den Rutenschlägen kroch in jede Faser ihres Körpers, ein Schweißtropfen rann über ihre linke Brust und saugte sich in den Stoff der Tunika.
Schicksalsergeben lauschte sie Walburgas Urteil: „Schwester Hugeburc hat die Wahrheit gesagt.“
Bei dem Wort „Schwester“ strömte Erleichterung durch ihren Körper: Wenn Walburga sie noch so nannte, konnte sie doch kein hartes Urteil fällen!
„Sie hat sich somit − wie Prior Goumerad ausführte − über meine Maßgabe hinweggesetzt.“
Michal spürte ein warnendes Kribbeln im Nacken.
„Jedoch traue ich Schwester Hugeburc zu, die Strafe der Ausschließung zu verstehen, denn hätte sie den Verstand eines Kindes, so hätte Bischof Willibald ihr nicht den Schleier verliehen. Dennoch kann der Weg des Heils am Anfang nicht anders sein als eng. So soll sie denn für eine Woche jeden Tag bis nach der Non fasten, nachher erhält sie die gleiche Speise wie ihre Schwestern nach der Sext. Nach der Sext, wenn die anderen Nonnen zu Tisch sitzen, soll sie in der Kirche den Herrn mit innigen Gebeten bis zur Non um Vergebung bitten. Weiterhin darf während dieser Woche keine der Schwestern mit ihr reden.“ Walburga bekreuzigte sich. „So sei es. Nehme diese Prüfung auf dich, Schwester Hugeburc, und du wirst im Glauben fortschreiten.“
Michal stieß den Atem durch die Zahnlücke aus, bekreuzigte sich und dankte dem Herrn und Walburga für ihre Milde.
„Das ist eine Ungeheuerlichkeit, eine Frechheit, eine …“ Goumerads sonst so tiefe Stimme rutschte immer wieder in eine höhere Stimmlage, wild fuchtelte er mit den Armen. „Diese Nachlässigkeit wird Euch noch reuen, werte Äbtissin, wenn das so weitergeht, dann wird dieses Kloster zu einem Hurenhaus, hier mangelt es an jeder Zucht, seit ihr Weiber hier aufgekreuzt seid. Ihr alle, jawohl, ihr alle stürzt dieses Kloster in die Finsternis.“ Er deutete auf Wynnebalds Erdgrab neben dem Portal, dessen rechteckiger, mit Steinen markierter Umriss nur zu erahnen war, ebenso wie das Steinkreuz an der Kopfseite. „Wenn Wynnebald erleben würde, wenn er wüsste, dass sein Kloster von einem Weib in den Ruin getrieben wird!“
Walburga stand auf und ging hinaus, die Nonnen folgten, Gerold humpelte hinterdrein. Michal kam als letzte der Nonnen an die Tür und hielt sie für Gerold auf. Kurz blickte sie auf und fing einen Blick seiner hellblauen Augen ein. Er lächelte. Sogleich senkte sie das Haupt.
„Wann reden wir weiter?“, flüsterte Gerold.
Ein langer Augenblick verstrich nach Gerolds Frage am Kirchenportal. Michal starrte ihn an wie ein Eichhörnchen, aufgeschreckt von einem Donnerschlag. Sie löste die Hand von der Tür, die daraufhin langsam zuknarrte. Die Tür knackte ins Schloss, sie zuckte zusammen und stob davon, so schnell es ihre bis an die Knöchel reichende Tunika erlaubte.
Gerold lächelte ihr nach. Oft redete er über sie, wenn er mit seiner Familie sprach, die er im Himmel wähnte. Er erzählte Vater von ihren Pausbacken, den vollen Lippen und der Einkerbung über dem Kinn. „Sie sieht beinahe aus wie mein Schwesterherz“, hatte er gesagt. Er erzählte Vater von ihrer Hilfsbereitschaft im Krankenlager. Er stellte sich vor, wie Vater ihm zuhörte und milde lächelnd sagte: „Sie ist ein gutes Mädchen.“ Dann verschwand das Lächeln. „Doch bevor du um sie wirbst,