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Schwarzes Gold. Dominique Manotti
Читать онлайн.Название Schwarzes Gold
Год выпуска 0
isbn 9783867549820
Автор произведения Dominique Manotti
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Автор
Noch ein kurzer Austausch, dann zieht Casanova sich zurück. »Ich lasse euch in Ruhe arbeiten.«
Grimbert legt den Artikel aus Info Éco Avenir, den er aus dem Archiv der Handelskammer »ausgeliehen« hat, auf Daquins Schreibtisch.
»Ein interessanter Beitrag über die Wirtschaftskrise in Marseille 1964, der mich zum Nachdenken gebracht hat, allerdings enthält er ein verblüffendes Porträt von Pieri, das ihn als Pionier der Wiederbelebung des Marseiller Unternehmertums darstellt.«
Daquin überfliegt den Artikel. Eine Ode auf Pieri. Seltsam in einer Wirtschaftszeitung, die normalerweise sehr zurückhaltend sind. Er legt ihn beiseite. Den muss er aufmerksam lesen, in Ruhe.
Grimbert fährt fort: »Ich war auch beim Finanzamt. Die Akte Somar wird von den Spezialisten für die Finanzmauscheleien der Stadt und deren Gravitationsfelder sehr aufmerksam bewacht. Das ist ein Alarmsignal.«
Daquin fasst zusammen: »Aus allem, was heute Vormittag hier gesagt wurde, scheint mir hervorzugehen, dass sich unser Ausgangsansatz bestätigt: die zentrale Rolle der Somar. Solange sich nichts Besseres findet, erstes Ziel: Informationen über Co Trade finden, das ist wichtig, damit ich morgen nicht mit leeren Händen zum Gespräch mit Frickx gehe. Die Abteilung für Finanzdelikte des SRPJ kann uns vielleicht helfen?«
»Die besteht nur aus zwei Personen, aber eine davon kenne ich gut, ich werd’s versuchen.«
»Ich kann auch unsere Kollegen beim französischen Konsulat in New York bitten, uns zu schicken, was sie über Co Trade und Frickx finden können. Was halten Sie davon?«
»Warum nicht? Schließlich ist das amerikanische Konsulat in Marseille hyperaktiv, wir können versuchen, es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen …«
»Anschließend treiben Sie sich ein bisschen in der Nähe von Pieris Wohnung herum, klassische Nachbarschaftserkundung. Vielleicht könnten Sie bei unseren Freunden vom Zoll vorbeigehen, ihnen ein paar Fragen über die Somar stellen. Und gleich morgen müssen wir zur Somar und den Angestellten unter dem Vorwand, sie über die Umstände von Pieris Tod zu informieren, möglichst viele Auskünfte zu seiner Person und zur Funktionsweise des Ladens entlocken. Ich würde auch gern eine halbamtliche Rekonstruktion des Mordes durchführen, da der Staatsanwalt nichts Offizielles will. Haben Sie hier im Évêché einen guten Spezialisten für Anschläge mit Schusswaffen, einen diskreten Mann?«
»Einen Spezialisten sicher, einen diskreten Mann – man darf nicht zu viel verlangen. Wenden Sie sich an den Direktor, er ist sehr stolz auf die mobilen Einsatzkommandos der Polizei, die er gerade neu eingeführt hat, es wird ihm ein Vergnügen sein, einen Kontakt herzustellen, und es ist gut für die Beziehung zu unseren Vorgesetzten.«
»Und sagen Sie, Grimbert, woher haben Sie diesen Spitznamen, Englishman?«
»Ihnen entgeht aber auch nichts … Als ich in Marseille ankam, war ich fünf Jahre alt, und ich war Engländer. Ich bin auf Malta geboren. Die Insel war damals britisch. Aber ich spreche schlecht Englisch, meine Muttersprache ist Maltesisch. Ich spreche auch Deutsch, gar nicht mal schlecht, mein Vater war Deutscher. Deutscher Jude. Er ist 1938 geflohen und erst auf Malta zum Stillstand gekommen, wo er meine Mutter geheiratet hat, aber er konnte sich nie an die maltesische Mundart gewöhnen. Zu Hause haben wir Maltesisch und Deutsch gesprochen.«
Einen Teil des Nachmittags verbringt Daquin damit, das Dossier noch einmal zu lesen. Sich die Personen einprägen, die kleinsten Details, sich nichts entgehen lassen. Ebenso die Polizeiakte von Emily Frickx mit dieser Spur abgedrehten Leichtsinns und den Artikel aus Info Éco Avenir mit seinem Porträt eines Marseiller Banditen als Held des modernistischen Unternehmertums. Er weiß nicht, was wichtig ist und was nicht, man muss also alles in Betracht ziehen.
Er verlässt das Büro relativ früh, um Einkäufe zu machen und zu kochen, wobei er noch nicht über das Menü entschieden hat. Normal. Er erinnert sich kaum an Vincent, er weiß nicht, ob es ihm Freude macht, ihn wiederzusehen, oder eher nicht, er weiß nicht, warum er ihn zum Abendessen eingeladen hat. Wie soll man unter diesen Umständen ein Menü zusammenstellen? Er durchquert das Panier-Viertel, läuft am Vieux-Port vorbei, geht dann hoch zum Markt von Noailles, angezogen von den Farben, dem Lärm, den Menschen, die durch die Sonne bummeln, sich begegnen, einander zurufen, sich anblaffen, eine Stadt, die zu ihrem eigenen Vergnügen eine Show abzieht. Vor dem Obst- und Gemüsestand einer faltigen alten Marktfrau bleibt er stehen, sieht ihr zu, wie sie von einem Kunden zum anderen flattert, einen Wortstrom ausgießt, während sie aufmerksam jede Frucht, jedes Gemüse wählt, mit wachem Blick und präzisen Bewegungen. Sie muss Pieris Großmutter ähneln … Warum empfinde ich eine Art Zärtlichkeit für sie?
Hat die Alte es gespürt? Sie ruft ihm zu: »Und Sie, junger Mann, was darf es für Sie sein?«
Daquin zögert: Tomaten … und warum eigentlich nicht die Alte machen lassen?
»Geben Sie mir, was ich für ein Ratatouille für zwei Personen brauche.«
»Ah! Ein Abend unter Verliebten?«
Lächeln. »Wenn Sie es sagen …«
»Ich richte das für Sie.«
Sie packt Tomaten, Paprikaschoten, Zucchini, Zwiebeln und Auberginen zusammen, verstaut sie sorgsam in einer Tüte und wirft ihm dann einen argwöhnischen Blick zu. »Sind Sie der Koch? Wissen Sie wenigstens, wie man Ratatouille macht?«
»Keine Sorge, ich habe mein Rezept …«
»Vor allem keine Originalität, das beste Rezept ist das Ihrer Mutter.«
Daquin hat in diesem Punkt seine Zweifel, beschließt aber, sich nicht dazu zu äußern.
Danach macht er einen Abstecher zur Kaffeerösterei auf der Canebière, um seinen persönlichen Vorrat an Arabica zu besorgen, italienische Röstung und frisch gemahlen. Es ist nicht viel los, guter Kaffee ist kein obligatorischer Bestandteil der Marseiller Kultur. Dann geht er zurück zu seiner Wohnung am Quai du Port.
Kaum angekommen, begibt er sich in die Küche, das erste Mal seit seiner Ankunft in Marseille. Freude, in seinen Händen wieder frisches Gemüse zu spüren. Die Erinnerung an Beirut steigt in ihm hoch, und Beirut hat einen Namen: Paul Sawiri, sein Liebhaber, älter als er und sehr viel weiser, der ihn die Liebe zum Kochen gelehrt hat. Kochen, sagte er, tut man nicht für sich selbst, sondern für einen anderen oder mehrere andere, Freunde, Liebhaber. Jedes Gericht ist ein Liebesakt, die Art und Weise der Zubereitung, die Würzung, hängt von der Person ab, mit der man es essen wird. Genau da liegt das Problem: Wer ist Vincent? Mit wem wird er heute Abend essen? Er macht sich an die Arbeit. Erst die Tomaten schälen, ein paar Sekunden in heißes Wasser tauchen, dann die Schale abziehen. Das Gemüse fein würfeln. Messer frisch geschliffen, sorgfältige, präzise Handgriffe, bei denen die Spannung des Tages allmählich von ihm abfällt. Dann das Gemüse einzeln in Öl anbraten, angefangen mit den Auberginen, die man im Anschluss auf Küchenpapier beiseite legt, um das überschüssige Öl aufzusaugen. Nach den Auberginen die Zwiebeln, Zucchini und Paprikaschoten anbraten, diese Arbeit nimmt einen weniger in Anspruch, die Gedanken schweifen ab. Vincent, der Musterschüler in ihrer Clique an der Jurafakultät. Zurückhaltend, fleißig, pummelig. Manche sagten: heimlich in dich verliebt, Théo. Er hat das nie ernst genommen und sich nie für ihn interessiert. Vincent spielte Tennis und Golf. Die ganze Clique nannte ihn »den idealen Schwiegersohn«.
Jetzt,