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in der Patsche saß oder irgendwelchen Ärger hatte.

      „Also all die guten Namen, die ich schon vorgeschlagen habe, willst du ja nicht, aber es gibt doch bestimmt einen. Zum Beispiel, ach, ich weiß auch nicht … Jack?“

      Jetzt nickte er begeistert.

      „Der gefällt dir also? Na gut, dann heißt du Jack. Jack Bennet“, sagte sie und borgte sich den Nachnamen von ihrer Lieblingsheldin aus einem Roman von Jane Austen aus. Dann wuschelte sie ihm noch einmal durchs Haar und erklärte: „Ich glaube, du gibst einen guten Jack ab. Und weißt du was? Ich wollte schon immer Kate heißen, also heiße ich in dem Spiel jetzt so.“

      Dann legte sie ihm den Zeigefinger unters Kinn, hob seinen Kopf ein wenig und sagte: „Aber für dich bin ich immer noch Mama, Mister.“

      Ihr Lächeln verflog, als ihr bewusst wurde, dass er sie schon seit Monaten gar nicht mehr angesprochen hatte.

       Aber bald. Bald werde ich meinen Jungen wiederhaben.

      „Okay, also gehen wir noch mal die drei Regeln durch, nur für den Fall, dass du sie vielleicht vergessen hast: Erstens: Du musst immer sofort reagieren, wenn jemand dich Jack nennt, sonst wird dir ein Punkt abgezogen. Zweitens: Du darfst niemandem deinen richtigen Namen sagen, sonst wird dir ein Punkt abgezogen. Und drittens: Dieses Spiel ist ein Geheimnis nur zwischen dir und Mama, und wenn du irgendjemandem etwas davon sagst, dann hast du das ganze Spiel verloren.“

      Lächelnd nickte er.

      „Du glaubst, dass du mich schlagen kannst, nicht wahr?“

      Sein Lächeln wurde intensiver.

      „Na, das werden wir ja sehen, Mr. Jack.“

      VIER

      Eden zog Micah etwas weiter vom Straßenrand weg, als ein Lastwagen vorbeidonnerte. Zwar boten die Bäume am Straßenrand etwas Schutz vor dem eisigen Wind, aber sie hatte noch nie eine so brutale Kälte erlebt. Sie vermisste zwar sonst absolut nichts von ihrem alten Zuhause, hätte aber alles gegeben für einen warmen, sonnigen Südstaatentag. Ihre Sportschuhe waren schon längst völlig durchweicht, sodass auch ihre Socken nass waren und ihre Füße sich anfühlten wie Eisklumpen.

      Bei ihrer letzten Rast hatte sie Micahs Füße kontrolliert, die zum Glück noch trocken gewesen waren. Er war wirklich tapfer gewesen den ganzen Tag über, denn sie hatte so ziemlich in jedem Laden in der Stadt nach Arbeit gefragt – ohne Erfolg.

      Wenigstens hatten sie kostenlos zu essen bekommen, denn die winzige Bibliothek feierte die Einweihung einer Erweiterung mit einem Tag der offenen Tür. Der Besuch war wegen des Wetters dürftig gewesen, aber Micah und sie hatten sich gütlich getan an den Snacks und für den Abend sogar noch ein paar Weihnachtsplätzchen eingesteckt. Darauf war sie bestimmt nicht stolz, aber es hatte sein müssen. Micah bekam bestimmt bald wieder Hunger, und sie hoffte, dass die Plätzchen eine Weile reichen würden.

      Ein Auto fuhr vorbei und wich ihnen in einem großen Bogen aus. Die Sonne ging langsam unter, und es blieb ihnen jetzt nur noch eine Möglichkeit. In drei verschiedenen Geschäften hatte sie von den Besitzern erfahren, dass auf einer Weihnachtsbaumplantage eine Aushilfe gesucht wurde. Das wäre perfekt, aber die Farm mit der Plantage lag ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, sodass sie diese Möglichkeit bis zum Schluss aufgehoben hatte. Sie hatte schon versucht, dort anzurufen, aber es war sofort der Anrufbeantworter angesprungen.

      Micah entzog ihr seine Hand, und sie blieb stehen, während er sich den einen Schuh auszog.

      „Was ist denn los, Jack?“, fragte sie ihn. Sie musste sich daran gewöhnen, ihn so zu nennen, und er musste sich daran gewöhnen, so zu heißen, deshalb hatte sie ihn heute sehr oft so angesprochen. „Hast du nasse Füße?“

      Er schüttelte den Kopf und hielt sich an ihr fest, während er ein Steinchen aus seinem Schuh schüttelte.

      „Na, wie ist denn der da hineingekommen?“, fragte sie und befühlte sicherheitshalber noch einmal seine Socke. Besorgt schaute sie dabei in den Wald, in dem es langsam dunkel wurde, während er sich den Schuh wieder anzog.

      Sie fragte sich, ob sie ihre Spuren sorgfältig genug verwischt hatte oder ob Langley ihnen schon wieder auf den Fersen war. Sie musste noch einmal an ihre letzten Momente in der Schutzwohnung denken, und schon allein bei dem Gedanken bekam sie Herzrasen. Ihr Körper wurde von innen nach außen ganz kalt, und sie unterdrückte ein Zittern.

       Ach, Walter, es tut mir so leid.

      Jetzt nahm Micah wieder ihre Hand.

      Sie zuckte zusammen und schob die Erinnerung möglichst weit weg von ihrem verletzlichen Sohn.

      „Fertig?“

      Als sie zehn Minuten später einen Hügel hinaufgegangen waren und um eine Kurve bogen, tauchte ein Schild auf.

      „Callahan Weihnachtsbaumplantage“, stand darauf. „So, wir sind da, Mr. Jack. Und jetzt schauen wir mal, ob es hier einen Job für uns gibt.“ Das Schild war alt und rustikal mit leuchtend roten Buchstaben, aber die Beleuchtung war noch nicht eingeschaltet. Sie fragte sich, ob so spät an einem Samstagabend wohl überhaupt noch jemand im Büro war.

      Sie bogen in die Auffahrt, und der frische Schnee knirschte unter ihren Füßen. Fichten in den unterschiedlichsten Größen säumten den Weg, und dahinter lag hügeliges, schneebedecktes Land, so weit das Auge reichte.

      Kurz darauf gelangten sie zu einem Parkplatz, der noch nicht von Schnee geräumt war. In der Nähe des Parkplatzes stand eine große rote Scheune. Über einem Platz, wo, wie sie annahm, demnächst die bereits geschlagenen Bäume präsentiert werden würden, waren Lichterketten gespannt, die aber ebenfalls noch nicht eingeschaltet waren.

      „Sieht so aus, als ob geschlossen ist. Wir versuchen es einfach mal im Haus. Die Frau in dem Laden hat gesagt, es wäre am Ende der Auffahrt.“

       Bitte, Gott. Ich weiß, ich habe dich in letzter Zeit um ziemlich viel gebeten, aber ich brauche diesen Job unbedingt.

      Doch selbst wenn sie ihn bekäme, würde das noch nichts an ihrer momentanen Notlage ändern. Es würde mit Sicherheit eine Woche dauern, bis sie ihren ersten Lohn bekäme, und wovon sollten sie bis dahin leben? Und wo sollten sie unterkommen?

       Hör nicht auf zu glauben, Eden.

      Ab und zu hörte Eden in ihrem Kopf Karens Stimme, so als wäre sie noch bei ihr. Diese ganz normalen, unkomplizierten Tage schienen schon so weit weg, so lange her, fast wie aus einer völlig anderen Welt. Karen wäre bestimmt sehr traurig über all die schlechten Entscheidungen, die Eden getroffen hatte.

       Und du siehst ja auch selbst, wie weit sie dich gebracht haben!

      Micah blieb plötzlich stehen und zeigte nach links. Ein schmaler Weg führte zu einem Schuppen aus Holz, aus dessen Dach ein Rohr ragte. Der Weg dorthin war ebenfalls nicht geräumt, und es waren auch keine Spuren darauf zu sehen.

      „Ich glaube nicht, dass es das ist, Jack“, sagte sie.

      Sie gingen also weiter die kurvige Auffahrt hinauf, und nachdem sie noch einmal eine kleine Steigung hinaufgegangen waren, sahen sie in der Senke dahinter ein Haus. Es war ein zweigeschossiges Farmhaus mit einer breiten, einladenden Veranda davor. Eden stieß einen leisen Seufzer aus, als sie die Fenster sah, hinter denen behagliches Licht zu sehen war.

      Sie warf noch einmal einen Blick auf ihre Uhr, die billige, die sie erworben hatte, nachdem sie ihre Cartier-Uhr verkauft hatte. Es war fast Abendessenszeit – aber wenigstens war jemand zu Hause.

      Kurz darauf stapften sie die Verandatreppe hinauf. Sie zog Micah ganz nah an sich heran und rieb seine Arme schnell und fest, um ihn warm zu halten, während sie

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