Скачать книгу

auf den Lippen. „Und es war auch ganz schön mutig. Dafür war er aber auch all die Jahre danach seines Glaubens sehr gewiss.“

      Die Veröffentlichung einer Beziehung ist wichtig für ihren Fortbestand. Man muss lernen, sich als „Paar“ in der Gesellschaft zu bewegen. So ließ mein Freund Gott mich relativ schnell in Situationen geraten, in denen ich über ihn gesungen habe und er sich an meiner Stimme erfreut hat. Er ließ mich von sich erzählen, in Jungscharen und Bibelkreisen, und hörte ganz aufmerksam zu. Und dabei waren wir noch gar nicht lange liiert.

      Schlussendlich ließ mein Freund Gott zu, dass ich auf Rockkonzerten als Frontmann einer evangelistischen Band von unserer Liebesbeziehung schwärmte. Am liebsten aber hört er den Klang meiner Stimme im Gebet, weil ihn das immer wieder an den Anfang auf dem Hochsitz erinnert. Und ich tue es gerne, obwohl ich auch noch genau weiß, wie ich mir im Schülergebetskreis beim Rundbeten oft fast in die Hosen gemacht habe, wenn das Gebet immer näher kam und ich wusste, dass ich jetzt gleich an der Reihe war, aber das Gefühl hatte, dass die anderen schon alles Interessante weggebetet hatten. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich bis heute das Stundengebet der Benediktinerinnen liebe, weil man dort nichts leisten muss, um besonders fromm und reif zu erscheinen, sondern einfach mit allen anderen zusammen vorgefertigte Gebete spricht. Ich hab allerdings noch nicht herausbekommen, wie mein Freund Gott aus all den vielen Stimmen meine beziehungsweise die Stimme eines jeden Geliebten heraushören kann.

      Der vertraute Klang der Stimme des Freundes in der Dunkelheit ist für uns beide wie ein Leuchtturm in der aufgepeitschten See. Vom tiefen Seufzer über das 24-Stunden-Gebet bis hin zum strategischen Städte-Freibeten geht es letztendlich im Kern immer nur um das eine: um die Liebesbeziehungsaufnahme zweier Herzen, nämlich dem Herzen meines Freundes Gott und meinem Herzen. Das deutet das grundlegende Wort für Gebet im Neuen Testament, „proseuchomai“, an. Das ist das, was Jesus immer gemacht hat (z.B. in Markus 1,35: „Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus und ging fort an einen einsamen Ort und betete [ proseuchomai] dort.“). Proseuchomai ist das grundlegende „Programm“ des Gebets, das Betriebssystem, ohne das man das Gebet zwar einschalten kann, aber ohne das die Programme nicht laufen. Ohne proseuchomai haben weder Gebetsmärsche noch Strategisches Gebet oder FFF (Fasting for Fun) Leben.

      Proseuchomai bezeichnet umfassend jede Art von In-Verbindung-Treten mit Gott. Das hatten die Jünger bei Jesus gesehen, etwas, das über eine gewöhnliche Methode hinausging, und das war etwas, das sie auch lernen wollten. Und so baten sie ihn eines Tages darum, als sie wieder einmal gesehen hatten, wie glücklich Jesus im Gebet wirkte (Lukas 11,1).

      Mein Freund Gott und ich sitzen jedenfalls bis heute gerne auf himmlischen Hochsitzen (Epheser 2,6) und lassen verliebt die Seele baumeln.

      Erlebnistipps

      1. Trau dich mal, dich scheinbar (oder auch tatsächlich) zu blamieren, indem du an einer ungewöhnlichen Stelle öffentlich bekannt gibst, dass du Jesus gut findest und versuchen willst, so zu leben, zu lieben und zu feiern wie er. Vielleicht erlebst du dann das, was Wilhelm Busch einmal so treffend gesagt hat: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s hernach ganz ungeniert.“

      2. Versuche dir beim Beten immer das verliebte Gesicht deines Freundes Gott vorzustellen, und genieße mehr eure Beziehung als euren Erfolg.

      Kapitel 3

       Mein für mich blutender Freund

      Als mein Freund Gott am Kreuz verblutete, erkannte ich, dass mein Leiden keine Chance mehr hatte. Und das kam so.

      Neulich traf ich meinen Freund Gott in einer Kirche. Da gehe ich immer wieder gerne hin, knie vor ihm nieder, und dann genießen wir einander still. Dieses Mal aber drängte mein Leiden unverschämt an die Oberfläche, und ich jammerte ihm die Ohren voll. Nun ist das meinem Freund Gott nichts Neues, denn ich leide, schon seit ich denken kann, unter den verschiedensten Unzulänglichkeiten. Das Gute, das ich will, tue ich nicht, und das Böse, das ich nicht will, das tue ich oder ermögliche ihm durch meine Unterlassungen zumindest eine weitere Ausbreitung. Nicht immer live, aber immer öfter in Gedanken, was auch nicht viel besser ist.

      Na, jedenfalls drehte sich mein Freund Gott an diesem Tag in der Kirche plötzlich zu mir um, lächelte mich an und sagte: „Mickey, noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Bingo! Da wusste ich doch gleich wieder, wo ich war und dass ich dort zu Recht hingehöre und dass meine Leiden die gerechten Konsequenzen meiner Gottesferne sind. Zum Glück im Unglück hatte mein Freund Gott die gute „Schächerseite“ für mich reserviert.

      Meistens hört mein Freund Gott mir ja einfach nur zu, wenn ich jammere, und antwortet auf meine Frage: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“, mit einer liebevollen Umarmung und einem phatten Kuss. Diesmal wollte er mir aber etwas Neues zeigen. Und so führte mein Freund Gott mich in die Betrachtung seines Leidens ein, wie er es schon seinerzeit mit unserem gemeinsamen Freund Martin Luther getan hatte. Dass nur die Wahrheit mich letztlich wirklich frei machen würde, hatte ich irgendwo schon einmal gelesen. Dass diese Wahrheit mein für mich blutender Freund Gott ist, wie es kein Gibson dieser Erde brutaler zeigen könnte (Film: The Passion), lernte ich nirgendwo. Denn gerne geben Vorbilder ihre Sünde, die eine solche blutige Konsequenz nach sich zieht, ja nicht zu.

      Auch die Ehrwürdigkeit meiner eigenen Glaubensposition kann manchmal zu einer abschottenden Seifenblase verkommen und nur noch meinen äußeren Schein wahren. „Wenn du so vermessen sein willst, mein lieber Mickey“, stichelte mein Freund Gott jedenfalls an der Blase herum, „und dich selber durch dein Jammern, durch Reue und Genugtuung zum Frieden bringen willst, dann wirst du niemals zur Ruhe kommen. Das habe ich doch schon unserem Freund Martin erklärt.“

      Der hat das mal so gesagt: „Wenn wir nämlich mit unseren Sünden selber in unserem Gewissen fertig werden wollen, sie bei uns bleiben lassen und sie (nur) in unserem (eigenen) Herzen anschauen, so sind sie uns viel zu stark und leben ewig. Aber wenn wir sehen, dass sie auf Christus liegen, dass er sie durch seine Auferstehung überwindet, und wir das voller Zuversicht glauben, so sind sie tot und zunichte geworden.“ Deswegen soll das Leiden meines Freundes Gott ein Vorbild für uns sein, das uns unter allen Umständen vor Augen stehen soll, damit wir den Umgang mit ihm lernen.

      Denn wenn ich meinen Freund Gott neben mir so nackt anschaue, dann hat in diesem Augenblick größter Intimität mein Leiden keine Chance mehr. Wenn ich mir die Dornenkrone und die Nägel intensiv ansehe, dann rücken Schmerzen und Krankheiten in eine andere Perspektive.

      Wenn ich etwas tun muss, das mir zuwider ist, oder etwas unterlassen muss, das ich gerne getan hätte, dann denke ich daran, wie mein Freund Gott gebunden und gefangen hin- und hergeführt wurde.

      Wenn der Stolz mir die Augen schließt, dann versuche ich noch eben durch einen kleinen Schlitz zu sehen, wie mein Freund Gott verspottet und mit uns Schächern verachtet wurde.

      Und wenn ich, gerade als Mann, wieder einmal in Gefahr stehe, von kleineren Körperteilen und anderen Hormonen gesteuert zu werden, dann schaue ich auf das Kreuz und sehe, wie bitter der nackte Leib meines Freundes Gott gegeißelt, durchstochen und durchschlagen wurde, und unkeusche Gedanken haben keine Chance mehr.

      Und wenn mich Hass, Neid und Rachsucht zu verzehren drohen, dann denke ich daran, wie mein Freund Gott mit vielen Tränen und Gebeten für mich und alle seine anderen Feinde zum Vater im Himmel gebetet hat.

      So und auf vielfältige andere Weise bietet die Betrachtung des Leidens meines Freundes Gott, allein schon durch die bloße Betrachtung eines Kreuzes in einer Kirche, Schutz und Schirm vor allem Bösen.

      Wenn mir jedenfalls seither dunkle Widerwärtigkeiten den Blick auf die Wahrheit versperren wollen, dann bilde ich mir immer wieder ein, dieses Lächeln meines Freundes Gott am Kreuz zu sehen, wie er mir ein Einfachticket zum Paradies unter die Nase hält. Und dann reiße ich die Augen „HalloWach“-mäßig auf, nehme mein Kreuz auf mich und ziehe weiter von Tisch zu Tisch des Herrn (Psalm 23,5).

      Erlebnistipps

Скачать книгу