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in Bewegung, hielt auf das Bellen zu. Der Untergrund fiel sanft ab. Etwas weiter unten zog sich die alte Wehrmauer durch die Ansammlung der Bäume. Wenn die Blätter nicht so dicht wären, hätte man von hier aus einen wunderbaren Ausblick. Selbst die Festung Hohensalzburg wäre zu sehen. Aaron Treps wusste das. Er vollführte seine Joggingeinheiten über den Kapuzinerberg auch in Spätherbst und Winter. Dann waren die Zweige kahl und gaben fast überall den Blick auf die Stadt frei.

      »Worüber regst du dich so auf, mein Kleiner?« Er war dem Kläffen nahe. Der Waldboden fühlte sich an manchen Stellen sehr matschig an. Erst gestern Abend hatte das Unwetter nachgelassen. Es hatte seit Tagen Salzburg förmlich überrollt. Zwischen den unterschiedlichen Stämmen waren urtümlich bewachsene Felsbrocken auszumachen. Daneben Bäume, die schon vor vielen Jahren entwurzelt worden waren. Sie lagen da wie hingestreckte mächtige Drachen. Und dann erkannte Aaron, was den kleinen Terrier hierhergelockt hatte.

      »Na so was!« Ihm bot sich ein absonderlicher Anblick. In einer Art Mulde am schräg abgleitenden Waldboden lag neben den mächtigen Wurzeln eines umgekippten Baumstammes ein bizarr verkrümmter Körper. Ein Tier. Eine tote Gämse. Aaron beugte sich vorsichtig nach unten zum kleinen Hund. Der Terrier hatte bei Aarons Eintreffen das Bellen eingestellt, äugte neugierig auf den Angekommenen. Aaron legte ihm die Leine an.

      »Komm, mein Lieber. Ich bringe dich zurück zu deinem Frauchen. Und dann rufen wir den Stadtförster an.« Der Hund folgte ihm bereitwillig.

      Eine halbe Stunde später traf der Stadtförster ein.

      »Hallo, Benedikt.«

      »Hallo, Aaron.« Die beiden kannten einander gut. Schließlich war Aaron Treps seit vielen Jahren auf dem Kapuzinerberg unterwegs, und das meist mehrmals in der Woche. Da begegnete man sich eben. Marlene Stracker war mit ihrem Jacky hinuntergestiegen. Aaron hatte ihr zuvor den Fund der verendeten Gämse geschildert. Marlene hatte ihn gefragt, ob es ihm etwas ausmache, alleine auf den Stadtförster zu warten. Sie wolle lieber gleich nach Hause. Der freundliche und stets hilfsbereite technische Zeichner hatte gerne eingewilligt.

      »Wo liegt das tote Tier?«

      »Gleich da unten neben einem der umgestürzten Baumriesen.« Aaron Treps ging vor, der Stadtförster folgte ihm.

      »Aber das ist ja die Milly!« Benedikt Keutschach ging neben dem toten Tier in die Hocke. »Ich erkenne sie an der linken Krucke.« Er deutete auf eine Krümmung am linken Horn des Tieres. Er hob den Kopf des Tieres leicht an. »Die Milly war immer in bester Verfassung, nie krank, sehr kräftig, eine elegante Kletterin.« Er erhob sich, trat einen Schritt zurück, ließ seine Augen auf dem Tier ruhen. »Also abgestürzt ist sie hier sicher nicht. Das passt nicht zum Gelände. Und ihre extrem verkrümmte Haltung kann ich mir auch schwer erklären. Da kann uns sicher die Tierärztin später mehr dazu sagen.« Er ließ seine Augen langsam über das abfallende Gelände und die verdeckte Mulde gleiten. Er schüttelte den Kopf, nagte mit den Zähnen an der Unterlippe. »Das Ganze kommt mir sehr eigentümlich vor. Äußerst seltsam.«

      Das Erstaunen wuchs an, als der Stadtförster Milly in die Höhe hob. Er hatte sich dazu Handschuhe übergestreift. Was war das? Da lag etwas. Sie konnten es beide sehen. Direkt unter dem toten Tier. Das Gebilde war halb im weichen Lehmboden versunken, aber dennoch gut auszumachen.

      Sie blickten einander verblüfft an.

      Da lag ein Totenschädel.

      Ein menschlicher.

      Well, it’s one for the money

      two for the show

      100 Schilling! 100!!! Der Blindgänger ist verrückt. Für den Betrag muss ein Arbeiter im Betrieb seines Vaters verdammt lange strampeln. Eine halbe Woche mindestens. Manche in der Produktion wohl noch länger. Und dieser hinterfotzige Prennwieser verlangte diese Mal sogar noch mehr. 130 Schilling! Alles Quatsch mit Anlauf. Der wollte den dicken Otto markieren. Aber nicht mit ihm! Er konnte ihn auf 100 runterquetschen. Vergangene Woche waren sie noch mit drei Zwanzigern ausgekommen. Der Saukerl wurde immer unverschämter! Fast drei Wochen ist die Sache jetzt her. Er hat ihm zwar beim Zusammenstoß an der Salzach nicht das Nasenbein gebrochen. Aber der Angeber musste dennoch drei Tage lang mit geschwollenem Riechkolben herumlaufen. Prennwieser hat ihm auch sofort gedroht, ihn anzuzeigen. Bei der Polizei, bei den Eltern, in der Schule. Das konnte er absolut nicht gebrauchen. Also begann er noch an Ort und Stelle, mit ihm zu verhandeln. Noch auf dem Salzachweg. Alles ausgekübelt. Dass ein paar Erwachsene kopfschüttelnd vorbeigingen, störte ihn kaum. Den nilligen Prennwieser nach einiger Zeit auch nicht mehr. Ja, es hat gedauert. Aber schließlich hatte er ihn soweit. Sie einigten sich. Der Typ ist nicht der hellste. Er würde kein Wort über ihren Zusammenstoß verlieren. Er würde keinem erzählen, was tatsächlich passierte. Weder zu Hause noch in der Schule noch sonst wo. Er würde allen sagen, er sei unversehens gegen einen Laternenmasten gerannt. Dafür würde er ihm jede Woche einen Batzen Geld zustecken. Und das zwei Monate lang. Ursprünglich wollte der Gammelknilch drei Monate rausschinden. Aber er hat ihn auch da runtergedrückt. Zumindest das hat er von seinem Alten gelernt. Wie man erfolgreich Verhandlungen führt. Wie man den eigenen Vorteil nicht außer Acht lässt und sich den Gegner so zurechtbiegt, wie man ihn braucht. So macht der Alte es im Betrieb, bei den Lieferanten und auch bei manchen Geschäftspartnern. Und er macht es eben am Salzachufer. Alles stinkrichtig. Der Ort ist egal. Was zählt, ist das Ergebnis. Sie einigten sich auf 40 Schilling. Die steckte er ihm gleich zu. Und auch in der Woche darauf. Und jetzt? Da wollte der Trollo schwer aufs Blech hauen. Verlangte einen Hunderter! Nein. So kann das nicht weitergehen. Immerhin, das muss er zugeben, hat der Affe sich an die Vereinbarung gehalten. Bis jetzt ist nichts von ihrem Zusammenstoß durchgesickert. Und so soll es auch bleiben. Aber es muss ihm etwas einfallen. Wenn der Schlabberheini weiterhin unverschämt immer mehr verlangt, geht ihm bald die Lakritze aus. Schon jetzt ist es schwierig, die nötige Kohle bereitzuhalten. Erst neulich hat ihn der Alte gefragt, ob er unerlaubt in dessen Arbeitszimmer gewesen sei. Ihm fehle Geld aus der Schublade. Er hat natürlich alles abgestritten. Zum Glück hat die Mama sich eingemischt. Sie habe sich etwas herausgenommen für Einkäufe. Wie viel das genau war, wisse sie nicht mehr, hat sie gesagt. Ob es sich tatsächlich so abgespielt hat, weiß er nicht. Vielleicht verdächtigte sie ihren Sohn und wollte ihm zu Hilfe kommen, bevor der Alte wieder einmal ausrastete. Kann sein, kann nicht sein. Er hat mit seiner Mutter nicht darüber geredet. Sie mit ihm auch nicht.

      Elvis war wieder in der berühmten Stage Show der Dorsey Brothers. Schon zum sechsten Mal. Das hat er in der Zeitung gelesen. Und vorige Woche auch im Dudelkasten gehört. Elvis wurde bei seinen Auftritten in der Show auch von Bill Black begleitet. Auf dem Kontrabass! Da muss er kichern, wenn er daran denkt. Vielleicht soll er doch Bassgeige lernen. Nein. Es würde nicht lange dauern, und der Alte würde ihn in irgendein schwindliges Klassiker-Ensemble stecken. Und jeden Sonntag Familienmusik! Ächz! Aber E-Bass hatte er auch noch keinen. Elvis würde bald in Las Vegas auftreten. Hat er gelesen. Und in der Quäke gehört.

      Elvis Presley. Der totale Anmacher. Riesentyp! Endlich gibt es von ihm auch ein eigenes Album. Ein großes. Eben erschienen. Er hat es sich sofort besorgt. Zwölf Songs. Geile Scheibe! Scharfer Klopfer!

      Well, you can knock me down, step in my face

      Slander my name all over the place

      Er singt mit, kennt jede Silbe des Textes. Die schwarze Scheibe dreht sich. Er hat sich den tragbaren Plattenspieler zu Weihnachten gewünscht und auch bekommen. Es ist für ihn jedes Mal saudufte, wenn er durch Schwenken des weißen Tonarms die Abspielung startet und dann vorsichtig die Nadel am äußersten Rand der Platte in die Rille setzt.

      You can burn my house, steal my car …

      Er schaut auf sein Handgelenk. Die Armbanduhr hat er zur Firmung bekommen. Von seinem Paten. Ziemlicher Bomber, Geschäftsfreund des Alten. Eine Rolex Precision. Wenn alle Stricke reißen, kann er auch die verscherbeln. Die bringt eine Menge Zaster ein, das weiß er. Kurz vor 16 Uhr. Herrje, schon so spät. Er muss sich beeilen.

      Fünf Minuten später hetzt er durch die Straßen der Stadt. Er will nicht zu spät kommen. Er will sie nicht versäumen. Steile Sache. Meist verlässt sie gegen 16.30 Uhr das Haus. Nicht immer, aber zumindest jeden dritten Tag.

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