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Schlitten die Schicksale der Ritter bestimmt. Wolodyjowski konnte lange das Wort nicht finden; endlich begann er:

      »Glaubt nicht, Fräulein, ich sei ein leichtsinniger Mensch, ein Windbeutel; ich bin auch nicht mehr in den Jahren ...«

      Christine antwortete nichts.

      »Verzeiht mir, was ich gestern getan habe, denn das geschah aus so außerordentlicher Zuneigung zu Euch, daß ich es gar nicht unterdrücken konnte ... Mein liebes Fräulein, meine geliebte Christine, erwägt, wer ich bin! Ich bin ein schlichter Kriegsmann, dem das Leben im Kampfe dahinfloß; ... Ein anderer hätte erst eine Rede gehalten, dann wäre er vertraulicher geworden, — ich habe bei den Vertraulichkeiten angefangen ... Bedenkt auch das; wenn ein Pferd, selbst ein zugerittenes, mit dem Reiter manchmal aufbäumt und mit ihm durchgeht — wie sollte die Liebe nicht mit uns durchgehen, die Liebe, deren Gewalt größer ist. So ist auch die Liebe mit mir durchgegangen, eben darum, weil Ihr mir teuer seid ... Meine geliebte Christine, du bist eines Burgvogts, eines Senators würdig; wenn du aber den Kriegsmann nicht verachtest, der, wenn auch nicht hohen Standes, dem Vaterland nicht ohne Ruhm gedient hat, so liege ich hier zu deinen Füßen, küsse deine Füße und frage: willst du mich? Kannst du freundlich an mich denken?«

      »Herr Michael!« antwortete Christine, und ihre Hand glitt aus dem Ärmel und sank in die Hände des Ritters.

      »Du willst?« fragte Wolodyjowski.

      »Ich will!« antwortete Christine, »und ich weiß, daß ich einen Braveren im ganzen Lande nicht hätte finden können.«

      »Gott lohne es dir, Gott lohne es dir, Christinchen!« sagte der Ritter und bedeckte die Hand mit Küssen. »Kein größeres Glück hätte mir begegnen können! Sage mir nur, daß du nicht zürnest für die Vertraulichkeiten von gestern, damit auch mein Gewissen Ruhe habe.«

      Christine senkte die Augen. »Ich zürne nicht,« sagte sie.

      Eine Zeitlang fuhren sie schweigend dahin; die Eisen knirschten im Schnee, und unter den Hufen der Pferde stoben die Schollen wie Hagel.

      Dann begann Wolodyjowski von neuem:

      »Ist es nicht seltsam, daß du mich lieb hast?«

      »Weit seltsamer,« erwiderte Christine, »daß Ihr mich so schnell lieb gewonnen habt.«

      Da wurde Wolodyjowskis Antlitz ernst, und er begann zu sprechen:

      »Christine, vielleicht erscheint es auch dir schlecht, daß ich kaum den Schmerz um die eine überwunden und schon eine andere liebe. Ich bekenne dir auch, als ob ich beichtete, daß ich einstmals leichtsinnig war. Aber jetzt ist es anders; ich habe jene Verstorbene nicht vergessen, und ich werde sie nicht vergessen. Ich liebe sie noch heute, und wenn du wüßtest, wieviel Leid ich um sie trage, du würdest selbst um mich leiden.«

      Hier versagte dem kleinen Ritter die Stimme, denn er war sehr erschüttert und bemerkte vielleicht darum nicht, daß diese seine Worte auf Christine keinen zu großen Eindruck zu machen schienen.

      Und wieder herrschte Schweigen. Dieses Mal unterbrach es Christine:

      »Ich werde mich bemühen, Euch zu trösten, so gut ich kann.«

      »Eben darum habe ich dich so schnell lieb gewonnen, weil du vom ersten Tage an begannst, meine Wunden zu verbinden. Was war ich dir? Nichts! Aber du gingst ans Werk, weil du im Herzen Mitleid mit dem Unglückseligen hattest. O, ich verdanke dir viel, sehr viel! Wer das nicht weiß, wird mich vielleicht tadeln, daß ich im November Mönch werden wollte und im Dezember zum Altar schreiten will. Sagloba wird der erste sein, der mich verspottet, denn er treibt gern seine Possen, wenn sich Gelegenheit bietet; aber mag er immerhin spotten, ich kehre mich nicht daran, besonders weil der Tadel nicht dich trifft, sondern mich ...« sagte der kleine Ritter.

      Hier blickte Christine gen Himmel und wurde nachdenklich; endlich erwiderte sie:

      »Müssen wir durchaus den Menschen von unserem Bunde Kunde geben?«

      »Wie anders?«

      »Ihr reist doch in wenigen Tagen fort?«

      »Wenn auch ungern — ich muß!«

      »Und ich trage Trauerkleider für den verstorbenen Vater. Wozu den Leuten Gelegenheit zur Verwunderung geben? Mag es zwischen uns feststehen, und mögen die Menschen nicht eher etwas davon erfahren, als bis Ihr aus Reußen zurückkehrt. Nicht wahr?«

      »So soll ich auch der Schwester nichts sagen?«

      »Ich will es ihr selbst sagen, aber erst nach Eurer Abreise.«

      »Und Herr Sagloba?«

      »Herr Sagloba würde an mir Armen seinen Witz auslassen, sagen wir lieber nichts; auch Bärbchen würde mir zusetzen, und sie ist ohnehin in der letzten Zeit so merkwürdig und hat so veränderliche Launen wie nie zuvor. Lieber gar nichts sagen!«

      Hier hob Christine wieder ihre dunkelblauen Augen gen Himmel:

      »Gott ist unser Zeuge, und die Menschen brauchen es nicht zu wissen.«

      »Ich sehe, daß dein Verstand deiner Schönheit gleichkommt. Gut denn, Gott sei unser Zeuge — Amen! Lehne dich mit deinem Arm an mich, denn da das Versprechen feststeht, gestattet es auch die Sitte. Fürchte dich nicht; was ich gestern tat, könnte ich heut' nicht tun, selbst wenn ich es wollte, denn ich muß auf die Pferde acht haben.«

      Christine genügte dem Wunsche des Ritters, und dieser sagte weiter:

      »Immer, wenn wir allein sein werden, nenne mich mit dem Vornamen.«

      »Es wird mir schwer,« antwortete sie lächelnd, »ich werde den Mut nicht haben.«

      »Und ich habe den Mut gehabt.«

      »Ja, Ihr seid ein Ritter, Ihr seid tapfer, Ihr seid ein Soldat ...«

      »Christinchen, meine liebe, liebe ...«

      »Mich ...«

      Aber Christine wagte nicht, das Wort zu beenden, und bedeckte ihr Gesicht mit dem Ärmel. Nach einiger Zeit wendete Michael den Schlitten, um heimzufahren; sie sprachen nicht mehr viel unterwegs, nur beim Umwenden sagte der kleine Ritter noch:

      »Und gestern ... weißt du? Warst du sehr betrübt?«

      »Verschämt und betrübt, aber ... ein seltsames Gefühl,« fügte sie leiser hinzu.

      Und bald machten sie gleichgültige Gesichter, damit niemand erkenne, was zwischen ihnen vorgegangen.

      Aber diese Vorsicht war überflüssig, es achtete niemand ihrer.

      Sagloba und die Frau Truchseß waren zwar in den Flur hinausgelaufen, den beiden Paaren entgegen, aber ihre Augen waren nur auf Bärbchen und Nowowiejski gerichtet.

      Bärbchen war hochgerötet — ob vor Kälte oder vor Rührung, konnte niemand sagen — und Nowowiejski war verstimmt. Er nahm auch gleich im Flur Abschied von der Frau Truchseß; vergeblich redete sie ihm zu, dazubleiben, auch Wolodyjowski, der bei vortrefflicher Laune war, bat ihn, zum Abendbrot zu bleiben, er entschuldigte sich mit Dienstpflicht und fuhr davon.

      Da küßte die Frau Truchseß, ohne ein Wort zu sprechen, Bärbchen auf die Stirn — sie aber eilte in ihr Zimmer und kehrte vor dem Abendbrot nicht zurück.

      Erst am anderen Tage fragte sie Sagloba, da er sie allein abgefaßt hatte:

      »Nun, was, kleiner Heiduck, Nowowiejski sah ja aus, als hätte ihn der Blitz getroffen?«

      »Aha,« antwortete sie und nickte mit dem Kopfe und blinzelte mit den Augen.

      »Sag' mir doch, was du ihm gesagt hast!«

      »Die Frage war schnell, denn er ist entschlossen; aber die Antwort war auch schnell, denn auch ich bin entschlossen: Nein!«

      »Ausgezeichnet, laß dich umarmen! Und er, ließ er sich kurz abweisen?«

      »Er fragte,

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