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Leben Raum zu geben. Wer hat noch nie erlebt, wie lästig es ist, wenn jemand zu einer Verabredung nicht pünktlich kommt und lange warten muss? Oder dass man ganz „versetzt“ worden ist? Die „reale Zeit“ ist eine Hilfe, um Wünsche und Lebensrhythmen verschiedener Menschen zu synchronisieren. Sie birgt aber auch die Gefahr, dass das ganze Leben getaktet wird und das Empfinden für den Moment verloren geht. Ganz wird sich die Spannung zwischen der „realen“ und „empfundenen“ Zeit nicht aufheben lassen.

      Es kann aber eine große Hilfe sein, sich diese Spannung bewusst zu machen und genau zu bedenken: Wie fülle ich meine 24 Stunden? Welche Zeit gestehe ich mir selbst, meiner Familie und den Dingen zu, die mit Geld nicht zu bezahlen sind? Wie kann ich großzügig mit der Zeit umgehen, ohne dass andere dabei ins Hintertreffen gelangen?

      Begrenzte Zeit

      Zeit ist immer Lebenszeit, und so unterschiedlich Menschen leben, so unterschiedlich ist für sie die Zeit. Für Menschen gilt noch ein Weiteres: Zeit ist begrenzt, denn das Leben ist begrenzt. Nichts, was auf dieser Erde existiert, ist von Dauer. Diese Tatsache ist im Grunde trivial. Aber trotzdem rührt sie an ein Tabu. Jeder Mensch muss sterben; daran führt kein Weg vorbei. In unserer Gesellschaft spricht man nicht gern darüber; dennoch sind viele Verhaltensweisen davon geprägt, in der zur Verfügung stehenden Lebenszeit möglichst viel unterbringen zu wollen. Carpe diem! – „Nutze den Tag!“ ist ein Ausruf, der viel Zustimmung erhält. Das geschieht sicherlich zu Recht, denn Zeit ist wertvoll. Wenn die Absicht, die Zeit möglichst gut auszunutzen, allerdings dazu führt, möglichst viel zu erleben, möglichst viel zu erreichen und möglichst nichts zu verpassen, wird aus der Zeit schnell Hektik.

      Die Welt ist bunt und vielfältig. Alles wird man in ihr ohnehin nicht sehen und erleben können. Es ist wie mit einem großen Buffet, vor dem man mit einem Teller steht. Vieles sieht schmackhaft und verführerisch aus. Nur: Wenn ich von allem probiere, um von allem einmal gegessen zu haben, wird mir schlecht. Wenn ich aber gut auswähle und das, was ich esse, auch richtig genieße, mache ich eine gute Erfahrung – allerdings nur, wenn ich dem, was ich nicht genommen habe, nicht hinterhertrauere.

      Also: Die großen Gefahren angesichts der begrenzten Zeit sind der Drang, möglichst viel in sie hereinzupacken, und die Trauer um das, was man möglicherweise verpasst. Nur der Genießer am Büfett geht später zufrieden heim. Im übertragenen Sinne heißt das für Familien: Schauen wir, was uns allen wirklich gut tut. Nutzen wir die Zeit so, dass wir etwas miteinander tun und voneinander haben. Und schließlich und ganz grundsätzlich: Für Christen ist die Begrenztheit des Lebens auf dieser Erde kein Schrecken. Denn schließlich verheißt uns unser Herr ein Leben in Fülle, das kein Ende hat.

      Leben im Jetzt

      Wir neigen heute dazu, die Zukunft zu verplanen – und nicht nur das Morgen, sondern am besten schon das Übermorgen. Dabei vergessen wir Menschen oft, dass wir im Heute leben: im Hier und Jetzt. Zwar kann ich planen und mich auf das, was kommt, vorbereiten. Handeln kann ich allerdings nur im Jetzt. Nur den Moment kann ich bestimmen, schließlich weiß ich ja gar nicht, ob ich heute Abend noch lebe. Auch wenn dieses Beispiel etwas zu weit gegriffen erscheint, so gilt doch: Nur die Gegenwart ist wirklich real. Die Vergangenheit ist Erinnerung, und die Zukunft ist Vorstellung. Sicherlich müssen Planungen sein, gerade in einer Familie. Doch sie dürfen nicht einen so weiten Raum einnehmen, dass darüber das eigentlich Wichtige, der einzelne Moment, vergessen wird. Jetzt lebe ich, jetzt schreibe ich diese Zeilen am Computer.

      Nur die Gegenwart ist wirklich real. Die Vergangenheit ist Erinnerung, und die Zukunft ist Vorstellung.

      In der Bibel, im Neuen Testament, hält Jesus uns Menschen ein sehr eindrückliches Bild vor Augen. In einer Erzählung berichtet er darüber, dass ein Mann große Ländereien besaß, aber zu kleine Scheunen. Der Mann plant nun, noch größere Scheunen zu bauen, noch mehr Vorräte anzulegen und sich dann – dann endlich, wenn er das alles erreicht hat – ein annehmliches Leben zu gönnen, in dem er sich zurücklehnen kann. Gott spricht daraufhin zu diesem Menschen und nennt ihn „Narr“, jemanden, der sich und anderen Menschen also etwas vormacht: „Du Narr“, spricht Gott, „noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?“ Alle Vorsorge, alle Vorräte und Sicherheiten nützen da nichts, denn alles ist vergänglich. Leben im Jetzt kann man einüben, heute mehr denn je. Möglichkeiten dazu sind zum Beispiel, eine Tätigkeit ganz bewusst auszuführen, ein Musikstück bewusst hören, seine Aufmerksamkeit ganz auf die Menschen und Situationen, die Natur und die Welt jetzt um mich herum zu konzentrieren. Immer wieder. Dann kann ich das Leben, so wie es jetzt ist, mehr wahrnehmen, und es rauscht nicht an mir vorbei.

      Wertvolle Momente müssen nicht lange dauern

      Viel hilft auch viel! Dieses Sprichwort trifft vielleicht auf viele Situationen des alltäglichen Lernens oder Lebens zu, auf die Zeiterfahrung und Zeitnutzung sicherlich nicht. Oftmals sind es winzige Augenblicke, an die wir uns erinnern. Sie begleiten uns unser ganzes Leben lang und haben doch nur einen Augenblick lang gedauert. Dennoch waren sie so wertvoll und tief, dass sie sich in einen festen Platz in unserem Herzen erobert haben. Sicher kennen Sie auch solche Momente oder erinnern sich an sie: Eltern erinnern sich sicher an die Geburt ihrer Kinder, an den ersten Moment, in dem sie ihr Kind in den Armen hielten. Verliebte und Ehepaare erinnern sich an die erste Begegnung mit dem Partner oder den ersten Kuss. Kleine Momente sind oft die kostbarsten Momente im Leben. Das gilt im Großen und im Kleinen. Sie durchbrechen – manchmal auf ungewohnte Art – die Gleichförmigkeit des Alltags. Und gerade weil diese Momente nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, sind sie kostbar. Gäbe es sie vier Stunden jeden Tag, dann verlören sie ihre Besonderheit und Exotik.

      Kleine Momente sind oft die kostbarsten Momente im Leben.

      Das etwas veraltete Wort „Kleinod“, mit dem etwas sehr Kostbares bezeichnet wird, macht es deutlich: Den Wert macht nicht die Größe aus. Oder anders ausgedrückt: Wichtig ist die Qualität, nicht so sehr die Quantität. In jedem Alltag gibt es kleine, wertvolle Momente; sie müssen entdeckt und geschätzt werden. Am besten geht das, wenn wir lernen, die kleinen Dinge im Leben wieder zu sehen und unsere Aufmerksamkeit einmal nicht auf das Große zu lenken, sondern auch das Kleine, scheinbar Unscheinbare wieder schätzen lernen. Kleine Dinge sind oft die wirklich großen Dinge im Leben, und die Länge einer Zeit sagt nichts über ihren wirklichen Gehalt für unser Leben aus. Das zu erinnern entlastet sehr für die Planung meines persönlichen Zeitbudgets: Ich brauche mir nicht jeden Tag zig Stunden für mein persönliches Wohlbefinden, für meinen Partner oder meine Familie zu reservieren – nur die Zeit, die ich dann wirklich eingeplant habe, sollte ich auch wirklich zu schätzen und zu nutzen wissen.

      Folgende Fragen können Sie als Eltern besprechen:

       Sind wir uns bewusst, dass jeder Tag unseres Lebens 24 Stunden hat? Oder probieren wir oft, das Pensum von 48 Stunden in einen Tag zu pressen?

       Wie leben wir unseren Kindern den Umgang mit der Zeit vor? Sagen wir oft: Ich habe jetzt keine Zeit dafür/für dich?

       Können wir als Familie den Augenblick genießen, ohne gleich an die (vielleicht gar nicht eintretenden) Probleme von morgen oder übermorgen zu denken?

       Ist uns als Eltern klar, dass unsere irdische Zeit begrenzt ist? Sprechen wir über dieses Thema auch altersgemäß mit unseren Kindern?

      2.

      Zeiterfahrungen heute

       Keine Zeit

       Schneller, weiter, höher

       Zeitfresser im Familienalltag

       Ziel: Entschleunigung

       Fragen

      In diesem Kapitel geht es um folgende Werte:

       Zeit wird nicht „mehr“, indem

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