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den Neubau einer Mega-Jacht für einen ihm freundschaftlich verbundenen, saudischen Prinzen. Papa Scheich trank Champagner, wie immer im Ausland, natürlich in Orangensaft gequirlt – ein überzeugter Moslem verpönt Alkohol. Der Orangensaft war das Feigenblatt.

      Das Heil, das auf dem Land ich suche,

       nie werd’ ich es finden!

      Ibtissam stellte mich ihrem Vater vor, einem untersetzten Mann, mit grauem gestutztem Bart und bläulich gefärbten Haaren. Er hat seinen Doktortitel, wie sie mir verriet, an einer Universität der US-Hauptstadt erworben. Seine intellektuellen Grenzen überwand der Wüstensohn mit dem Versprechen seines Vaters, der Schule eine neue Sporthalle zu finanzieren. Der Ibtissam-Papa beglückwünschte mich zu meinem perfekt geführten Restaurant. Offenbar verwechselte er mich mit dem Bar-Manager des „Ritz“, weil ich in einem weißen Anzug aufgetreten war. Später warnte er seine Tochter, in Weiß gekleidete Männer verdienten meist als Zuhälter oder Croupier ihr Geld. Sie solle dem Typen nicht vertrauen. Durchaus nachvollziehbar, warum die Tochter ihrem Vater nicht beichtete, zwar habe sie die letzte Nacht im Bett eben dieses Typen verbracht, jedoch ihre Unschuld gerettet.

      Ibtissam ließ ihren Aston Martin vom Chauffeur einschließlich ihrer nach den Shopping-Expeditionen nunmehr elf Koffer mit einem schwarzen Mercedes-Minibus aus dem Plaza Atheneé abholen. Sie plante nämlich ein unglaubliches Abenteuer: vier Stunden in einem Zug. Ohne Begleitung. Nie in ihrem Leben hatte sie das gewagt. Ich versprach, sie zum Bahnhof zu begleiten, mit der Metro, Nummer 1, von der Haltestelle Franklin D. Roosevelt zum Gare de Lyon – zehn Stationen, ein Vorgeschmack auf ihr bevorstehendes Abenteuer. Ibtissam widersprach mir nicht und schien auch nicht empört, nun Tuch an Tuch mit Arbeitern in der Pariser U-Bahn zu stehen, die nach Pernod, Knoblauch oder Rotwein rochen und Pferdewettzeitungen studierten. In ihrer Krokotasche steckten weiterhin 40.000 Dollar. Ja, der TGV, Frankreichs Hochgeschwindigkeitszug, das würde sie wagen. In Cannes wartete, off shore, Papas Jacht auf sie, 85 Meter lang, 14 breit, bescheiden für einen Scheich der ölumschwappten Oasen, die unterdess mit Weltmachtallüren auftreten und heimlich radikale Islamisten finanzieren. Hassan kutschierte den Aston Martin gen Süden, gefolgt vom Mercedes-Bus. Abdul, der dritte Chauffeur im väterlichen Monte Carlo-Haushalt, würde Ibtissams Bordkleidung, vier Koffer für drei Tage auf See und 12 Stunden Vertauung an der neuen, modernen Kaianlage von Saint Tropez, mit dem Cadillac „Eldorado Biarritz“ direkt ans Boot liefern. Ibtissam konnte ohne Gepäck reisen, erstmals in ihrem Leben.

      Sie ist heil angekommen. Hin und wieder erhalte ich eine Ansichtskarte von meiner Freundin, die wahrscheinlich nie verwelkt, den Austern sei Dank. Offenbar ist sie noch immer unverheiratet und umkreist die Welt wie der im Bariton klagende „Fliegende Holländer“, der nirgends mit seinem Schiff anlegen kann: „Das Heil, das auf dem Land ich suche, nie werd’ ich es finden!“

      Kommunikation auf Trappistenebene

      Die illustren Bewohner des historischen Platzes hatten ihre Hunde noch nicht an die Bäume geführt, die sich gegen tierische Fäkalien nicht wehren können, natürlich nicht. Sie müssen Kot und Urin ertragen, und gleichwohl sollen ihre Blüten Duft verbreiten und die Farben des Regenbogens übertreffen. Wer sich anno 2021 rund 25.000 Euro pro gekauften Quadratmeter leisten kann, hat womöglich solche Erwartungen. Der Place Dauphine hat mehr als ein halbes Jahrtausend hinter sich und ist ein großartiges historisches Werk, und zwar die gesamten 2.665 Quadratmeter, die über die Pont Neuf, die älteste Brücke der Metropole, anno 1607, mit der Hauptstadt verbunden sind. Keine Schlaglöcher darauf. Paris ist nicht Manhattan, wo urbaner Zerfall offenbar als Avantgarde angesehen ist.

      „Il est cinque heures, Paris s’éveille“, hat Jaques Du-tronc gesungen und in seinem Text auch den Place Dauphine verewigt. So wie Rainer Maria Rilke, der die architektonische Grandeur bejubelte: „Plätze, o Platz in Paris, unendlicher Schauplatz ...“ Die Müllabfuhr ist eben vorbeigerumpelt und hat Leicht- wie Langschläfer auf ewig gegen sich aufgebracht. Von meinem Fenster aus konnte ich die voluptuöse Blonde sehen, die Managerin des Cafés vom „Caveau du Palais“. Sie servierte bereits Yves Montand. Der legendäre Schauspieler, geboren in Italien, lebte er seit den 50er-Jahren auf dem Place. Gemeinsam mit der französischen Ikone Simone Signoret. Ein Power-Paar. Ein freundlicher Monsieur.

      Der Chansonnier, der während der deutschen Besetzung von Paris wie die Kollegen Edith Piaf und Maurice Chevalier auch Wehrmachtsoffiziere unterhielt, war stets elegant gekleidet, oft mit Pullover oder Weste, so, als wollte er in Longchamp oder Chantilly auf Pferde wetten. Er versäumte nie, mir und anderen Gästen ein „Bonjour“ zuzuwerfen oder sogar „A bientôt“. Bis bald also, aber dabei blieb es in all jenen Jahren. Bald war er gestorben, und außer einem sozialistischen Verteidigungsminister, Pierre Joxe, dessen Familie hochherrschaftlich am Platz residierte, konnten Paparazzis hier selten einen Prominenten ausmachen. François Mitterrand bettete seine Geliebten in anderen Breitengraden. Das heimliche Liebesleben des Valéry Giscard d’Estaing füllte in einer von meinem Freund Olivier Todd verfassten Biografie ein Kapitel. Monsieur Holland, einer seiner Nachfolger, ließ sich gelegentlich, wir erinnern uns, für ein „Frühstück d’amour“ von einem Leibwächter in die Élysées, nahe Rue de Cirque transportieren. Auf einer Vespa. Was folgte war ein Zirkus „à la croissant“ – der Staatschef reduziert zum Clown, der einen Sturzhelm trug und auf sein Amt wegen Misserfolgs und entsprechender Ablehnung der Bürger vorzeitig verzichtete.

      Mit meinem Nachbarn, einem Pianisten, oder einer der davon träumte es zu sein, kommunizierte ich auf Trappistenebene. Wie Schweigemönche existierten wir über Jahre auf der ersten Etage nebeneinander. Mein Nebenan lehnte es ab, mit Unbekannten zu reden, selbst jenen, die ihm tagtäglich begegneten. Allerdings meldete sich der Anrainer jeden Morgen, gegen 8 Uhr, musikalisch. Seine Fenster öffnete er wie den schweren Velour-Vorhang einer Opernbühne. Die Pianoklänge schallten über den Platz. Gewaltig. Nie gelang es mir zu klären, ob der Künstler sich als Rubinstein oder Horowitz wähnte. Er intonierte jeden Morgen, 30 Minuten lang, stets dieselben, undefinierbaren Stücke. Sein Flügel war arg verstimmt. Und die Kompositionen, falls es welche waren, mindestens unvollendet. Ein wenig Schubert also. Ohne dessen Genialität. Meinen Nachbarn konnte ich nicht fragen, weil er, wie erwähnt, jedwede Unterhaltung ablehnte. Ich habe den Namen des Musikers nie erfahren, zumal der auch am Briefkasten fehlte.

      Ich bin mir nicht sicher, ob der Pianist Selbstgespräche geführt hat. Er hustete häufig, zuweilen röchelte er. In solchen Sekunden fürchtete ich, seine Zahnprothese sei verrutscht und er drohte zu ersticken. Seinen Briefkasten hat er nie geleert, das scheint verbürgt. Über Monate quollen dieselben Drucksachen heraus. Der Hauswart hatte irgendwann einen Karton unter die Postfächer gestellt und den „postier“ angehalten, die Sendungen für den schweigsamen Bewohner dort hineinzuwerfen. Sobald der Kasten gefüllt war, entsorgte der Concierge die gesamte Post im Müll. Der Pianist beklagte sich nicht, verriet mir der Verwalter. Er schien erleichtert, dass ihm diese Arbeit abgenommen wurde.

      Beifall für ein unerträgliches Frühkonzert

      Täglich punkt 9 erschien der Anonyme auf dem Platz, als wollte er sich den Beifall für sein unerträgliches Frühkonzert abholen. Maestoso. Gravitätisch. Ich schätzte ihn auf 1,88. Er war hager bis mager, eingefallen, blass. Er versuchte seine Glatze zu verbergen, indem er die verbliebenen Haare bis in den Nacken wachsen ließ und sie dann, von hinten gegelt, bis an die Stirn führte. Er hätte es mit einem Hut einfacher gehabt. Nur klassische Pianisten spielen offenbar nicht mit Mütze, nur Jazzer. Seine Hosen entsprachen der Haarfarbe: grau. Seinem blauen Blazer fehlten mehrere der goldgefärbten Knöpfe. Der Hemdkragen, vielleicht war es das einzige Hemd, das er besaß, war zerlöchert und an den Rändern zerfressen. Von den schwarzen Lackschuhen, die der Gentleman vergangener Epochen zum Smoking oder Frack schätzte, hatte sich der Lack abgemeldet; nur einige wenige Bereiche der Schuhe glänzten wie in früheren Zeiten. Hose, Hemd und Jacke fehlte jede Form. Sie waren einem Bügeleisen seit Langem entkommen. Womöglich schlief mein Nachbar in seiner Kleidung, weil ihm ein Schrank fehlte. Oder eine Daunendecke für den Winter.

      Er schlurfte nicht etwa auf den Platz, sondern trat erhaben auf, selbstbewusst. Der Künstler blickte hinauf auf die wunderschönen Fenster in den historischen Gebäuden, so, als vermute er dort die Logen seiner Oper, seine Fans sowie Claqueure. Oder den Kommissar Jules Maigret. Den hat Romancier Georges Simenon

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