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Der Mephisto-Club. Maria Anne Anders
Читать онлайн.Название Der Mephisto-Club
Год выпуска 0
isbn 9783942672801
Автор произведения Maria Anne Anders
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Das war ein echter Kampf, dieses Zeug zu bekommen“, verkündet Karim, der vor mir auftaucht.
„Kinderpunsch?“, frage ich mit einem Blick auf die zwei dampfenden Tassen, die er in der Hand hält.
„Klaro“, behauptet Karim.
Ich nehme ihm die Tassen ab und drehe mich um. Irgendwie gelingt es mir, mich durch die Menge zur Treppe zurück zu schlängeln, ohne allzu viel von der Feuerzangenbowle zu verschütten. Das Zeug riecht wirklich abartig.
„Du hast es aber eilig“, ruft Karim mir nach. „He, was hast du vor?“
Und dann stehe ich auch schon vor dem Bastelstand und knalle die beiden Tassen vor meinen Eltern auf den Tisch. Ein Schwall roter Flüssigkeit schwappt über die Papierbögen (ist ja auch egal).
Meine Mutter, die gerade Frau von Sterrenberg ein dickes Salzteigjesuskind verkauft hat, dreht sich irritiert zu uns um.
„Danke für die Vertretung“, sage ich und dränge mich hinter den Stand zurück. „Die Schule hat euch zum Dank zwei Tassen Kinderpunsch spendiert.“
„Oh, das ist ja nett.“ Meine Mutter lächelt. „Wirklich alles sehr nett hier.“ Sie reicht meinem Vater eine der beiden Tassen, und als er daran riecht, lächelt er ebenfalls. Somit wären alle zufrieden. Außer Karim, der aus Protest nach der Plätzchentüte greift und sich einen der lateinischen Kekse in den Mund steckt, um zehn Sekunden später, immer noch kauend, auf dem Klo zu verschwinden.
Während meine Mutter weiter den Standdienst schmeißt, suche ich auf meinem Smartphone nach Uganda. Sicher ist sicher, falls die Dalmann doch noch einmal hier auftaucht.
In den nächsten fünf Minuten werde ich zum Uganda-Experten. Oder wusstet ihr, dass es dort schneebedeckte Berge gibt? Und dass Berggorillas in Uganda leben? Diese Menschenaffen sind vom Aussterben bedroht, wobei sie nicht nur durch Wilderer gefährdet sind, sondern auch durch Touristen, die fiese Infektionskrankheiten einschleppen.
Schließlich finde ich noch einen Artikel der Frauenzeitschrift Monalena, der davon handelt, dass der Bundespräsident kurz vor Weihnachten ein Waisenhaus in Uganda besuchen wird. Sein Flug geht am Abend des zweiundzwanzigsten. Ein privater Besuch, wie der Artikel betont. Unsere Schule kann sich jedenfalls etwas darauf einbilden, in welch berühmter Gesellschaft sie mit ihrem Spendenprojekt ist.
Dank meiner Mutter hat der Bastelstand die Rekordsumme von dreiunddreißig Euro und zwanzig Cent eingebracht. Und ich bin heilfroh, als mein Standdienst vorbei ist (verlängert um zwei Stunden, die ich mit Karim in der Schulaula abhängen musste, weil Pawlowka dort die Modenschau moderierte. Immerhin weiß ich jetzt, dass Pullover mit Weihnachtsgirlandenmuster in der Oberstufe der Renner sind). Der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien wäre damit auch überstanden. Noch viermal schlafen bis Heiligabend. Zwei Tage, bis Tante Constanze uns besucht. Mein Gott, Jan, bist du groß geworden. Bald kommt der Weihnachtsmann. Warst du auch schön artig?
Wenn ich daran denke, wäre Schule vielleicht doch die bessere Alternative.
* Die Frau, die meine Geschichte für mich aufschreibt, will klarstellen, dass ich meinen Vater wirklich Pape nenne (mit e statt a hinten). Das ist kein Tippfehler.
Der Sprinter
oder warum man sich nicht von seinen Eltern nach Hause begleiten lassen sollte
Gerade als ich mich mit Karim auf den Heimweg machen will, kommen auch meine Eltern aus der Schule. Karim winkt ihnen zu. Oh, Mann. Er ist manchmal wirklich dämlich. Heute Nachmittag war die Straße zu vereist, um mit dem Fahrrad zu fahren, und meine Eltern sind ebenfalls zu Fuß hier. Jetzt müssen wir den gesamten Weg nach Hause mit meinen Eltern zusammen zurücklegen. Ich war schon froh, dass sie nicht darauf bestanden haben, mich für den Heimweg einzusammeln. Andererseits ist es gut, dass sie nicht mehr Auto fahren. Nach der Menge an Kinderpunsch, die sie getrunken haben, sind sie beide nicht mehr so ganz nüchtern.
Als wir am Vorgarten der Villa der von Sterrenbergs vorbeikommen, in dem ein knallrotes Rentier mitsamt Schlitten steht, beginnt mein Vater zu singen. Rudolph, the red-nosed reindeer, Lalala la lala. Er tänzelt dabei über die Straße, mit einer Schrittfolge, die wie eine Mischung aus Walzer und Stepptanz aussieht, würde ich sagen. Meine Mutter kichert. Und ich würde am liebsten im Boden versinken.
„Echt süß, deine Eltern“, sagt Karim und streckt seine behandschuhten Daumen nach oben.
Wir drehen uns beide gleichzeitig um, als wir ein Motorgeräusch hören. Ein Sprinter biegt um die Ecke. Ich erkenne noch, dass der Oberst hinter dem Steuer sitzt. Nanu, seit wann fährt er einen Sprinter?
„Vorsicht, Herr Branner!“, schreit Karim. Da wird auch mir klar, dass mein Vater mit großen Walzerschritten vor den Sprinter taumelt. Meine Mutter kreischt und rennt mit ausgestreckten Armen auf meinen Vater zu, wahrscheinlich um ihn zur Seite zu stoßen. Oh Mist. Meine Eltern dürfen jetzt nicht überfahren werden, vier Tage vor Weihnachten.
Ich dachte immer, dass Bremsen bei einer Vollbremsung quietschen würden, aber alles, was ich höre, ist ein Plopp, als der Sprinter zum Stehen kommt.
„Eins-a-Landung“, ruft Karim und reckt schon wieder die Daumen nach oben.
Meine Eltern liegen auf der Straße. Meine Mutter hat meinen Vater zu Boden gerissen. Vollkommen unnötig, wie sich herausstellt, denn der Oberst hat wirklich ein prima Reaktionsvermögen. Vermutlich war er einer der wenigen Weihnachtsbasarbesucher, die tatsächlich nur Kinderpunsch in ihrer Tasse hatten. Allerdings scheint sein Kopf auf die doppelte Größe angeschwollen zu sein, während er Karim und mich durch die Windschutzscheibe anstarrt. Ich habe noch nie zuvor jemanden gesehen, der gleichzeitig blass ist und eine feuerrote Nase hat. Rudolph the red-nosed reindeer, denke ich und muss kichern. Der Oberst reißt die Sprintertür auf.
„Bist du betrunken?“, schreit er in meine Richtung. Aber dann wandert sein Blick von mir zu meinen Eltern, die sich inzwischen aufgerappelt haben.
„Ist Ihnen etwas passiert?“
„Mein Arm“, stöhnt meine Mutter.
„Mein Fuß“, jammert mein Vater und humpelt auf uns zu.
„Was war denn überhaupt los? Alles ging so schnell“, will der Rektor wissen.
„Jan“, stößt meine Mutter hervor. „Der Junge wäre Ihnen fast vor das Auto gelaufen.“
„So? Ich habe ihn gar nicht gesehen.“ Der Oberst kratzt sich die Glatze.
„Sie hätten ihn bestimmt überfahren“, sagt meine Mutter. „Mein Mann ist in letzter Sekunde auf die Straße gehechtet, um ihn wegzustoßen.“
„Ah, deshalb“, murmelt der Oberst und nickt.
„Und ich bin hinterher. Sicher ist sicher.“
„Du musst wirklich besser aufpassen, wenn du auf die Straße läufst“, sagt mein Vater zu mir.
„Aber …“
„Hast du Glühwein getrunken?“, unterbricht mich der Oberst.
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, springt meine Mutter mir bei. „Oder denken Sie, an Ihrer Schule …“ Sie lässt das Ende des Satzes offen. Kluger Schachzug.
Der Oberst schüttelt den Kopf.
„Natürlich nicht.“ Er streckt die Hand aus und wuschelt mir durch die Haare. „Einen richtigen Hans-Guck-in-die-Luft haben Sie da.“
„Jan-Guck-in-die-Luft“, sagt Karim und lacht. Auch du mein Freund, Karim. Mieser Verräter.
„Na, ist ja noch mal alles gutgegangen“,