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damit er nicht ganz mit leeren Händen nach Hause kehrte. Einst brachte er mit seinem Schulfreund, dem später als Maler in Dresden lebenden Otto Griebel (1895–1972), Nahrungsmittel für die 1903/04 streikenden Textilarbeiter nach Crimmitschau. Nahe der Gaststätte Feldschlößchen ertappte sie ein Gendarm und zertrat mit seinen Stiefeln die Nahrungsmittel vor ihren Augen. Einen besseren Geschichtsunterricht über soziales Verhalten konnte es für den kleinen Erich Knauf nicht geben. Otto Griebel hat diese Episode in seinem Erinnerungsbuch „Ich war ein Mann der Straße“ festgehalten.4

      1908 geht Heinrich Knauf mit seiner Familie im Auftrag der SPD nach Straßburg. Doch er konnte sich dort nicht behaupten und zog noch im selben Jahr nach Gera, wo ihn seine Partei dringender benötigte. Aber die kurze Zeit in Straßburg und der Eindruck des Münsters brachte den kleinen Erich Knauf so weit, die Eltern und seine Geschwister mit dem Bekenntnis zu überraschen, er möchte Schriftsteller werden. Darauf erntete er nur Gelächter. Vorerst erlernte er den Beruf eines Schriftsetzers. In Gera beeinflusste ihn die Bekanntschaft mit dem späteren Reiseschriftsteller Edgar Hahnewald (1884–1961). Der war elf Jahre älter als Knauf. Er befasste sich damals schon mit dem Schreiben von Manuskripten, die in den 1920er Jahren zu Veröffentlichungen von Heimatschilderungen ohne Heimattümelei führten. Er hatte linke Anschauungen, die ihn nach dem Machtantritt der Nazis zur Emigration zwangen. In seinem Schaffen war er vom Aufklärer Seume inspiriert. Sein Einfluss war entscheidend für Knaufs schriftstellerische Ziele. Und wahrscheinlich lernte Knauf durch Hahnewald Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ (1803) kennen und wurde neugierig auf diese Region. 1914 geht er mit Freunden auf Wanderschaft nach Italien und kehrt über Griechenland und die Türkei wieder nach Hause zurück. Unterwegs wird er vom Beginn des Ersten Weltkrieges überrascht und kurz danach zum Kriegsdienst eingezogen. Sein Weg führte bald in ein Strafbataillon. Einen Befehl beim Exerzieren zum Sturmangriff hatte er in der Manier des braven Soldaten Schwejk so ernst genommen, dass er bis ins nächste Dorf rannte. Seine Vorgesetzten aber hatten keinen Sinn für solche Späße.

      Nach dem Ende des Krieges besuchte Knauf die Volkshochschule Schloß Tinz der SPD bei Gera. Der Einfluss seines Vaters und Edgar Hahnewalds sowie die Kriegserlebnisse bestimmten diesen Weg. Während des Studiums wird er erneut durch ein politisches Ereignis überrascht: den Kapp-Putsch. Er wird Stoßtruppführer und ist so maßgebend an der Zerschlagung des Kapp-Putsches beteiligt. Seine Enttäuschung über den Umgang mit dem Putschversuch, besonders über die indifferente Haltung der SPD, führt ihn zur linken Abspaltung dieser Partei, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Von 1920 bis 1922 übernimmt er die Leitung des Presseamtes der Thüringischen Landesregierung. Er arbeitet nebenbei für die Thüringer Presse und schreibt Theaterrezensionen.

      Seine Kritiken waren bei Regisseuren und Schauspielern geachtet und gleichzeitig gefürchtet. Wenn sie ihn im Parkett des Theaters sitzen sahen, flüsterten sie sich zu: „Er ist da!“ Von Kind an, auch durch eigene Erlebnisse gegen soziale Ungerechtigkeiten erzogen, blinzelte Knauf bei seinen Beurteilungen nicht, eine Eigenschaft, die ihm später zum Verhängnis werden sollte. Auch äußerlich muss er auf die Spießer wie ein Haudegen gewirkt haben. Er trug Ledergamaschen, Lederjacke und offene Hemdkragen.

      1922 zieht Knauf ins vogtländische Plauen und wird verantwortlicher Feuilletonredakteur der sozialdemokratischen Volkszeitung für das Vogtland. Sechs Jahre wird er dort bleiben, die Spießer durch scharfe, klug erkennende Beobachtung seiner Umwelt erschrecken und die Kunstsinnigen erfreuen. Es sind ästhetisch anspruchsvolle Artikel, wie sie in solchen Regionalzeitungen nicht häufig vorkommen. Während seiner Tätigkeit lernt er den aus Untergettengrün bei Plauen stammenden Karikaturisten Erich Ohser (1903–1944) kennen. Er verhilft ihm zur Veröffentlichung seiner satirischen Zeichnungen in der Plauener Volkszeitung. Und da Ohser mit Erich Kästner befreundet ist, einige Bücher von ihm illustrierte, druckt er auch Kästners neue Gedichte, rezensiert seine Arbeiten. Die drei Erichs – Knauf, Ohser und Kästner – kommen einander näher. Ohser wird später unter dem Druck der Nazis seinen Namen in das Pseudonym „e. o. plauen“ ändern müssen. Er wird bekannt werden durch seine Bildserie „Vater und Sohn“, die seine politischen Karikaturen in den Hintergrund drängt. Aber ohne den politisch zeichnenden Ohser entsteht nur ein lückenhaftes Bild über ihn.

      1928 wird für Erich Knauf wohl das entscheidende Jahr in seiner Entwicklung zum Schriftsteller. Er erhält ein Angebot als Schriftleiter der Büchergilde Gutenberg in Berlin. Seine Frau, die er unter ihrem Mädchennamen Gertrud Meyer während seiner Plauener Zeit geheiratet hatte, geht nicht mit ihm. Sie kann sich offenbar nicht aus der Enge Plauens befreien. Ein Auseinanderleben ist schon vorprogrammiert. Die Kunstszene stöhnt auf ob Knaufs Weggang, während die Spießer fröhlich ihre Befreiung von Knauf feiern.

      In der Büchergilde kann Knauf endlich seine sozialen Grundhaltungen und seine literarischen Kenntnisse frei entfalten und verwirklichen. Ihm gelingt es, die Weltliteratur Deutschlands, Amerikas, Frankreichs, Spaniens und Russlands in die Büchergilde zu holen und sie für die einfachen Leute preiswert zu machen. Er wird so zu einem Wegbereiter, und die Bedeutung der Büchergilde wächst nicht zuletzt auch durch Illustratoren und bildende Künstler, die sich dort durch Knauf verwirklichen können. Dr. Jürgen Dragowski hat in seinem fundierten Buch „Die Geschichte der Büchergilde Gutenberg in der Weimarer Republik 1924–1933“ (1992) detailliert und sachkundig über das Wirken Knaufs in der Büchergilde geschrieben:

      „Knauf nahm die Herausforderung an und stellte sein Programm auf dem sechsten Vertretertag des Bildungsverbandes im September 1928 in Berlin den dort versammelten Delegierten vor. ‚In einem geistigen Höhenflug‘ entwickelte er in seinem großes Aufsehen erregenden Vortrag ‚ein literarisches Zukunftsprogramm der Büchergilde, das die begeisterte Zustimmung des Vertretertages auslöste.‘ Seine Vorstellungen zielten darauf ab, den eher schöngeistigen Rahmen der bisherigen Gildenproduktionen zu durchbrechen. Knauf wollte zeitgenössische sozialkritische Werke ins Programm aufnehmen. Diese sollten sich an den klassenkämpferischen Auseinandersetzungen der Gegenwart orientieren.“5

      Knaufs Tätigkeit als Schriftleiter bringt für ihn auch noch einen ganz persönlichen Vorteil. Er kann seine Bücher, welche in den nächsten Jahren entstehen, selber veröffentlichen. Es sind „Empörung und Gestaltung. Künstlerprofile von Daumier bis Kollwitz“ (1928), „Ca irà! Reportageroman über den Kapp-Putsch“ (1930) und „Daumier“ (1931). Außerdem gibt er Bücher heraus: “Welt werde froh“ (1929) über Kurt Eisner mit einem beachtlichen Nachwort seines Vaters Heinrich Knauf, „Das blaue Auge. Humor, Satire, Tragikomisches und andere Rosinen der Weltliteratur“ (1930) und „Mutter. Ein Buch der Liebe und des Dankes“ (1933). Posthum erschien ein Band mit Gedichten im Paul Zech Verlag: „Das Traumboot“ (1949) mit Illustrationen von Albert Schäfer-Ast.

      Um sich nicht nur Knaufs Sachkenntnis über die Weltliteratur, sondern auch über die bildende Kunst vor Augen zu führen, sei hier der Ausschnitt aus einem Artikel Knaufs über Frans Masereel (1889–1972) gegeben, den durch die Zeit leider weitgehend in Vergessenheit geratenen belgischen Holzschnitter. Masereels Holzschnitte regten Knauf zu folgender bildhafter Betrachtung an:

      „Die Malerei war im fünfzehnten Jahrhundert die Mätresse des weltlichen und des geistlichen Adels geworden. Die Zeichnung verwelkte in den Raritätenschreinen wohlhabender Sammler. Die Besitzlosen waren auch an Kunst besitzlos. Armut und Aussperrung wurden hier zum Gewinn: der Holzschnitt entstand. Kunst, die mitten im Volk lebt, erfüllt ihre Existenzberechtigung: Ausdruck der Zeit zu sein. Schrei der Zeit zu sein. Nicht nur das Echo dieses Schreies. Entweder ein Künstler hat Hunderten etwas zu sagen, oder er hat nichts zu sagen. Sich den Hunderten mitzuteilen, das ist der Anstoß des Holzschnitts.“6

      Wer so das Volk in die Kunst einbezogen sehen wollte, der musste 1933, als die Nazis alle Geschäftshäuser und somit auch das der Büchergilde besetzten, zum Scheitern verurteilt sein. Literatur und Kunst aus Amerika, Frankreich, Belgien und Russland in die Büchergilde und ihre Zeitschrift zu bringen, das hieß ja nun, den Feind ins deutsche Land zu holen. Den künftigen Volksgenossen mussten stattdessen die völkischen Künstler und Schriftsteller ins Hirn gemeißelt werden. Erich Kästners Bücher und die vieler anderer hervorragender Schriftsteller wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

      So heißt es dann in der 8. Sitzung der Büchergilde

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