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und dabei vornehmlich entlang des südöstlich von Bangkok gelegenen Eastern Seaboard erbracht.

      Dieser einseitige Fokus wird sich künftig weiter zuspitzen. Denn Thailand steht aktuell vor der Herausforderung, den Sprung auf die nächsten Wertschöpfungsstufen zu vollziehen und den Großkomplex Digitalisierung in Angriff zu nehmen. Dafür hat die Regierung diverse Reformprogramme lanciert und einen umfangreichen Ausbau der Infrastruktur auf den Weg gebracht. Das Kernprojekt ist die Errichtung eines »Östlichen Wirtschaftskorridors« im Eastern Seaboard. Dort sollen in den Provinzen Chon Buri, Rayong und Chachoengsao mit Milliarden-Investitionen »Intelligente Städte« und Produktionsstätten für Zukunftstechnologien entstehen.

      Sehr leistungsstark ist weiter der Agrarsektor. Ein prominentes Beispiel ist der Agrar- und Lebensmittelkonzern Charoen Pokphand Foods (CPF), der mit dem unbescheidenen Slogan »Kitchen of the World« wirbt. Die Firma ist einer der weltweit größten Hersteller von Futtermitteln und führt eine gigantische Hühner-, Garnelen- und Schweinewirtschaft. Darüber hinaus versucht CPF den Thais die Vorzüge von Fertiggerichten nahezubringen und führt als Franchisenehmer die im Land sehr populäre Kentucky-Fried-Chicken-Kette mit – Stand Dezember 2018 – inzwischen 700 Filialen.

      Eine enorm wichtige Devisenquelle ist ferner der Tourismus. Er steht für rund 10 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes und verzeichnete in den letzten Jahren in Serie neue Besucherrekorde. Das galt auch für 2018, als 38,3 Millionen Personen das Königreich besuchten. Da in Zukunft v. a. noch mehr Chinesen und auch Inder andere Länder erkunden werden, dürfte sich der Stellenwert der thailändischen Ferienindustrie weiter erhöhen. Für 2030 ist die Zahl von dann sage und schreibe 60 Millionen Besuchern im Umlauf. Um den Andrang auffangen zu können, wird auch der südlich von Pattaya gelegene Flughafen U-Tapao ausgebaut.

      6

       IMMER SCHÖN RESERVIERT

      Es ist ein herrlicher sonnenüberfluteter Dienstagmorgen. Nach heftigen nächtlichen Regengüssen ist die Luft fast so klar und frisch wie in einem Kurort in den Bergen. Susanne trifft ihre Nachbarin Patchari mit deren dreijähriger Tochter Oraya auf dem Arm im kleinen Vorgarten des Apartmentkomplexes, wo die beiden Bienen bei der Arbeit an einem üppigen rot-violetten Bougainvillea-Strauch beobachten. Zwischen den Büschen lauert geduckt eine schwarz-weiße Katze mit blitzenden Augen und angelegten Ohren. Ameisenkarawanen verrichten ihr mühsames Tagwerk. Nach einer aus einem freundlichen Zunicken bestehenden Begrüßung zwischen den Frauen beginnt Susanne damit, mit der goldig-süßen Oraya ein Gespräch auf Deutsch führen, auf das die Angesprochene mit rhythmischem Händeschlagen und vergnügten Quietschlauten reagiert.

      »Very na rak (Sehr niedlich)«, bestätigt Susanne.

      Patchari leuchtet vor Mutterstolz. »Einige Nachbarinnen und ich treffen uns immer Donnerstagnachmittag bei mir zu Hause. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie auch vorbeikommen.«

      »Ja, gern. Wann soll ich denn da sein? Und kann ich etwas mitbringen?«, erkundigt sich Susanne pflichtbewusst.

      »Nein, nein. Vielen Dank, das ist nicht nötig«. Patchari schüttelt den Kopf. »15:30 Uhr wäre prima.«

      »Tòk long (Einverstanden).«

      Wenig später in der Wohnung berichtet Susanne ihrem Angetrauten angetan von ihrer Einladung: »Sie ist richtig nett. Ich muss ihr auf jeden Fall etwas mitbringen. Was meinst du, passt bei einer solchen Einladung?«

      »Na, was Frauen allgemein so brauchen: Zeitschriften und Schokolade«, antwortet Martin und blättert in Unterlagen seiner Firma.

      »Du bist wieder einmal eine Riesenhilfe.«

      In einem unerwarteten Anflug von Ernsthaftigkeit korrigiert Martin seinen Ratschlag: »Das ist schwer zu sagen. Firmengeschenke sind ja etwas anderes. Vielleicht kaufst du was für euer Nachmittagstreffen? Kuchen?«

      »Nein, das ist mir zu unpersönlich. Ich möchte, dass sie sich wirklich freut. Und außerdem will ich doch bei den anderen einen guten Eindruck hinterlassen.«

      Nach einem zweieinhalbstündigen Shoppingmarathon wird Susanne schließlich fündig: Ein edler rosafarbener Schal aus Thai-Seide soll es sein. Und weil er ihr so gut gefällt, kauft Susanne noch einen weiteren Schal in Lila für sich selbst.

      Donnerstagnachmittag. Susanne klingelt an Patcharis Tür.

      »Sawadee kha.« Patchari öffnet freudestrahlend die Wohnungstür. »Kommen Sie herein!«

      Im Hintergrund hört Susanne bereits ein Stimmenwirrwarr und fröhliches Lachen. Sie streift sich ihre Schuhe von den Füßen und lässt sie am Eingang stehen, denn dort sind schon mindestens weitere fünf Paar Frauenschuhe deponiert. Manche Leute sind ja etwas empfindlich, was Straßenschuhe in den eigenen vier Wänden anbelangt, da geht sie lieber auf Nummer sicher. Susanne betritt die Wohnung und überreicht geradewegs ihr Geschenk mit beiden Händen. »Ein kleines Dankeschön für Ihre nette Einladung.«

      »Oh, was für eine schöne Überraschung. Kop khun kha (Danke).« Patchari nimmt das aufwändig verpackte Geschenk lächelnd in Empfang und legt es eher achtlos auf einem Holztischchen ab.

      Susanne steht etwas hüftsteif da und schaut ihre Gastgeberin erwartungsvoll an.

      »Folgen Sie mir ins Wohnzimmer!«

      Susanne jedoch bleibt unschlüssig in der Eingangstür stehen und kann nicht umhin, immer wieder demonstrativ auf ihr Geschenk zu schauen. Sie ist doch so gespannt, wie Patchari der Schal gefällt.

      Aber Patchari zeigt erneut in Richtung Wohnzimmer. »Die ersten Gäste sind auch schon da. Kommen Sie bitte!«

      Susanne wirft einen letzten wehmütigen Blick auf ihr Geschenk. Wie undankbar, denkt sie, bis sie von Patchari sanft am Unterarm gefasst und in Richtung Wohnzimmer gelotst wird.

       Was ist da schiefgelaufen?

      Was hier gerade geschehen ist, lässt sich als ein typischer Fall von kulturbedingt auseinanderlaufenden Erwartungen verstehen. Während sich Susanne eine unmittelbare emotionale Reaktion erhofft hat, ging es Patchari darum, die Situation nicht durch das Zeigen überbordender Gefühle zu überladen. Bei solchen Konstellationen kann es leicht zu irreführenden Interpretationen kommen. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat sich Patchari allein darüber, dass Susanne an sie gedacht und ihr eine Aufmerksamkeit mitgebracht hat, mächtig gefreut.

      Allerdings werden Geschenke in Thailand nicht wie im Westen üblich mit einer mehr oder weniger echten Begeisterung entgegengenommen, sondern ungeöffnet beiseitegelegt. Damit wird zwar die (ziemlich kuriose) westliche Konvention, dass auch der Schenkende direkt etwas von seiner Gabe haben soll, nämlich die klar vernehmliche Dankbarkeit des Beschenkten und ein Teilhaben an dessen neuer Besitzerfreude, verletzt. Dieses Vorgehen entbindet den Geschenkempfänger jedoch davon, dem Schenkenden womöglich eine unauthentische Zufriedenheit signalisieren zu müssen. Damit umgeht man elegant potenziell peinliche Situationen, bei denen sich – man kennt es von den alljährlichen Weihnachtsprozeduren – gut gemeinte Absichten öffentlich als unvorteilhafte Fehlannahmen über die Wünsche und Bedürfnisse des zu Beschenkenden entpuppen können. Hieran können die extrem harmoniebedürftigen Thais keinerlei Interesse haben. Also hebt man sich den Moment der Geschenköffnung für einen späteren Zeitpunkt auf. Dann kann man sich ungestört über eine gelungene Zuwendung freuen oder ein Präsent, das in erster Linie die persönlichen Vorlieben des Schenkenden offenbart, achselzuckend zur Kenntnis nehmen und gegebenenfalls entsprechend entsorgen.

      Hinzu kommt, dass die Thais als große Liebhaber einer verspielten und etwas plakativen Ästhetik es als einen mittelgroßen Frevel betrachten würden, ein hübsch eingepacktes und mit Schleifchen versehenes Geschenk durch sofortiges Aufreißen unwiederbringlich zu verunstalten.

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