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und Mareike beschließt, die Umgebung zu erkunden, denn sie hat noch keine Ahnung, wo sie hier gelandet ist. Sie streift sich ihr blaues Sommerkleid über, denn obwohl die Küchenuhr erst 5:30 Uhr anzeigt, ist es schon unglaublich heiß und schwül.

      Mareike hat keine Ahnung, in welche Richtung sie gehen soll, dreht sich dann aber nach links. Irgendwann wird sie schon an eine Hauptstraße kommen.

      Spazierengehen hilft ihr immer, um das Gefühl zu bekommen, zu Hause zu sein und dazuzugehören. In den Straßen herrscht Totenstille. Nur ein Zeitungsjunge ist schon unterwegs und beäugt sie neugierig. Nach einer halben Stunde hat Mareike immer noch kein einziges Geschäft entdeckt. Sie erwartet ja nicht, dass um diese Uhrzeit schon Läden geöffnet sind, aber es interessiert sie einfach, wo sich das Leben in Montréal abspielt. Einen Block nach dem anderen mit den immer gleichen Häusern läuft sie ab. Wenigstens kann sie die Orientierung nicht verlieren, weil die Straßen in diesem Viertel glücklicherweise schachbrettartig angeordnet sind (dies ist nicht in allen Vierteln der Fall). Als sie aus einem der Häuser eine Frau mit einem kleinen Hund kommen sieht, atmet Mareike erleichtert auf.

      »Excusez-moi« – Entschuldigen Sie, sagt sie, »wo sind denn hier die nächsten Geschäfte?«

      »Geschäfte? Meinen Sie eine Tankstelle?«

      »Nein, eine Hauptstraße oder das Zentrum.«

      »Na, das Zentrum ist eine halbe Stunde mit dem Auto die Métropolitaine, die Autobahn an der Nordküste des Sankt-Lorenz-Stroms, runter. Das nächste Einkaufszentrum sind die Galéries d’Anjou im Osten der Stadt. Aber was suchen Sie denn überhaupt auf der Straße zu dieser Uhrzeit? Und so ganz alleine? Ich habe Sie hier noch nie gesehen.«

      Die Dame scheint ihr Viertel ganz genau im Blick zu haben und mustert Mareike von oben bis unten neugierig, aber mit wachem Blick. Mareike erklärt, dass sie Touristin sei, woraufhin die Frau spontan anbietet, ihr am Wochenende einmal die Gegend zu zeigen. Mareike freut sich über das herzliche Angebot und macht sich auf den Rückweg. Die interessantesten Seiten von Montréal hat sie noch nicht entdecken können, aber die Menschen kommen ihr wahnsinnig hilfsbereit vor!

      Gerade als sie an Maudes Auffahrt angekommen ist, sieht sie einen Streifenwagen die Straße herunterfahren. Auf ihrer Höhe wird er plötzlich langsamer. Mareike holt schnell ihren Schlüssel raus und verschwindet im Haus. Erst jetzt wird der Wagen wieder schneller und biegt an der nächsten Kreuzung rechts ab. Mareike wird es beim Anblick von Polizei immer etwas unbehaglich, auch wenn es gar keinen Grund dafür gibt. Hatte der etwa sie im Blick?

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Dummerweise hat sich Mareike, ohne es zu wissen, ein Zimmer in einem sehr abgelegenen Stadtteil gesucht. Die banlieues oder suburbs, die Vororte nordamerikanischer Großstädte, sind für Europäer oft etwas gewöhnungsbedürftig. Zumal wenn man mitten aus einer Großstadt kommt wie Mareike. In der Regel handelt es sich dabei um reine Wohngebiete ohne Geschäfte, Industrie oder Dienstleistungsunternehmen. Zudem wird Wert auf die Einheitlichkeit der Straßenzüge gelegt, was aber auch von der jeweiligen Wohngegend und dem Einkommensniveau abhängt. Gerade in wohlhabenden Gegenden ist das äußere Erscheinungsbild besonders wichtig und der gepflegte Vorgarten ohne Unkraut ein Statusobjekt. Viele Häuser sehen sich so ähnlich, weil meist riesige Gebiete von einzelnen großen Bauunternehmen erschlossen werden, die in einem Aufwasch viele Dutzend Fertighäuser aufstellen. Das drückt die Kaufpreise, trägt aber nicht unbedingt zur Individualität des Wohnens bei.

      Bei ihrem frühmorgendlichen Spaziergang wurde Mareike so neugierig beäugt, weil in diesen Gegenden kaum jemand längere Strecken zu Fuß zurücklegt, es sei denn aus sportlichen Gründen, also joggend. Mit 16 Jahren darf man in fast allen Provinzen Kanadas den Führerschein machen; Familien haben im Schnitt zwei Autos.

      In vielen nordamerikanischen Städten gibt es private Zusammenschlüsse zur neighbourhood watch. Nachbarn tun sich zusammen, um ein Auge auf ihr Viertel zu haben und merkwürdige Vorkommnisse zu melden. Das könnte hier auch passiert sein: Vielleicht haben sich die Polizisten gewundert, wer zu so früher Stunde zu Fuß durch das Wohnviertel spaziert.

       Was können Sie besser machen?

      Wenn man sich ein Zimmer über das Internet sucht, sollte man sich ganz genau auf dem Stadtplan anschauen, wo es liegt. Wenn man sich nicht auskennt, ist die Gefahr groß, in einem Vorort zu landen, da die Stadtflächen sehr weitläufig sind. Ist man nur für eine begrenzte Zeit in einer Großstadt, wird eine Bleibe im Stadtzentrum sicher die beste Wahl sein.

      Man kann durchaus auch im Vorort Spaziergänge unternehmen. So früh morgens mag das manche misstrauisch machen, aber es ist natürlich vollkommen legal und man wird auch nicht gleich von der nächsten Polizeistreife angehalten. Dass man neugierige Blicke erntet, kann passieren, sollte einen aber nicht nervös machen. Zumal Montréal in den letzten Jahren immer mehr zur Fahrradstadt wird.

      4

       WIE MAN SICH AUCH OHNE AUTO FORTBEWEGEN KANN

       NORDAMERIKAS FAHRRADSTADT UND UNHÖFLICHE BUSFAHRER

      Zurück im Haus der Vermieterin ist Maude inzwischen aufgestanden und steht in ihrem Bademantel in der Küche, einen dampfenden Kaffee in den Händen. Erstaunt lächelt sie Mareike an, als diese zur Tür hereinkommt.

      »Wo kommst du denn her? Und zu dieser Uhrzeit?«

      »Ich wollte mir ein wenig die Gegend anschauen. Aber ich hab das Zentrum irgendwie nicht gefunden. Könnte ich mir vielleicht dein Fahrrad leihen, um in die Stadt zu fahren?«

      Maude schüttelt verwirrt den Kopf und weiß nicht recht, damit etwas anzufangen.

      »Fahrrad? Ich habe kein Fahrrad.«

      »Aber wie komme ich denn dann in die Stadt?«

      »Na, mit dem Auto.«

      »Aber ich hab doch kein Auto. Fährt denn hier kein Bus?«

      »Du, das weiß ich gar nicht so genau. Ich glaube, dass am Ende der Straße eine Bushaltestelle ist, aber ich habe keine Ahnung, wann die Busse fahren. Das centre-ville, das Stadtzentrum, ist eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt. Heute Nachmittag fahre ich in die Stadt. Wenn du magst, kann ich dich dann mitnehmen.«

      Aber Mareike mag nicht mehr warten, sie will endlich etwas von der richtigen Stadt sehen. Eine Stunde später steht sie an der Bushaltestelle. Leider ist weit und breit kein Fahrplan zu sehen und außer ihr wartet auch sonst niemand auf den Bus. Geschlagene 15 Minuten steht sie in der prallen Sonne.

      Als der Bus endlich um die Ecke biegt und vor ihr hält, steigt sie ein und will eine Fahrkarte kaufen. 3 Dollar soll die Fahrt kosten. Mareike hält dem Fahrer ihren 20-Dollar-Schein hin, dieser schüttelt jedoch nur den Kopf und sagt etwas, wovon sie nur den letzten Satz versteht: »Tut mir leid, aber ich kann Sie nicht mitnehmen.«

      Mareike bleibt verwundert auf dem Bürgersteig stehen, während der Bus die Türen schließt und davonfährt. Sie lacht laut auf und amüsiert sich über sich selbst: Nicht mal Bus fahren schafft sie in ihrer neuen Umgebung!

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Die öffentliche Verkehrsanbindung der Vororte an das Stadtzentrum ist meistens sehr schlecht, einfach weil kaum jemand darauf angewiesen ist. Die meisten Menschen haben ein Auto.

       GRENZENLOSES AUTOFAHREN

      Der deutsche, österreichische und schweizerische Führerschein wird von allen kanadischen Provinzen anerkannt. Bei touristischen Aufenthalten kann damit bis zu einer Dauer von drei Monaten gefahren werden, in den Provinzen British Columbia und Québec sogar bis zu sechs Monaten.

      Kanadische

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