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ist auch in Norwegen nicht erlaubt und wird mit einem Strafmandat von bis zu 720 Euro geahndet, obwohl es hier immer wieder passiert, dass Autos von rechts vorbeiziehen. Strafzettel wegen Falschparkens kosten je nach Delikt ab 65 Euro.

      6

       WARUM MAN IMMER ÜBER DEN ZUSTAND SEINER SOCKEN BESCHEID WISSEN SOLLTE

       RICHTIGES VERHALTEN BEIEINLADUNGEN

       Kilometer 310

      Stefan hat es sich mit einer Biografie über Edvard Munch auf der Terrasse gemütlich gemacht, als Cecilie zu ihm nach draußen tritt. Jorunn und ihr Mann Ole, alte Bekannte der Sundnes’, haben zum Essen eingeladen und meinten, sie sollen ihren deutschen Gast mit dem drolligen Namen doch einfach mitbringen. »Hast du Lust auf ein norwegisches Fest?«

      Klar hat er das – und da die Sundnes sich gerade auf den Weg zu einem Fußballturnier von Sundnes Junior machen, will man sich dann später direkt vor Ort treffen.

      Die Familie ist gerade aus dem Haus, da fällt Stefan siedend heiß ein, dass er gar nicht nachgefragt hat, was er eigentlich mitbringen, geschweige denn, was er anziehen soll. Er überlegt nicht lange. Eine private Essenseinladung kann nur casual sein, also sollten Jeans und Poloshirt vollkommen ausreichen. Für die Frau des Hauses wird er irgendwo Blumen auftreiben, in seinem Gepäck hat er noch eine Schachtel Mon Chéri, die er eigentlich Cecilie schenken wollte. Egal, die müssen jetzt als Mitbringsel für die Gastgeber herhalten.

      Im Hinterkopf hat er glücklicherweise noch Cecilies eindringliche Bitte gespeichert: »Du weißt nicht, was passiert, wenn man dich mit Alkohol am Steuer erwischt. Und du willst es auch nicht wissen.« Er lässt das Auto also stehen und will sich mit der T-bane und dem Bus bis zum Ort der Festlichkeit Richtung Nordstrand durchschlagen.

      Er hat sich entschlossen, nicht allzu pünktlich zu kommen, und als er um halb acht endlich vor der Tür steht, ist das Fest gerade dabei, sich warmzulaufen. Jorunn öffnet ihm auf sein Klingeln hin die Tür.

      »Hei. Du er vel Stefan. Hyggelig at du kom. Jeg heter Jorunn. Bare kom inn.« (»Hallo, du bist sicher Stefan. Schön, dass du gekommen bist. Ich heiße Jorunn. Komm nur herein.«)

      »Hei, hallo. Takk. Hyggelig. My Norwegian is not so good. Thank you for the invitation.« (»Hallo. Danke, sehr nett. Mein Norwegisch ist nicht so gut. Ich danke dir für die Einladung.«)

      Am Eingang muss er erst einmal über ein Meer von Schuhen steigen. Können die nicht aufräumen, wenn sie Besuch erwarten? Er folgt Jorunn ins Wohnzimmer und wird reihum den anderen Gästen vorgestellt. Neben den Sundnes und den Halvorsens (also Jorunn und Ola) sowie insgesamt vier Kindern sind noch zwei Frauen im Wohnzimmer, die ohne Begleitung zu sein scheinen, nämlich Hanne und Solveig. Alle sind schön zurechtgemacht. Die Damen sind herausgeputzt mit Spitze, Pailletten, Glitzer und Federn. Die Männer tragen dunkle Anzüge. Gibt’s einen Anlass? Keiner der fein gekleideten Herrschaften hat Schuhe an, was ein bisschen albern aussieht.

      »Drikken kan settes på bordet der borte«, sagt Jorunn und deutet auf einen Tisch, der sich vor Wein-, Bier- und Sektflaschen nur so biegt. »Getränke können da drüben abgestellt werden.«

      »No drinks. I have flowers for you and sweets.« (»Keine Getränke, ich habe euch Blumen und Süßigkeiten mitgebracht.«)

      Jorunn lächelt höflich, als er ihr die Blumen überreicht. Die Pralinen gibt sie gleich an die Kinder weiter. Ja aber, da ist … Zu spät, schon sind die Knirpse damit hinaus in den Garten geflitzt. Stefan zuckt mit den Schultern und wendet sich wieder der Gruppe von Gästen zu, die sich mittlerweile um weitere Freunde und Bekannte erweitert hat.

      Da die anderen schon einen kleinen Trinkvorsprung haben und bereits in heiterer Stimmung sind, kann es Stefan, als auch er endlich ein Glas Sekt in der Hand hält, kaum erwarten, mit den Umherstehenden anzustoßen. Diese lächeln zwar ein bisschen schief, heben schließlich aber doch ihr Glas zu einem herzlichen Skål! Kaum angestoßen merkt Stefan seinen knurrenden Magen und schielt mit einem Bärenhunger Richtung Esstisch, der zwar gedeckt, aber ansonsten noch recht verlassen dasteht.

      Ole, der Herr des Hauses, hat eine merkwürdig verformte Oberlippe, und erst, als er etwas zu Stefan sagt und dabei verräterisch einen braunen Saft durch die Zähne zieht, vermutet Stefan, dass er vielleicht an Kautabak lutscht. Das Kauen von snus (Kautabak) ist eigentlich ein schwedischer Brauch, der aber auch unter den Norwegern sehr verbreitet ist. Er kommt auf Stefan zu und interpretiert dessen interessierten Blick zum Tisch etwas anders.

      » You like the house? Gefällt dir das Haus? Har du lyst på en omvisning? Hast du Lust auf eine Besichtigung?«

      Ehe sich Stefan versieht, befindet er sich mitten in einer Hausbesichtigung, zu der sich noch zwei weitere Gäste gesellen. Von der Abstellkammer bis zum Elternschlafzimmer wird alles begutachtet und über Fußbodenheizung, Fliesen und Panoramablick gefachsimpelt.

      »Das war bestimmt teuer. Very expensive, wasn’t it?«, fragt Stefan.

      Ole wiegelt ab und weicht aus. »Å nei, det var et kupp. Vi var heldige.« (»Oh nein. Es war ein Schnäppchen. Wir hatten Glück.«)

      Erst als auch der letzte Winkel des Hauses den bewundernden Blicken der Besucher freigegeben wurde, gibt es etwas zu Essen. Die Erwachsenen nehmen Platz am Tisch, und die Gastgeberin trägt Schüsseln mit exotischen Gerichten auf, zu denen Stefan beim Rundgang die dazugehörigen Packungen der Marke Toro im Küchenmülleimer entdeckt zu haben meint.

      Die Kinder bekommen Würstchen, die in eine Art Pfannkuchen (lomper) gewickelt sind, in die Hand gedrückt und nehmen sonst nicht an der Gesellschaft der Erwachsenen teil. Im Übrigen findet er die Kinder ein bisschen merkwürdig, vor allem deren fehlenden Respekt vor den Erwachsenen. Irgendwann machen die Kurzen sogar den Fernseher an und sehen sich mitten in der Festgesellschaft eine Kindersendung in Open-Air-Lautstärke an. Ole meint dazu nur achselzuckend: »De er barn. Det må de jo få lov til.« (»Das sind Kinder. Die müssen das doch dürfen.«) Daran, dass später zwei von ihnen so schlecht wird, dass die Gästetoilette im Parterre kurze Zeit danach verdächtig nach Kirschwasser riecht, fühlt sich Stefan allerdings dann doch nicht ganz unschuldig …

      Je weiter der Abend voranschreitet, desto ausgelassener, ja fast schon zügelloser wird die Gesellschaft. Die Unterhaltung dreht sich um Autos, um die letzte Skitour und den geplanten Sommerurlaub im Süden.

      »You guys have a very strict alcohol policy, haven’t you«, beginnt Stefan ein Gespräch mit – seiner Meinung nach – mehr Substanz. »Ihr habt hier eine sehr strenge Alkoholpolitik, oder?«

      »Ha ha, das mag wohl stimmen, aber so ist es hier halt, skål!« – Ohne das Thema weiter zu vertiefen, setzt sich das Gelage unverändert fort.

      Alle trinken, außer Jorunn und Ole, die anscheinend nur Wasser zu sich nehmen – erst als die Kinder sich zum Schlafen nach oben verziehen, langen auch die Gastgeber richtig zu. Die beiden Singledamen Hanne und Solveig, die zu Beginn des Abends noch so schüchtern und zurückhaltend waren, rücken Stefan jetzt immer unverfrorener auf die Pelle. Der Gastgeber ist ständig bemüht, die Gläser seiner Gäste nachzufüllen, wobei er jedes Glas mit einem anderen Getränk einzuschenken scheint. Gegen 10 Uhr bietet dann Jorunn der beschwipsten Runde Kaffee an, und Ole reibt sich die Hände. »Om jeg kan tilby noen edle dråper? På tax-free butikken har jeg kjøpt en skikkelig god Cognac.« (»Kann ich ein edles Tröpfchen anbieten? Beim Tax Free habe ich einen wirklich guten Cognac gekauft.«) Sagt’s und schenkt jedem noch einen Cognac zum Kaffee aus.

      Die alkoholischen Getränke auf dem Beistelltisch gehen allmählich zur Neige, parallel dazu steigt der Rauschpegel bei den Gästen, die sich jetzt allerdings so langsam einer nach dem anderen verabschieden. Hanne und Solveig – beide nur einen Schritt

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