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Wenn Sie wollen. nennen Sie es Führung. Cyrus Achouri
Читать онлайн.Название Wenn Sie wollen. nennen Sie es Führung
Год выпуска 0
isbn 9783862009565
Автор произведения Cyrus Achouri
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия Dein Business
Издательство Bookwire
Schwache Korrespondenztheorie
Es gibt einige Gründe, die evolutionsbiologisch für eine schwache Korrespondenztheorie sprechen. Je weiter sich das Gehirn von Wirbeltieren entwickelt, desto unspezifischer sind die Areale in der Großhirnrinde; sie lassen sich nicht mehr eindeutigen Funktionen, wie etwa Sehen oder Hören, zuordnen. Dies ermöglicht Wirbeltieren ein flexibles Reagieren auf Umweltereignisse. Anders als Insekten oder Schnecken, die auf einen Reiz eher mit einem festgelegten Verhalten antworten, wird der Input bei höheren Tieren über viele Zwischenstationen hinweg bearbeitet und moduliert. Die jeweilige Reaktion kann dann sehr unterschiedlich ausfallen.
Überleben als entscheidendes Kriterium
Die ursprüngliche klassische Anpassungstheorie geht davon aus, dass sich die Reaktionen eines Organismus als Anpassung an seine Umwelt gebildet haben und demnach in ihrem Erfolg auch davon abhängen, wie gut diese Umwelt abgebildet und erkannt wird. Für die biologische Systemtheorie hingegen ist der Erfolg der jeweiligen Reaktion von der Anpassung an die Umwelt entkoppelt. Demnach ist das entscheidende Kriterium vor allem, ob ein Organismus überlebt oder nicht. Die inneren Gesetzmäßigkeiten eines lebenden Systems sind dabei nicht als unveränderlich zu sehen, sondern stehen in einem dynamischen Wechselwirkungs- und Entwicklungsprozess.
Selbst zur Entwicklung hochkomplexer Lebensformen scheint die Natur nur wenige Schlüsseldaten genetisch festzulegen; sie scheint es dem System selbst zu überlassen, die Antworten auf die Herausforderungen im Leben zu finden. (Vester 2002) Die inneren Gesetzmäßigkeiten geben dem Organismus seine Ausprägung und »Geschlossenheit«, während zugleich eine Öffnung zur Umwelt durch die Notwendigkeit des Stoffwechsels erhalten bleibt. Reine Isolation würde ein homöostatisches Gleichgewicht bedeuten, was für lebende Systeme nicht möglich ist. Dieses fiktive thermodynamische Gleichgewicht würde für lebende Systeme auch bedeuten, dass keine Information im System entstehen kann. (Eigen 1987) Stagnation und Gleichgewicht können nur temporär bestehen. Bestand auf Dauer hat nur der Prozess. Lebende Systeme ähneln eher einem Fluss als etwas Statischem. Das zeigt sich schon auf der Ebene der sich ständig regenerierenden Zellen: »Der Körper gibt den Erinnerungen nur ein Zuhause.« (Chopra 1990, 87)
Veränderung und Umfeld
Die Vertreter des traditionellen Darwinismus argumentieren gegenüber den modernen Selbstorganisationstheoremen der Evolutionsbiologie, dass die Repräsentationstheorie der Anpassung sich doch schon darin zeige, dass ein und derselbe Organismus sich je nach Umfeld, in dem er aufwächst, verändert. Halbiert man beispielsweise eine junge Löwenzahnpflanze längs und pflanzt eine Hälfte im Tiefland, die andere im Hochland an, bildet die Tieflandform längere Stängel und größere Blätter aus, während die Hochlandform kürzere Stängel, kleinere Blätter und tiefer reichende Pfahlwurzeln entwickelt. (Otto/Ondarza 2009) Dies ist aber kein wirklicher Einwand gegen die Selbstorganisationstheorie, da diese Veränderungen im Kontext von Umwelteinflüssen keineswegs ausschließt. Im Gegensatz zur traditionellen darwinschen Lehre wird die Veränderungsleistung aber nicht als Repräsentationsleistung gewertet, vielmehr entsteht die Veränderung durch eigengesetzliche Operationen des Organismus. Mit anderen Worten: Die Umgebung beeinflusst die Pflanze jeweils unterschiedlich; die Lösung, die der Löwenzahn hierfür findet, beruht jedoch auf seiner inneren Organisation.
Hierzu ein Beispiel mit einfacheren Organismen: Wenn wir an die Orientierung von Bakterien in der Umwelt denken, macht es kaum Sinn, von Erkenntnis, Wahrnehmung und Repräsentation der äußeren Umwelt zu sprechen. Vielmehr werden physische Änderungen registriert und bewertet, so etwa, wenn sich Bakterien auf Zucker oder Licht zu- bzw. von Säure oder Wärme fortbewegen. Die Impulse von außen sind nicht instruktiv, sondern nur restriktiv. Die traditionelle darwinsche Lehre versteht Anpassung als Repräsentation der Umwelt, die moderne Evolutionsbiologie versteht sie im Sinne der Selbstorganisation als Überlebensfähigkeit. Veränderungen zwingen uns zur Anpassung. Aber auch hier gilt: Je größer unsere Fähigkeit ist, uns so zu organisieren, dass dies mit den Anforderungen der Umwelt übereinstimmt, umso erfolgreicher können wir Veränderungen bewältigen und umso besser sind unsere Regenerationsaussichten nach Rückschlägen, psychologisch auch Resilienz genannt. (Joyce 2008)
Komplexe Lebensformen – nach darwinistischer Theorie unsinnig
Der moderne evolutionsbiologische Gedanke der Koevolution von makro- und mikroskopischen Lebensaspekten modifiziert das darwinistische Verständnis von rückkopplungsfreier Anpassung des Lebens an eine vorgegebene Umwelt. Im Darwinismus passt sich die Mikroevolution an eine Umwelt an, deren Evolution nicht im Fokus steht. Postdarwinistische Evolutionsbiologie sieht jedoch nicht in der erfolgreichen Anpassung des Lebens an eine bestehende Umwelt das formende Element, vielmehr bestimmt demnach die Gesamtheit der ökologisch vernetzten Lebensprozesse die genetische Verankerung von Lebensformen. Bestünde der Sinn der Evolution in der darwinistischen Anpassung, so wäre die Entwicklung komplexer Lebensformen unsinnig, die frühesten Lebewesen waren bereits weitaus besser an ihre Umwelt angepasst. (Jantsch 1992)
Konkurrenz, Kooperation und Koevolution
Kooperation – wichtiger als Konkurrenz
Darwin hat die Rolle der Konkurrenz überbetont, und dies ist später im Sozialdarwinismus, insbesondere bei den Nationalsozialisten, missbraucht worden. In der modernen Evolutionsbiologie wird dagegen die Bedeutung der Symbiose in der Natur betont. Mehr als die Hälfte der Biomasse lebt in symbiotischen Beziehungen. Und auch für die heutige Ökonomie mit ihren hochkomplexen Produkten ist Kooperation nicht nur logistisch eine Voraussetzung für den Erfolg. Die zukünftigen globalen Herausforderungen lassen sich nur synergetisch und kooperativ lösen, miteinander und nicht gegeneinander. Betrachtet man die evolutionsbiologischen Prinzipien näher, so zeigt sich, dass dem (sozial-)darwinistischen Begriff der Konkurrenz nicht die Bedeutung zusteht, die er vielfach bekommen hat. Kooperation und Kreativität haben demgegenüber eine viel stärkere Rolle in der Evolution gespielt.
Schon der russische Fürst Peter Kropotkin, ein Zeitgenosse Darwins, wies darauf hin, dass bereits im Tierreich die gegenseitige Unterstützung unter Artgenossen und ihre Verteidigung mehr zähle als das Prinzip von Kampf und Konkurrenz. So steht für Kropotkin fest, dass die im Sinne Darwins »Fittesten« nicht diejenigen sind, die ständig Krieg gegeneinander führen, sondern die, die sich unterstützen und wechselseitige Hilfe annehmen. Ameisen und Bienen etwa hätten auf den hobbesschen »Kampf aller gegen alle« verzichtet und stünden sich besser dabei.
Kritik an Darwins Selektionsprinzip
Kropotkin geht so weit, einen evolutionären Imperativ aufzustellen: »Streitet nicht! … Daher vereinigt Euch – übt gegenseitige Hilfe!« (Kropotkin 1908, 67f.) Streit und Konkurrenz seien für eine Art immer schädlich. Auch lehre die Natur uns, dass die Mittel zur Vermeidung von Kampf vorhanden sind. Zwar könne im Kampf ums Überleben während bestimmter Lebensperioden, bestimmter Jahreszeiten oder Generationen tatsächlich eine Selektion der Fittesten erfolgen, das aber sei kein allgemeines evolutionäres Prinzip. Wenn sich die Evolution zu einem Großteil auf das Überleben der Fittesten in Zeiten des Unglücks gründen würde, so wäre nicht Darwins nach oben gerichteter Gradualismus die Folge, sondern der evolutionäre Rückschritt. Dies liegt für Kropotkin daran, dass natürliche Auslese lediglich diejenigen Individuen schonen