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Wenn Sie wollen. nennen Sie es Führung. Cyrus Achouri
Читать онлайн.Название Wenn Sie wollen. nennen Sie es Führung
Год выпуска 0
isbn 9783862009565
Автор произведения Cyrus Achouri
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия Dein Business
Издательство Bookwire
4. Sei nicht zu raffiniert.
Imperativ eins: Sei nicht neidisch
Um Imperativ eins zu verstehen, ist es sinnvoll, sich die Abgrenzung zu Nullsummenspielen zu verdeutlichen. Während etwa Schach ein Nullsummenspiel ist, bei dem der eine verliert, wenn der andere gewinnt, lässt sich das für das Leben nicht behaupten. Beide Seiten können gut oder schlecht abschneiden. Menschen neigen dazu, einen Vergleichsmaßstab anzulegen, in diesem Fall den Erfolg des anderen im Vergleich zum eigenen Erfolg – und damit begründen sie ein Konkurrenzverhältnis. Dieser Vergleich mithilfe eines externen Maßstabs führt zu Neid. Der Versuch, diesem Neid durch die Korrektur des Vorteils des anderen zu begegnen, lässt sich im Gefangenendilemma nur durch Defektion erzielen. Da Defektion aber nur zu weiterer Defektion führt, wirkt Neid selbstzerstörerisch.
Die Strategie Tit for Tat war nicht dadurch erfolgreich, dass einer den anderen besiegte, sondern durch die Herbeiführung einer Situation, die es beiden ermöglichte, gut abzuschneiden. Dementsprechend muss man in einer Situation, die nicht als Nullsummenwelt konzipiert ist, nicht besser als ein anderer sein, um gut abzuschneiden: »Es macht nichts, wenn jeder so gut wie Sie oder ein wenig besser ist, solange Sie selbst gut abschneiden.« (Axelrod 2009, 101) Axelrod formuliert damit das Prinzip der systemtheoretischen Koevolution. Demnach hat es keinen Sinn, auf den Erfolg eines anderen neidisch zu sein und sich in Konkurrenz mit diesem zu begeben, denn in einem iterierten Gefangenendilemma ist gerade der Erfolg des anderen eine Voraussetzung für den eigenen Erfolg.
Imperativ zwei: Defektiere nicht als Erster
Imperativ zwei verweist auf den Vorteil der Nachhaltigkeit. Wenn es auch kurzfristig vielversprechend erscheinen mag, nicht zu kooperieren, wird langfristig genau das Gegenteil erreicht und sogar die Umgebung zerstört, die man für den eigenen Erfolg benötigt. Solange der andere kooperiert, sollte man also auch selbst kooperieren. Was aber nun, wenn der andere nicht kooperiert? Soll man dann auch »die andere Wange hinhalten«? Diese Frage beantwortet Imperativ drei.
Imperativ drei: Erwidere Kooperation und Defektion
Man riskiert, ausgebeutet zu werden, wenn man nicht Defektion auf Defektion folgen lässt, andererseits riskiert man aber auch eine Eskalation, wenn man eine Defektion der anderen Seite mit mehr als einer eigenen Defektion beantwortet. Das optimale Maß an Nachsicht hängt demnach von der Umgebung ab. Großzügigkeit ist sinnvoll, wenn andernfalls endlose wechselseitige Bestrafungen als Gefahr drohen. Sollte man aber eine ausbeutende Umgebung vorfinden, kann ein Übermaß an Nachsicht kostspielig werden. Die Beantwortung einer Defektion mit einer eigenen Defektion ist daher voraussichtlich ziemlich erfolgreich. Ein Spieler ist mithin gut beraten, sowohl Defektion als auch Kooperation zu erwidern.
Dabei zeigt sich, dass es besser ist, auf eine Provokation schnell zu antworten. Je länger Defektionen ungestraft geduldet werden, umso wahrscheinlicher zieht die andere Partei den Schluss, dass sich diese auszahlen können, und umso schwieriger wird es, dieses Muster wieder aufzubrechen. Provozierbarkeit ist dabei natürlich nicht ungefährlich, da Vergeltung zu einer endlosen Folge wechselseitiger Defektionen führen kann, Axelrod rät hier zu gemäßigter, »begrenzter« Provozierbarkeit. Die Stabilität der Kooperation wird demnach gestärkt, wenn die Reaktion etwas geringer ausfällt als die Provokation.
Imperativ vier: Sei nicht zu raffiniert
Anders als in Nullsummenspielen wie Schach, wo sich entgegengesetzte Interessen gegenüberstehen, sollte im Gefangenendilemma, wie im wirklichen Leben, der Gegner nicht als jemand betrachtet werden, der darauf aus ist, den anderen zu schlagen. Der andere wird vielmehr nach Anzeichen im Verhalten suchen, ob man zur Kooperation bereit ist oder nicht. Demnach fällt also das eigene Verhalten auf einen selbst zurück. Diesen Aspekt übersehen Regeln, die wie in Nullsummenspielen darauf zielen, den eigenen Vorteil zu maximieren, und die dabei den anderen Spieler als unbeeinflussbaren Teil der Umgebung betrachten, Interaktion also außer Acht lassen. Die Antizipation von Interaktion setzt aber demnach auch interdependente Verlässlichkeit und damit Verständlichkeit voraus. Zu komplexes Verhalten kann chaotisch wirken, wie sich in Axelrods Computerturnier anhand komplizierter, wahrscheinlichkeitstheoretischer Verfahren zeigen ließ. Ist ein Verhalten so komplex, dass es für den anderen undurchschaubar wird und insofern willkürlich erscheint, erzeugt es keinen Anreiz zur Kooperation.
Während es bei Nullsummenspielen äußerst wirksam ist, seinen Gegner strategisch zu verunsichern, ist es im Gefangenendilemma wie im richtigen Leben gerade wichtig, dem anderen die eigenen Intentionen deutlich zu machen; Raffinesse zahlt sich also nicht aus. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, den anderen zur Kooperation zu ermutigen. Dabei lässt sich die Absicht zur Kooperation durch beidseitige Taten praktisch demonstrieren. Axelrod spricht sich ausdrücklich dagegen aus, Vertrauen bei den Akteuren vorauszusetzen. Gegenseitigkeit reicht aus, um Defektion unproduktiv zu machen. Ebenso ist auch Altruismus unnötig, da auch Egoisten kooperativen Strategien in ihrer Nützlichkeit folgen.
Kooperation braucht keine Überwachungsinstanz
Axelrod kommt zum Ergebnis, dass sich gegenseitige Kooperation selbst überwacht und demnach in ihrer Selbstorganisation keine zentrale Herrschafts- oder Überwachungsinstanz benötigt. Zwar sind Axelrods spieltheoretische Ergebnisse immer wieder auch dafür genutzt worden, den Vorteil der Defektion herauszustreichen. Dabei wird aber unterschlagen, dass Defektion nur dann eine erfolgreiche Strategie ist, wenn sie auf den unmittelbaren Vorteil aus ist. Wenn die Akteure sich nicht wiederholt treffen, ist die Strategie der Defektion durchaus erfolgreich. Mittel- und langfristig stellt sich ein Akteur jedoch besser, wenn er mit seinem Gegenüber ein Muster wechselseitiger Kooperation installiert. Angewandt auf evolutionäre makroskopische Zeiträume bis hin zu Spannen, die mehrfache, wiederholte Interaktionen im Mikrobereich betreffen, im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens beispielsweise, ist Kooperation also die dominante Strategie, solange sie nicht einseitig propagiert wird. Eine reine Kooperationsstrategie ohne »Provokationsfähigkeit« würde ebenso scheitern wie eine reine Defektionsstrategie.
Auch für Extremsituationen nennt Axelrod Beispiele erfolgreicher Kooperationen. Demnach zeigt sich kooperatives Verhalten sogar bei verfeindeten Kriegsparteien. Im Sinne einer »Leben-und-leben-lassen-Strategie« entwickelten sich etwa im Ersten Weltkrieg Kooperationen zwischen Feinden, sogar gegen den Widerstand des oberen Kommandos. Freundschaft ist demnach keine Bedingung für Kooperation, sie zeugt vielmehr von der Dauerhaftigkeit einer Beziehung.
Kooperation: sogar ohne Gehirn möglich
Die Theorie der Kooperation kann auch Verhaltensmuster im biologischen Bereich erklären, von Vögeln bis zu Bakterien oder Viren. Die Existenz eines Gehirns ist dabei keine Voraussetzung. Kooperation kann sich in biologischen Systemen selbst dann entwickeln, wenn die Beteiligten nicht miteinander in Beziehung stehen, und auch dann, wenn sie unfähig sind, die Konsequenzen ihres eigenen Verhaltens zu erkennen. Ein Organismus, der eine günstige Antwort bei einem anderen erreicht, wird sich und sein Verhaltensmuster mit größerer Wahrscheinlichkeit fortpflanzen und damit in der biologischen Welt Kooperation, die sich auf Gegenseitigkeit gründet, stabilisieren. (Axelrod 2009) Kurzfristige Vorteile werden in der Evolution zugunsten mittel- und langfristiger Vorteile hintangestellt.
Bei Lebensgemeinschaften von Fischen unterschiedlicher Arten kommt es beispielsweise vor, dass ein kleiner Fisch Parasiten vom Körper sowie aus dem Inneren des Mauls größerer Fische entfernt, und dies selbst bei Raubfischen, die seine potenziellen Feinde sind. Langfristig profitieren beide davon unter Erhaltung der egoistischen Vorteile. Der Raubfisch wird von Parasiten befreit, der kleine Fisch erhält Nahrung. Der Raubfisch untergräbt seinen kurzfristigen Nutzen, den kleinen Fisch zu fressen, dadurch erhält er aber den langfristigen Vorteil der Parasitenbeseitigung. Überdies hätte er durch die Dezimierung der hilfreichen Kleinfische eine starke Zunahme der Parasiten zu beklagen. Umgekehrt hätten die Kleinfische unter Umständen Vorteile, wenn sie nicht nur auf die Parasiten abzielten, sondern versuchten, sich auch direkt vom Raubfisch zu ernähren. Langfristig würde dies aber zum Abbruch der Kooperation führen und