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Donna, die gar nicht schätzte, wenn das Geld ihrer Gäste in fremde Taschen wanderte, lächelte grimmig und schob ihm mit einem frischen Bier einen Stapel Credits zu. »Wenn du dieses arrogante Reptil abzockst …«

      Willi schob dem Algebraner die Würfel zu. »Neues Spiel, neues Glück! Diesmal haben Sie den Vortritt!« Snark maß ihn mit kaltem Blick. Er griff nach dem grünen Würfel, woraufhin Willi sich für rot entschied. Die Partie ging an Willi. Auch die nächste. Und die übernächste. »Sie kennen sich aus mit intransitiven Beziehungen?«, zischte Snark schließlich.

      »Ich bin strictly heterosexual!«, wehrte Willi ab. »Aber ich hab’ kapiert, dass sich die ›Sprache‹ dieser Würfel in ein altes Kinderspiel übersetzen lässt: Schere, Papier, Stein!« Er grinste in die verdutzten Gesichter rundum. »Unser Bauchgefühl sagt uns: Wenn Quoxx stärker ist als ich und ich stärker bin als Snark, sollte Quoxx auch stärker als der Algebraner sein. Aber das kann trügen – Schere schneidet Papier, Papier umwickelt Stein, Stein zertrümmert Schere. Genauso ist es mit dem Würfeln: Rot gewinnt gegen Grün, Grün gegen Blau und Blau gegen Rot.«

      »Es ist kein Betrug. Jeder Würfel hat die gleiche Chance!« Snark lächelte schmallippig.

      »Stimmt, aber wer als Erster einen Würfel wählt, hat schon verloren: Es ist, als ob er das Handzeichen für Stein macht und sein Gegenüber nur noch Papier wählen muss – einfach idiotensicher!« Willi prostete dem Algebraner mit breitem Lächeln zu.

      Der erhob sich mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte. »Großer Gauß, fast Mitternacht …« Er ergriff seine Würfel und hastete zur Tür, verfolgt von johlendem Gelächter.

      Und dann klopfte der Kuiper-Belter Willi so heftig auf die Schulter, dass der fast in sein Bier gefallen wäre, und brüllte nach einer Runde, und später gab Donna eine zweite aus, und wir tranken auf die Sprache der Mathematik, die sich bestens in Kneipenjargon übersetzen lässt, wenn man so pfiffig ist wie Willi.

      Wenn Sie also ein interessantes neues Spiel kennen, schauen Sie doch mal vorbei, ganz gleich, woher Sie kommen. In Donnas Kaschemme können wir inzwischen sogar Algebranisch.

      PS: Intransitive Würfel funktionieren übrigens tatsächlich!

      »Rosetta 8.0«, Hrsg. Thomas Le Blanc und Jörg Weigand, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2014

haus

      »Home, sweet home« beschäftigt sich mit den Häusern der Zukunft.

      Der Hausflüsterer

      »Sag mal, stimmt das, Willi, dass du deine Schrottmühle inzwischen als Viehtransporter benutzt?«, wollte Quoxx wissen, während er sich den Bierschaum vom Mund wischte.

      Willi, das Wurmlochwiesel, grinste den stämmigen Kuiper-Belter an. »Eine Dienstleistung im Rahmen meiner Tätigkeit als Hausflüsterer!«

      »Hausflüsterer?«, wiederholte Quoxx verständnislos, und winkte Donna, Wirtin der gleichnamigen Kaschemme, Willi ein frisches Bier zu bringen.

      Der ließ sich nicht lange bitten. »Ich musste auf Novo Rus’ landen, weil die Rosinante bockte. Die Reparatur würde teuer werden, das Kopfgeldgeschäft lief schlecht, und ich war ziemlich pleite. Also ging ich in die nächste Bar, um meinen Kummer zu ersäufen. Dort traf ich einen jungen Outlander, dem es offenbar noch dreckiger ging als mir. Er heulte in sein Bier, und es dauerte eine ganze Weile, bis ich ihn soweit hatte, dass er uns seine Geschichte erzählte. Igor war Architekt für Neuromorphing-Häuser und hatte gerade seinen ersten Entwurf im Holzhüttenstil verwirklicht. Mit Luxusinterieur, versteht sich!«

      Mit einem Fingerschnipsen aktivierte Willi seinen Holowürfel. »Igors Modell ›Nasedka‹!«

      Donna warf einen Blick auf das Objekt und schüttelte sich. »Ein Albtraum, wenn du mich fragst.«

      Willi zuckte die Achseln. »Geschmackssache – rund um Rus’ Hauptstadt Babajaga haben sich viele stinkreiche Oligarchen niedergelassen, und der Entwurf meines jungen Freundes stieß auf reges Interesse. Der Junge schwärmte mir vor, wie alles in dem Haus vernetzt ist, vom Gastromodul über Medieninstallationen bis zum Lokus, der jedem Benutzer aufgrund seiner Ausscheidungen eine umfassende Gesundheitsanalyse erstellt.«

      »Nicht mal in Frieden scheißen kann man mehr!«, knurrte Quoxx und beugte sich vor. »Sag mal, steht das Haus auf Stelzen?«

      »Das Modell ›Nasedka‹ hat drei Füße und kann seine Sonnenkollektoren so platzieren, dass es seine Energie selbst erzeugt.« Willi rieb sich die Nase. »Nun hab’ ich keinen blassen Schimmer von diesem Neuromorphing-Kram, und Igor erklärte mir, der Clou ist, dass auf den Steuerchips Neuronen mit Transistoren verschaltet sind, um eine optimale Integrationsleistung zu erzielen. Das Hochfahren der CPU verlief zunächst ganz nach Plan, aber je mehr Module Igor zuschaltete, desto nervöser reagierte das System. Als schließlich alle Module aktiviert waren, war das Haus ein einziges Nervenbündel, das abwechselnd drohte, sich von den Klippen zu stürzen oder per Kurzschluss aller Schaltkreise Selbstmord zu begehen. Ein Beispiel, dem der junge Mann in Kürze zu folgen gedachte, wie er mir düster versicherte.«

      »Aus gutem Grund!«, befand Donna ungnädig.

      Willi überhörte ihren Einwurf. »Ich überredete Igor, mir sein Modell vor diesem endgültigen Schritt doch einmal zu zeigen, und er willigte ein. Als wir uns näherten, tippelte das ›Nasedka‹ nervös von einem Fuß auf den anderen. Und als ich die Füße sah, hatte ich plötzlich eine Eingebung. Ich erklärte ihm, dass ich ihm aus der Patsche helfen könne, wenn er mir die Kosten für die Reparatur der Rosinante vorstreckte … er war sofort einverstanden!«

      »Und?«, drängte Quoxx und schob Willi ein frisches Bier zu. »Was war diese Eingebung?«

      »Hühner!« Als Willi unsere verständnislosen Gesichter sah, konnte er ein selbstzufriedenes Grinsen nicht unterdrücken: »Die Füße, auf denen das Haus stand, waren Hühnerfüße. Und die Zellen auf den Chips stammten von wer-weiß-wie-alten Hühnerzelllinien ab, wie mir mein junger Freund bestätigte. Das Haus hat ein Hühnergehirn – und je mehr Neurochip-Module zusammengeschaltet werden, desto hühnchenhafter verhält es sich: Streicht der Schatten eines Vogels über seine Sensoren, erstarrt es vor Schreck und fängt an zu zittern wie Espenlaub. Schleicht nachts ein kleines Raubtier vorbei, erhebt es sich und eilt in Panik davon, so schnell es seine Hühnerfüße tragen. Hühner sind Herdentiere; allein sind sie unglücklich. Also hab’ ich Igor ein Dutzend Vögel von Chicken’s Planet besorgt. Dem armen Hühnerhaus fehlte einfach Gesellschaft!«

      Willi aktivierte seinen Holowürfel erneut. Umgeben von einer Schar eifrig pickender Hühner, ruhte das Modell ›Nadeska‹ wie eine dicke braune Glucke auf seinen drei Beinen und machte einen sehr zufriedenen Eindruck.

      Begeisterter Applaus ringsum.

      »Wirklich clever!«, meinte Quoxx. »Da hat der junge Mann die Auslagen für den Antrieb wohl nicht zurückgefordert?«

      »Dazu war er viel zu glücklich, und ‘ne fette Prämie gab’s obendrein …«

      Willi stockte, aber als er das Glitzern in Quoxx’ Augen sah, wusste er, dass es zu spät war. Donna hatte bereits ein Tablett mit Gläsern gefüllt und stellte es mit breitem Lächeln auf den Tisch. »Willis Runde!«

      »Dass ich mein verfluchtes Mundwerk nicht halten kann!«, seufzte der Wurmlochscout und angelte sich ein frisches Glas.

      Wir ließen den Hühnerhausflüsterer gebührend hochleben und tranken auf sein Wohl. Und dann noch mal. Und noch mal.

      Wenn Sie irgendwann einmal in unserer Gegend am Rand der Milchstraße sind – in Donnas Kaschemme ist immer etwas los. Vielleicht spendieren Sie ja die nächste Runde?

      »Home sweet home«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2014

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