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Einundvierzigstes Kapitel. Wiedersehen
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Vierundvierzigstes Kapitel. Die Heilige und ihr Narr
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Siebenundvierzigstes Kapitel. Die eine Stunde
Achtundvierzigstes Kapitel. Nach Brauneck
Neunundvierzigstes Kapitel. Gefangene besuchen
Fünfzigstes Kapitel. Von Heinz und Gisela
Einundfünfzigstes Kapitel. Die Überraschung
Zweiundfünfzigstes Kapitel. Das Oratorium
Dreiundfünfzigstes Kapitel. Unter dem Schleier der Gisela
Erstes Kapitel
Waldweihnacht
Ein dichter Nebel lag drei Tage über dem Waldland, dann kam die scharfe Kälte, und nun hat der Wald sein schönstes Weihnachtskleid angezogen. Wie feierliche Kandelaber sind die alten Schirmtannen, die oben auf der freien Höhe stehen, nur daß sie ihren Kerzenschmuck nach unten hängen. Tief bis auf den Boden senken sich ihre Äste unter der schweren Last, die nun ein heimliches Nest bilden, von dem man sich denken möchte, daß darunter irgend ein frierendes Häslein oder Reh ein Obdach fände. Die Birken sind mit tausend und aber tausend Kristallperlen behangen, und an ihr feines Gefieder hat sich der Rauhreif angesetzt, wo ein Blattknöspchen auf den kommenden Frühling wartet, daß es läßt, als wollte der Baum mitten im Winter seinen Mai haben, aber einen silbernen. Jedes Möslein am Weg, der Dornstrauch dort, aus dessen kristallenem Gezweig noch die roten Beeren hervorleuchten, alle haben sich in köstliche Festgewänder geworfen. Wie zierlich und fein steht der Distel ihr Silberkrönlein, wie ist aus dem geduckten Schlehenstrauche das Meisterstück eines Elfensilberschmieds geworden! Ganz still ist's, und nur zuweilen geht ein feines Klingen durch den Wald, und ein Seufzen, wenn ein Zweig einen Teil seiner Last, die ihm zu schwer geworden ist, abschüttelt. Die Buchen sind ganz dicht geworden, und auf den Weg, über dem sie wieder, wie im Sommer, doch nun aus edlem Weiß, Silber und Kristall, den gotischen Dom bilden, fällt ein wunderbares gedämpftes Licht von dem fünften nebelgrauen Himmel, der doch ein mattes Sonnengold ahnen läßt. Der Haselbusch hat sich mit breiten silbernen Bändern behängt, die in seltsamen Bogen und Windungen seine Zweige verbinden. Spinnfäden sind's, und wie würde sich die emsige Spinnerin, die nun längst wie ein totes welkes Blättlein über ihren noch schlafenden Kindlein hängt, verwundern, wenn sie sehen könnte, was aus ihrem Gespinst geworden. Fliegt ein Vogel auf, so stiebt ein Wölkchen von silbernen Sternen, und wie sie fallen, so liegen sie auf dem Weg und schmücken auch ihn, der sonst so nackt und braun ist.
Zwischen den Schirmtannen hervor, welche die Höhe umstehen, kommt auf den weißen Buchendom zu ein großer Mann geschritten, in waldmäßigem Lodenwams, einen verschabten grünen Filzhut auf dem krausen braunen Haar. Unter dem alten Hut leuchten in die Pracht hinein ein Paar graublaue Augen, und wenn an dem Mann einem zuerst nichts als seine ungewöhnliche Länge und mächtige Breite auffallen mag, so tut's ein Blick in diese Augen, denn es sind die Augen derer, die sehen. Als saugten sie es in sich, dieses Bild des Waldwegs, mit den silberangehauchten Säulenreihen der Buchenstämme, ferne durchleuchtet von dem matten Opal des Himmels. »Augen, meine lieben Fensterlein... Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluß der Welt!« Diesmal ist's ein silberner Überfluß. Dort steht er an der mächtigen Buche, und es umschließt ihn das Schweigen und die feierliche Stille, und es ist, als hielten die Bäume und Sträucher den Atem an; als müßte etwas werden, etwas Wunderbares, etwas Geheimnisvolles, etwas, das den gewöhnlichen Lauf des Geschehens unterbricht. Und das feine Klingen von fern und nah und das Seufzen geht durch die Stille, als hörte man das Herz des Waldes schlagen.
Könnte es nicht doch sein, daß der Schleier zerriß nur für einen Augenblick, der Schleier, der uns Menschen von der Welt, die uns umgibt, scheidet, die wir doch fühlen, wenn wir einmal still geworden sind? Von der Stille, die am liebsten von den nächtlichen Sternen herabsteigt oder im Walde auf uns niedersinkt, der unsern Vätern ein heiliger Ort war, wo die Götter wohnten. Waren sie denn so töricht, diese Alten? – Ach warum bist du so scheu geworden, du feines braunes Reh dort? Wie sind die Kinder der Welt von einander getrennt und fern, wie einsam, wie sterneneinsam das Herz darin; nicht Tier, nicht Pflanze kennen dich, sie scheuen sich vor dir, und doch treibt der gleiche rote, sanfte Strom seine Wellen durch dein Herz wie durch das des Tieres dort. Und den Eichbaum, den vielhundertjährigen, der seine vom Blitz in wilden Sturmesnächten gestreiften Arme wie Riesenschlangen windet, den liebst du! Wie ein Freund ist er dir, den du von Kindheit gekannt und mit scheuer Verwunderung an dunkeln Herbstabenden betrachtet hast, wenn du hinter dem Vater drein gingst. Wenn er eines Morgens geborsten am Boden läge, würdest du um ihn trauern wie um einen guten alten Freund. Aber was weiß er von dir? Einsam geht der Mensch dahin zwischen dem, was um ihn lebt und stirbt, sich freut im Mai und im Winter seine silbernen Träume träumt.
Der Mann starrt auf den Weg und sein Ende, wo er sich in dem duftigen Schleier der Birken wendet, als müßte etwas von dort kommen, gerufen