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Ihnen meine neue Adresse,« warf ich ein.

      »Ganz schön, ganz schön. Nur einen Augenblick, bitte, dann werde ich Sie zur Tür geleiten. So, hier – habe die Ehre, mich Ihnen bestens zu empfehlen!«

      Nun, so mußte es ja wohl kommen, nicht wahr? Auf dem allernatürlichsten Wege war ich bald dahin gelangt, daß ich überall einfach verlangte, was ich haben wollte und dann beim Bezahlen mit meiner Millionennote vorrückte. Noch bevor eine Woche um war, wohnte ich kostbar eingerichtet im größten Luxus und von allen Bequemlichkeiten umgeben in einem teuren Privathotel in Hanover-Square. Hier nahm ich auch das Diner ein, zum Frühstück dagegen suchte ich regelmäßig die kleine Speisewirtschaft auf, in der mir meine Millionennote zu meinem ersten Mahl verholfen hatte. Dieselbe gelangte durch mich zu ungeahnter Blüte. Allenthalben sprach man davon, daß der fremde Kauz, der die Millionen nur so in der Westentasche herumtrage, derselben seine Gönnerschaft zuwende. Dies genügte, um aus dem armseligen, elenden Ding, das mit Mühe sein Dasein fristete, ein berühmtes, stets überfülltes Lokal zu machen. In seiner Dankbarkeit drängte mir der Wirt ein Darlehen nach dem andern auf und ließ schlechterdings keine Weigerung gelten, so daß ich trotz meiner Bettelarmut im Gelde schwamm und ein wahres Herrenleben führte. Dabei sagte ich mir wohl, daß ich einem unvermeidlichen Krach entgegengehe; aber nun war es einmal so weit gekommen und jetzt hieß es eben, mit dem Strome schwimmen oder untergehen. Man sieht, ohne dieses Vorgefühl eines drohenden Unheils würde meine Lage einfach lächerlich erschienen sein; aber so erhielt dieselbe dadurch eine sehr ernste, nüchterne Seite, ja geradezu einen tragischen Zug. Nachts im Finstern drängte sich dieses Gefühl besonders in den Vordergrund, warnend und drohend, so daß ich mich seufzend auf meinem Lager herumwarf, und nur mit Mühe Schlaf finden konnte. Aber im frohen Schimmer des Tageslichts war dieser tragische Zug allemal sehr bald wieder verflogen und dann schwebte ich in höheren Regionen und wiegte mich in einem wahren Taumel, in einem förmlichen Rausche des Glücks.

      Und das war auch ganz natürlich; war ich doch zu einer der Merkwürdigkeiten der größten Stadt der Welt geworden. Das war mir denn zu Kopfe gestiegen, und zwar nicht etwa nur so ein klein wenig, sondern ganz gehörig. Keine Zeitung im ganzen Vereinigten Königreich konnte man mehr zur Hand nehmen, ohne auf einen oder mehrere Artikel über den ›Mann mit der Million in der Westentasche‹ und auf Berichte über das Neueste, was er gesagt und getan, zu stoßen. Zuerst waren diese Notizen am Fuße der Personalnachrichten erschienen, bald aber kam ich über die Ritter, dann über die Baronets und so immer höher hinauf, je berühmter ich wurde, bis ich schließlich den höchsten für mich möglichen Ehrenplatz einnahm, auf dem mir nur noch Prinzen von königlichem Geblüt und der Primas von ganz England vorgingen. Aber, wohl gemerkt, das war noch kein wahrer Ruhm, was ich bis jetzt besaß, nur Berühmtheit; da kam ein Knalleffekt, der mit einem Schlage das vergängliche Blech der Berühmtheit in das gediegene Gold des Ruhmes verwandelte: im ›Punch‹ erschien eine Karikatur von mir. Ja, jetzt war ich ein gemachter Mann; jetzt war mir mein Rang gesichert. Witze durfte man nun wohl noch über mich machen, aber nur ganz respektvolle, keine spöttischen oder rohen mehr. Man konnte über mich lächeln; auslachen dagegen durfte man mich nicht mehr. Diese Zeiten waren vorüber. Der ›Punch‹ bildete mich ab, wie ich ganz in Lumpen gehüllt mit einem wohlgenährten Protzen um den Londoner Tower würfelte. Nun, man kann sich einbilden, wie das auf einen jungen Menschen wirken mußte, um den sich bisher kein Mensch gekümmert hatte, wenn er sah, daß er kein Wort mehr sagen konnte, ohne daß es aufgeschnappt und von allen Lippen wiederholt wurde; wenn er überall, wo er sich sehen ließ, die Bemerkungen von Mund zu Mund fliegen hörte: »da geht er«; »das ist er«; wenn er sein Frühstück nicht einnehmen konnte, ohne dabei von einer gaffenden Zuschauermenge umlagert zu werden und sich in keiner Opernloge zeigen durfte, ohne augenblicklich einem Kreuzfeuer von tausend Gläsern ausgesetzt zu sein. Kurz und gut – ich schaukelte mich den ganzen Tag auf einem wahren Ozean von Ruhm.

      Ich hatte sogar meinen zerlumpten Anzug behalten und ging ab und zu in demselben aus, um das Vergnügen wieder einmal durchzukosten, mich beim Einkauf irgend einer Kleinigkeit beleidigen zu lassen und dann den Unverschämten mit meiner Millionennote niederzuschmettern. Aber lange konnte ich das nicht fortführen. Aus den illustrierten Zeitungen war meine Erscheinung so allgemein bekannt, daß ich mich in diesem Aufzuge stets augenblicklich erkannt und von einer Menschenmenge verfolgt sah; und sobald ich Miene machte etwas kaufen zu wollen, bot mir der Geschäftsinhaber seinen ganzen Laden auf Kredit an, noch ehe ich dazu kommen konnte, meine Note auf ihn loszulassen.

      Etwa zehn Tage, nachdem ich zu dieser Berühmtheit gelangt war, dachte ich daran, meiner patriotischen Pflicht nachzukommen, indem ich dem amerikanischen Gesandten meine Aufwartung machte. Derselbe empfing mich mit dem meinem Falle angemessenen Entzücken, machte mir Vorwürfe, daß ich die Erfüllung dieser meiner Pflicht so lange habe anstehen lassen und erklärte mir, nur dadurch könne ich mir seine Vergebung erkaufen, daß ich bei einer am Abend in seinem Hause stattfindenden Gesellschaft den Platz eines durch Krankheit verhinderten Gastes einnehme. Ich sagte zu, und wir kamen allmählich tiefer ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus, daß er mit meinem Vater auf einer Schulbank gesessen und später zusammen mit demselben im Yale College studiert und bis zu meines Vaters Tode einige Freundschaft mit ihm unterhalten hatte. So lud er mich denn ein, jede freie Stunde in seinem Hause zu verbringen, was ich natürlich mit Freuden annahm. Genauer gesagt war mir dies mehr als angenehm, es war mir vom höchsten Werte. Bei Eintritt des Krachs war er doch vielleicht imstande, mich vor gänzlichem Untergang zu bewahren. Ich konnte mir zwar nicht recht vorstellen, wie das zugehen sollte; allein ich dachte, er würde schon vielleicht einen Weg dazu finden. Für eine Generalbeichte, die ich ihm zu Anfang meines entsetzlichen hiesigen Daseins ohne weiteres abgelegt haben würde, war es bereits zu spät. Nein, das konnte ich nicht mehr riskieren, ich steckte schon zu tief drinnen; das heißt wenigstens so tief, daß es nicht geraten schien, einem Bekannten so neuen Datums genauere Mitteilungen darüber zu machen, wenn sich auch in meinen eigenen Augen die Sache noch nicht so hoffnungslos ausnahm. Denn bei meiner ganzen Borgwirtschaft hielt ich mich höchst sorgfältig innerhalb der Grenzen meiner Mittel – das heißt meines zukünftigen Gehaltes. Bestimmt wissen konnte ich ja natürlich nicht, wieviel derselbe betragen würde, aber eine genügende Grundlage für annähernde Schätzung desselben war doch dadurch gegeben, daß mir der alte Herr die freie Wahl unter sämtlichen Stellungen lassen wollte, die er zu vergeben hätte, vorausgesetzt, daß ich dazu befähigt wäre – und das war doch sicher der Fall, darüber hegte ich keinen Zweifel. Die Wette machte mir auch weiter keine Sorge; in dem Punkte hatte ich stets Glück gehabt. Nun, ich schätzte also meinen Gehalt auf sechshundert bis tausend Pfund im Jahre; sagen wir sechshundert fürs erste Jahr und dann so Jahr für Jahr mehr, bis ich es durch meine Leistungen auf tausend gebracht hätte. Meine Schulden erreichten bis jetzt nur die Höhe meines ersten Jahresgehalts. Von allen Seiten hatte man mir Geld angeboten, allein ich hatte diese Darlehen meist unter irgendeinem Vorwand zurückgewiesen; so beliefen sich meine daher stammenden Schulden auf nicht mehr als dreihundert Pfund, während ich die andern dreihundert zur Bestreitung meines Unterhalts und zu Einkäufen gebraucht hatte. Mit dem Gehalt des zweiten Jahres hoffte ich nun bei der nötigen Vorsicht und Sparsamkeit vollends bis zum Ende des Monats zu reichen, und daran wollte ich es gewiß nicht fehlen lassen. War dann mein Monat erst herum und mein Gönner von der Reise zurück, dann war ja alles wieder im schönsten Geleise; dann gedachte ich einfach Anweisungen auf die beiden ersten Jahresgehalte unter meine Gläubiger zu verteilen und mich tüchtig an die Arbeit zu machen.

      Es war eine sehr angenehme Tischgesellschaft von vierzehn Personen: Herzog und Herzogin von S. mit Tochter, Earl und Counteß R., Viscount C., Lord und Lady G., einige Menschenkinder beiderlei Geschlechts ohne Rang und Titel, der Gesandte nebst Gemahlin und Tochter, sowie eine zu Besuch bei der letzteren befindliche junge Engländerin von zweiundzwanzig Jahren, namens Portia Langham, in welche ich mich im Lauf von zwei Minuten bereits verliebt hatte, ebenso wie sie sich in mich – was ich bemerken konnte, ohne eine Brille dazu nötig zu haben. Dann war noch ein Gast da, ein Amerikaner – doch ich eile meiner Erzählung etwas voraus. Während die Gesellschaft noch in sehnsüchtiger Erwartung des Mahles im Salon beisammen saß und die Zuspätkommenden mit kalter Verachtung musterte, meldete der Diener: »Mr. Lloyd Hastings.«

      Dieser neue Gast faßte, sobald die Förmlichkeiten der Begrüßung vorüber waren, mich ins Auge und kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu; in dem

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