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Ventilatoren. Als die Ankerwinde blockierte, brachte mir ein gewiefter Cruiser namens Clyde bei, wie das Ding überhaupt funktioniert. Inzwischen kann ich Messer schleifen, Leinen spleißen und einhändig einen Palstek knoten.

      Shannons Hauptaufgabe war zwar, Fotos zu schießen, sie hat mir aber vor allem durch ihre Charakterstärke über den Ausfall von Equipment, über Bedienfehler, über Geldsorgen, das Reinigen der Bootshülle, die unerwünschte Begegnung mit einem Ex-Freund, verklemmte Anker, dröhnende Nachtklubs und gescheiterte Annäherungsversuche hinweggeholfen. Nur Snaggs in ihrem gelben Bikini konnte auf die Idee kommen, die Gitarre rauszuholen, während die mexikanische Marine mitsamt Drogenspürhunden an Bord der Swell kam; die Officers brachen die Razzia schnell ab und spielten stattdessen reihum Lieder. Snaggs kam aufgedreht von einer Beinahe-Begegnung mit einem Bullenhai zurück an Bord und schwamm furchtlos durch meterhohe Wellen, um zu fotografieren. Ihr christlicher Glaube trotzt außerdem jeder Prüfung. Wir reden nicht über Gott, weil ich mit Religion nichts am Hut habe, aber man kann ihr förmlich ansehen, dass sie der felsenfesten Überzeugung ist, dass jemand seine Hand über sie hält, und selbst in den dunkelsten Stunden bleibt sie zuversichtlich. Um ehrlich zu sein, beneide ich sie darum; ich kann bloß mutmaßen, wie gut sich eine solche Verbindung anfühlen muss.

      Ich lese unsere Position vom GPS ab, Snaggs trägt sie ins Logbuch ein, und wir überschlagen, wie lang wir über Nacht noch vor uns haben. Die Sonne taucht steuerbords ins Meer, und mich beschleicht eine leise Wehmut, weil meine Zeit mit Snaggs zu Ende geht. Das Meer und der Himmel leuchten in Orange- und Pinktönen.

      »Tja, Snaggs, ist das zu glauben, dass wir es so weit geschafft haben?«

      »Klar«, antwortet sie. »Du bist aber auch eine klasse Skipperin, Gadget!« Den Spitznamen habe ich mir für meine unbeirrte Einsatzbereitschaft und das andauernde Reparieren und Basteln mit unseren Gerätschaften verdient.

      »Ohne dich hätte ich all das nie geschafft. Es wird nicht mehr dasselbe sein.«

      »Keine Bange. Gott ist mit den Mutigen.«

      Lächelnd schlage ich den Blick nieder. »Ich hoffe sehr, du hast recht.«

       Weiterlachen

      Als ich mir die bauchige Unterseite der Swell ansehe, wird mir leicht schwindlig. Ich muss den Rumpf unterhalb der Wasserlinie abschleifen und neu lackieren – und er ist riesig. Das Gras juckt an meinen Knöcheln. Oder vielleicht streift es auch nur meine fiesen Gnitzenbisse? Diese Mistviecher fallen in der Dämmerung hier in der schlammigen costaricanischen Werft ein Stück den Fluss hinauf über jedes Fleckchen entblößter Haut her.

      Ich klettere die Leiter wieder hoch. Ich habe den ganzen Tag lang hier und da gewerkelt, komme aber nicht richtig weiter. Ich werfe einen Blick auf meine To-do-Liste: Außer dem Schleifen und Lackieren des Unterwasserschiffes, dem Anheben des Wasserpasses und dem Anbringen der Erdungsplatte, damit der nächste Blitzeinschlag keinen größeren Schaden anrichtet, muss ich die Kühlbox neu abdichten, das Funkgerät reparieren, mehr Ventilatoren anbringen und den alten, ekligen Fäkalientank der Vorderkajüte entsorgen. Außerdem muss die Bilge geputzt, das Steuerbord-Positionslicht repariert und das komplette Deck neu versiegelt werden. Es fühlt sich an, als würde mein Gehirn in der Hitze anschwellen – keine Ahnung, wo ich anfangen soll.

      Wenn ich erst das Funkgerät reparieren würde, hätte ich wenigstens Musik für die restlichen Aufgaben. Also montiere ich das kaputte Gerät ab und verkable das Ersatzteil vorsichtig neu – schön auf die Farben achten, dann Stoßverbinder und Schrumpffolie. Nachdem ich das Gerät zurück in die Wandhalterung geschraubt habe, stelle ich den Strom wieder an und drücke die Power-Taste.

      Nichts. Nicht mal ein Flackern.

      »Aaaaaargh!« Ich verdrehe die Augen, drücke immer wieder auf die Power-Taste – vielleicht springt das Ding wundersamerweise ja doch noch an. Irgendwann gebe ich auf, zücke stattdessen Kopfhörer und meinen iPod, und weiter gehts.

      Das Positionslicht ist wohl die nächst einfachste Aufgabe. Ich klaube mein Werkzeug zusammen, schnappe mir die Leiter und laufe zum Bug, um die Leuchte auseinanderzunehmen. Ich säubere die Verkabelung, wechsle die Birne, will sie austesten. Sie brennt für einen Augenblick und geht wieder aus. Tief durchatmen. Ich bin leicht verzweifelt. Und zusehends wütend. Ich sehe nach, ob es irgendwo einen Kurzschluss gegeben hat, kann aber nichts Auffälliges finden. Kurzerhand räume ich ein Plätzchen frei und lasse mich zwischen Werkzeug, Ausrüstung und Vorräten nieder. Das ganze Zeug scheint mich höhnisch anzusehen und sagen zu wollen: »Jetzt aber los!«

      Schweiß läuft mir übers Gesicht. Es ist dermaßen schwül, dass ich fast das Gefühl habe, ich müsste die Atemluft schlucken. Moskitos sirren mir um die Ohren. Ich fühle mich einfach nur elend. Alles ist komisch ohne Shannon. Ich weiß nicht mehr, was ich mit mir anfangen soll.

      Surfen! Beim Surfen ging es mir immer gleich besser! Ich schnappe mir mein türkisfarbenes Twin Fin und meine Surftasche, klettere die Leiter hinunter, überquere den Fluss und laufe zur Bushaltestelle ein Stück die Straße runter.

      Die Wellen sind etwa brusthoch, hier und da höher, und rollen ein paar Kilometer südlich von hier über die Spitze einer Sandbank. Der Wind geht leicht auflandig, trotzdem ist das um Welten besser, als weiter an der Swell herumzuwerkeln.

      Eine runzlige alte Tica mit einem breiten Lächeln im Gesicht, die an der Straße grüne Mangos verkauft, signalisiert mir, dass ich meine Tasche bei ihr lassen kann. Ich kaufe ihr eine Mango ab, und wir unterhalten uns eine Weile. Dann der in Costa Rica übliche Gruß »¡Pura vida!«, und ich sprinte über den heißen schwarzen Sand, paddle durch suppig braunes Wasser und bin ganz allein im Mündungsbereich. Ein paar kleinere Drops und Turns, und mein Stimmungstief ist überwunden – nur zwischen den Sets sitzt mir die To-do-Liste im Nacken und fühlt sich an wie ein schlimmer Kater.

      Als ich ein paar Stündchen später an der Straße zurücklaufe, hoffe ich auf einen Bus oder ein Taxi, das mich zurückbringen kann. Ein paar Kerle pfeifen mir aus ihren Trucks hinterher, andere fahren einfach vorbei: Familien auf Sonntagsausflug. Ich laufe weiter in Richtung Werft, nehme das Board mal in die eine, mal in die andere Hand, um die Blutzirkulation in Gang zu halten. Vor mir an der Straße parkt ein einsamer Traktor. Ein schwarzer Tico Mitte vierzig sitzt auf dem Fahrersitz.

      »Was läufst du denn hier lang?«, ruft er mir im unüberhörbar karibischem Zungenschlag und mit einem Augenzwinkern zu.

      »Bin auf dem Heimweg«, sage ich. »Und was sitzt du hier in diesem Traktor?« Ich setze mich kurz in den Schatten des Gefährts.

      »Ich passe darauf auf. Bis sechs Uhr. Ich bin Charlie, und du?«

      »Liz.«

      »Allein unterwegs?«

      »Ja.«

      »Verheiratet?«

      »Nein.«

      »Warum nicht?«

      »Keine Ahnung, vielleicht noch nicht den Richtigen getroffen.«

      »Hör mal, Mädchen, du suchst dir besser schleunigst einen Ehemann, sonst wirst du noch alt, und keiner schaut dich mehr an«, sagt er, kichert und bleckt sein lückenhaftes Gebiss. »Willst du mich heiraten?«

      »Nee, aber danke, Charlie.«

      »Ach, liegt ja bloß daran, dass ich alt und hässlich bin.« Er wirft den Kopf in den Nacken und lacht lauthals. Ich muss ebenfalls lachen.

      »Danke, Charlie«, sage ich und stehe auf. »Das hab ich jetzt gebraucht.«

      »Mädchen, du musst lernen, immer weiterzulachen! Anders überlebt man doch nicht!«

      Ich schüttle ihm zum Abschied die schwielige Hand und mache mich auf den Rückweg. Weiterlachen. Immer weiterlachen.

       Vater und Tochter

      Ich

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