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Träume, dem Schläfer gesandt, um ihn zu warnen oder ihm die Zukunft zu verkünden, von eitlen, trügerischen und nichtigen, deren Absicht es war, ihn in die Irre zu führen oder ins Verderben zu stürzen.

      Die Traumlehre der Alten. – Artemidorus.

      Gruppe (Griechische Mythologie und Religionsgeschichte, p. 390) gibt eine solche Einteilung der Träume nach Makrobius und Artemidoros wieder: »Man teilte die Träume in zwei Klassen. Die eine sollte nur durch die Gegenwart (oder Vergangenheit) beeinflußt, für die Zukunft aber bedeutungslos sein; sie umfaßte die ἐνύπνια, insomnia, die unmittelbar die gegebene Vorstellung oder ihr Gegenteil wiedergeben, z. B. den Hunger oder dessen Stillung, und die φαντάσματα, welche die gegebene Vorstellung phantastisch erweitern, wie z. B. der Alpdruck, Ephialtes. Die andere Klasse dagegen galt als bestimmend für die Zukunft; zu ihr gehören: 1. die direkte Weissagung, die man im Traume empfängt (χρηματισμός, oraculum), 2. das Voraussagen eines bevorstehenden Ereignisses (ὅραμα, visio), 3. der symbolische, der Auslegung bedürftige Traum (ὄνειρος, somnium). Diese Theorie hat sich viele Jahrhunderte hindurch erhalten.«

      Mit dieser wechselnden Einschätzung der Träume stand die Aufgabe einer »Traumdeutung« im Zusammenhange. Da man von den Träumen im allgemeinen wichtige Aufschlüsse erwartete, aber nicht alle Träume unmittelbar verstand und nicht wissen konnte, ob nicht ein bestimmter unverständlicher Traum doch Bedeutsames ankündigte, war der Anstoß zu einer Bemühung gegeben, welche den unverständlichen Inhalt des Traumes durch einen einsichtlichen und dabei bedeutungsvollen ersetzen konnte. Als die größte Autorität in der Traumdeutung galt im späteren Altertum Artemidoros aus Daldis, dessen ausführliches Werk uns für die verloren gegangenen Schriften des nämlichen Inhaltes entschädigen muß(5).

      Die vorwissenschaftliche Traumauffassung der Alten stand sicherlich im vollsten Einklange mit ihrer gesamten Weltanschauung, welche als Realität in die Außenwelt zu projizieren pflegte, was nur innerhalb des Seelenlebens Realität hatte. Sie trug überdies dem Haupteindruck Rechnung, welchen das Wachleben durch die am Morgen übrigbleibende Erinnerung von dem Traume empfängt, denn in dieser Erinnerung stellt sich der Traum als etwas Fremdes, das gleichsam aus einer anderen Welt herrührt, dem übrigen psychischen Inhalt entgegen. Es wäre übrigens irrig zu meinen, daß die Lehre von der übernatürlichen Herkunft der Träume in unseren Tagen der Anhänger entbehrt; von allen pietistischen und mystischen Schriftstellern abgesehen – die ja recht daran tun, die Reste des ehemals ausgedehnten Gebietes des Übernatürlichen besetzt zu halten, solange sie nicht durch naturwissenschaftliche Erklärung erobert sind –, trifft man doch auch auf scharfsinnige und allem Abenteuerlichen abgeneigte Männer, die ihren religiösen Glauben an die Existenz und an das Eingreifen übermenschlicher Geisteskräfte gerade auf die Unerklärbarkeit der Traumerscheinungen zu stützen versuchen (Haffner). Die Wertschätzung des Traumlebens von Seite mancher Philosophenschulen, z. B. der Schellingianer, ist ein deutlicher Nachklang der im Altertum unbestrittenen Göttlichkeit des Traumes, und auch über die divinatorische, die Zukunft verkündende Kraft des Traumes ist die Erörterung nicht abgeschlossen, weil die psychologischen Erklärungsversuche zur Bewältigung des angesammelten Materials nicht ausreichen, so unzweideutig auch die Sympathien eines jeden, der sich der wissenschaftlichen Denkungsart ergeben hat, zur Abweisung einer solchen Behauptung hinneigen mögen.

      Eine Geschichte unserer wissenschaftlichen Erkenntnis der Traumprobleme zu schreiben, ist darum so schwer, weil in dieser Erkenntnis, so wertvoll sie an einzelnen Stellen geworden sein mag, ein Fortschritt längs gewisser Richtungen nicht zu bemerken ist. Es ist nicht zur Bildung eines Unterbaues von gesicherten Resultaten gekommen, auf dem dann ein nächstfolgender Forscher weitergebaut hätte, sondern jeder neue Autor faßt die nämlichen Probleme von neuem und wie vom Ursprung her wieder an. Wollte ich mich an die Zeitfolge der Autoren halten und von jedem einzelnen im Auszug berichten, welche Ansichten über die Traumprobleme er geäußert, so müßte ich darauf verzichten, ein übersichtliches Gesamtbild vom gegenwärtigen Stande der Traumerkenntnis zu entwerfen; ich habe es darum vorgezogen, die Darstellung an die Themata anstatt an die Autoren anzuknüpfen und werde bei jedem der Traumprobleme anführen, was an Material zur Lösung desselben in der Literatur niedergelegt ist.

      Da es mir aber nicht gelungen ist, die gesamte, so sehr verstreute und auf anderes übergreifende Literatur des Gegenstandes zu bewältigen, so muß ich meine Leser bitten, sich zu bescheiden, wenn nur keine grundlegende Tatsache und kein bedeutsamer Gesichtspunkt in meiner Darstellung verloren gegangen ist.

      Bis vor kurzem haben die meisten Autoren sich veranlaßt gesehen, Schlaf und Traum in dem nämlichen Zusammenhange abzuhandeln, in der Regel auch die Würdigung analoger Zustände, welche in die Psychopathologie reichen, und traumähnlicher Vorkommnisse (wie der Halluzinationen, Visionen usw.) anzuschließen. Dagegen zeigt sich in den jüngsten Arbeiten das Bestreben, das Thema eingeschränkt zu halten und etwa eine einzelne Frage aus dem Gebiete des Traumlebens zum Gegenstand zu nehmen. In dieser Veränderung möchte ich einen Ausdruck der Überzeugung sehen, daß in so dunklen Dingen Aufklärung und Übereinstimmung nur durch eine Reihe von Detailuntersuchungen zu erzielen sein dürften. Nichts anderes als eine solche Detailuntersuchung, und zwar speziell psychologischer Natur, kann ich hier bieten. Ich hatte wenig Anlaß, mich mit dem Problem des Schlafes zu befassen, denn dies ist ein wesentlich physiologisches Problem, wenngleich in der Charakteristik des Schlafzustandes die Veränderung der Funktionsbedingungen für den seelischen Apparat mitenthalten sein muß. Es bleibt also auch die Literatur des Schlafes hier außer Betracht.

      Beziehung zum Wachleben.

      Das wissenschaftliche Interesse an den Traumphänomenen an sich führt zu den folgenden, zum Teil ineinanderfließenden Fragestellungen:

      a) Beziehung des Traumes zum Wachleben.

      Das naive Urteil des Erwachten nimmt an, daß der Traum – wenn er schon nicht aus einer anderen Welt stammt – doch den Schläfer in eine andere Welt entrückt hatte. Der alte Physiologe Burdach, dem wir eine sorgfältige und feinsinnige Beschreibung der Traumphänomene verdanken, hat dieser Überzeugung in einem vielbemerkten Satze Ausdruck gegeben (p. 474): ». . . nie wiederholt sich das Leben des Tages mit seinen Anstrengungen und Genüssen, seinen Freuden und Schmerzen, vielmehr geht der Traum darauf aus, uns davon zu befreien. Selbst wenn unsere ganze Seele von einem Gegenstand erfüllt war, wenn tiefer Schmerz unser Inneres zerrissen oder eine Aufgabe unsere ganze Geisteskraft in Anspruch genommen hatte, gibt uns der Traum entweder etwas ganz Fremdartiges oder er nimmt aus der Wirklichkeit nur einzelne Elemente zu seinen Kombinationen oder er geht nur in die Tonart unserer Stimmung ein und symbolisiert die Wirklichkeit.« – J. H. Fichte (I, 541) spricht im selben Sinne direkt von Ergänzungsträumen und nennt diese eine von den geheimen Wohltaten selbstheilender Natur des Geistes. In ähnlichem Sinne äußert sich noch L. Strümpell in der mit Recht von allen Seiten hochgehaltenen Studie über die Natur und Entstehung der Träume (p. 16): »Wer träumt, ist der Welt des wachen Bewußtseins abgekehrt« . . . (p. 17): »Im Traume geht das Gedächtnis für den geordneten Inhalt des wachen Bewußtseins und dessen normales Verhalten so gut wie ganz verloren« . . . (p. 19): »Die fast erinnerungslose Abgeschiedenheit der Seele im Traume von dem regelmäßigen Inhalt und Verlaufe des wachen Lebens« . . . .

      Die überwiegende Mehrheit der Autoren hat aber für die Beziehung des Traumes zum Wachleben die entgegengesetzte Auffassung vertreten. So Haffner (p. 19): »Zunächst setzt der Traum das Wachleben fort. Unsere Träume schließen sich stets an die kurz zuvor im Bewußtsein gewesenen Vorstellungen an. Eine genaue Beobachtung wird beinahe immer einen Faden finden, in welchem der Traum an die Erlebnisse des vorhergehenden Tages anknüpfte.« Weygandt (p. 6) widerspricht direkt der oben zitierten Behauptung Burdachs, »denn es läßt sich oft, anscheinend in der überwiegenden Mehrzahl der Träume beobachten, daß dieselben uns gerade ins gewöhnliche Leben zurückführen, statt uns davon zu befreien.« Maury (p. 56) sagt in seiner knappen Formel: »Nous rêvons de ce que nous avons vu, dit, desiré ou fait«; Jessen in seiner 1855 erschienenen Psychologie (p. 530) etwas ausführlicher: »Mehr oder weniger wird der Inhalt der Träume stets bestimmt durch die individuelle Persönlichkeit, durch das Lebensalter, Geschlecht, Stand, Bildungsstufe, gewohnte Lebensweise und durch die

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