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Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten. Jeremias Gotthelf
Читать онлайн.Название Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten
Год выпуска 0
isbn 9788075837202
Автор произведения Jeremias Gotthelf
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
So ging es dem Hans Berner bei gar manchem Hause. Das freute ihn sehr und machte ihn fast stolz und mit Recht. Das ist der gerechte Lohn, den ein Ehrenmann in seinem Alter einzuziehen hat, und da zeigt es sich, daß der brave Mann geachtet wird auf der Welt und nicht der Großhans und nicht der Windbeutel; und ein Kommis hätte zweispännig und vergoldet vors Haus fahren können, zu diesem Metzger hätte man ihn nicht in die Stube kommen heißen.
So wanderte er den ganzen Tag und ward müde, denn es war heiß geworden, und im Frühjahr geht es sich immer etwas mühselig; so kehrte er im spätern Nachmittag in ein Wirtshaus ein ungefähr zwei Stunden von seiner Heimat, da wollte er ruhen und die Kühle erwarten. Hans Berner fühlte, daß er nicht mehr zwanzigjährige Beine habe. Auch da erregte sein Kommen große Freude. Wirt und Wirtin kamen herbei, reichten ihm die Hand und klagten, sie hätten geglaubt, er wolle niemals mehr zu ihnen kommen, sie hätten recht Langeweile gehabt nach ihm. Sie führten ihn in ein heimeliges Stübchen, frugen ihn, was er befehle; was öppe möglich sei, das müsse er haben, und wenn er vor dem Essen ein wenig schlafen wolle, so wäre es ruhig hier, und das Ruhbett sei auch nicht schlecht. So war Hans Berner da abermals wie ein Vogel im Hirse, und, wo ein Mann allenthalben so empfangen wird, da muß er wohl den Glauben fassen, er sei auch etwas. Und das ist allerdings eine große Gewalt, wenn einer vermag, an allen Orten zu sein wie daheim und allenthalben aufgenommen zu werden wie ein Vater oder Bruder. Es gibt Leute, die sind nirgends daheim, und allenthalben findet man sie am Rücken schöner als im Gesicht; unter diese gehören namentlich die eingebildeten Fratzen, welche sich über Gott und Menschen hinausgewachsen glauben.
Wirt oder Wirtin und manchmal beide leisteten ihm Gesellschaft, das war Hans Berner lieb. Was ihnen wichtig war, war auch ihm wichtig, ihre Gedanken begegneten sich auf den gleichen Feldern, und einer lernte vom andern. Wenn verständige Männer sich in einem Wirtshause treffen, so entsteht da ein gegenseitiger Unterricht, welchen man häufig zu gering schätzt, und eben weil man ihn gering schätzt, lernt man nichts vom Leben und weiß höchstens etwas aus seinem Fach. Aber das ist eben das Zeichen der beschränkten Leute, daß sie nur Sinn für ihre Sache haben, daß ihre Gedanken nur auf einem Felde weiden; wessen Gedanken nun nicht an den gleichen Stengeln nagen, den finden sie tief unter sich, verachten ihn, mögen ihm das Maul nicht gönnen, finden ihn langweilig, dumm, altväterisch usw. Als so Hans Berner wohlgemut am Tische saß hinter einem guten Fisch und einer guten Flasche, der Wirtin es brachte und den Wirt ein eigenes Glas nehmen, mit ihm trinken hieß und daneben redete vom Unschlitt, und warum die Kühe abschlagen müßten, fuhr mit hellem Geklingel ein schönes Chaischen vor, und mit einem Fluche fuhr Hans Berner vom Ruhbett auf. »Sind das nicht Eure Söhne, Herr Ratsherr?« frug die Wirtin; »die werden Euch holen wollen?« »Ja, schön«, sagte Hans Berner, »die meinen, ich sei oben aus, nehmen mein Roß und fahren unten aus. Es ist mir leid, daß ichs sagen muß, aber man hat heutzutage nur Verdruß von den Kindern; großtun, das ist ihre Kunst, und sonst ists, helf Gott, nichts mit ihnen, aber denen will ich es weisen, die müssen auch wissen, was Zufußgehen ist.«
»Wie schöne Herren das sind!« sagte die Wirtin, »sie sind dem Herrn Ratsherr wie aus den Augen geschnitten. Soll ich ihnen sagen, daß Ihr auch da seid?« »Bei Leib und Sterben nicht«, sagte Hans Berner, »und verbietet es allen Euren Leuten! Dem Spiel will ich einmal zusehen, so weiß ich doch, woran ich bin.« Während die Wirtin hinausging, die Herren zu empfangen, ärgerte er sich an dem schönen Chaischen, was sie geliehen hatten, weil das seine ihnen zu schlecht war, am schweißbedeckten Fuchs, an den Buben selbst, welche die Stubenmagd jagten, statt dem Fuchs nach in den Stall zu gehen, um nachzusehen, daß er recht besorgt werde. Darauf polterten sie durchs Haus, als ob eine Schwadron Dragoner einrückte, und quartierten sich in die Nebenstube ein, bestellten ein Essen, und auf die Frage des Wirts, was sie für Wein befehlen, frugen sie nach dem Neuenburger, von welchem die Flasche achtzehn Batzen koste; wenn er noch von dem hätte, so sollte er ein paar Flaschen bringen.
Das juckte den Vater in beiden Händen. Er hatte mit dem Wirt eine Flasche achtbatzigen getrunken und lange Komplimente gemacht, ehe er dem Wirte erlaubte, Zapfenwein zu bringen, wo die Flasche vielleicht sechs Batzen kostete, und seine Buben begannen mit Neuenburger, die Flasche um achtzehn Batzen. Doch hielt er sich stille hinter seiner Bretterwand, sah durch ein Astloch, wie sie behaglich ausgestreckt auf Sesseln und Ruhbett lagen, hörte, wie die erste Flasche knallte, wie sie einschenkten, dann Gericht hielten, obs vom rechten sei oder nicht. Als sie damit im reinen waren, legten sie sich behaglich zurück, und Sämeli sagte: »Wo stolpert wohl unser Alter herum und schwitzt wie ein Bär? Wohl, wenn der wüßte, wie der Fuchs hat springen müssen, es würde ein Donnerwetter absetzen.« »Ich glaube es auch«, sagte Fritz, »und es ist gut, daß er es nicht weiß. Aber wenn er drNarr machen will, so mache er! Unterdessen wollen wir uns wohlsein lassen, heutzutage macht es ein jeder, wie es ihn freut. Was würde er zum Nauenburger sagen?« »Ho!« sagte Sämeli, »er würde uns vielleicht die Flaschen um den Kopf schlagen, wie er schon manchmal getan hätte, wenn er dazugekommen wäre; aber er weiß nicht alles, und wenn er einmal an der Ruh ist – und lange geht das nicht, es dünkt mich, er falle gar aus den Kleidern – so wollen wir dann eine andere Ordnung einführen, und das muß anders gehen.«
Und nun begannen sie ihre Luftschlösser zu bauen, lang gehegte Gedanken wurden zu Worten, und hinter der Bretterwand saß der Vater mit bleichem Gesicht, denn, was jetzt aus den Herzen der Söhne herauskam, das hatte er doch nicht darin gesucht. Auf seinen Tod bauten sie ihre Pläne; gleich nach demselben sollte ein neues Leben angehen. Fritz wollte das Handwerk aufgeben, mit Sämeli eine Handlung anfangen, aber was für eine, das wußten sie nicht. Sie wollten ein neues Haus an einer Hauptgasse bauen, ein anderes auf dem Lande, wollten Equipage halten, gute Tafel, guten Keller, ein schönes Eingericht allenthalben, wollten dabei nichts tun als lustig leben, höchstens hie und da ein Profitchen machen und jemand tüchtig übers Ohr hauen. Sie rechneten dem Vater sein Vermögen nach, und was es erleiden möchte, und fast lächerte es noch den Vater, wie sie doch von manchem, das er besaß, nichts wußten. Es ist gut so, dachte er, wie würden die erst tun, wenn sie alles wüßten! Sie rechneten ihm seinen Verbrauch nach und fanden, wenn man nicht drNarr machen wolle mit andern Leuten, so könnte man dsHalb besser für sich leben. Sie schimpften über ihren großen Hausverbrauch, über der Mutter Wohltätigkeit, über seine Freigebigkeit; wenn sie einmal das Heft in Händen hätten, so sollte das anders gehen. Den Diensten müßte alles knapper zugemessen sein, und mit den Bettlern, unter welche sie jeden Armen rechneten, wollten sie kurzen Prozeß machen ein- für allemal. Sie wollten wetten, sagten sie, wenn man rechne, was so verschleudert würde, so fände man, daß man dafür das ganze Jahr durch zwei Pferde würde halten können und allemal, wenn man ausfahre, flott leben. Das begriffen die Alten nicht, und der Alte laufe zu Fuß in der Welt herum, trinke ein schlechtes Kaffee, um einen Schoppen zu ersparen, und wenn es Wein sein müsse, so trinke er sechsbatzigen, wo die Fässer zerfresse, wenn man ihn mehr als ein Jahr darin hätte, und dann meine der alte Narr, wie er hause, und begreife nicht, daß er sein Geld nicht könne spielen lassen, daß er eigentlich ein Verschwender sei und dsHalb