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Sprechstunde steht jedem offen, kommen Sie einfach vorbei«, antwortete Danny freundlich.

      »Wir gehen noch auf ein Bier ins Ritterstübel, kommst du mit, Daniel?«, fragte Thomas.

      »Gern«, sagte Danny. Er wusste, wie wichtig es für ein Team war auch außerhalb des Sports in Kontakt zu bleiben.

      »Ich komme auch mit«, sagte Korbinian und schloss sich den anderen an, nachdem sie die Pfeile in die Aufbewahrungskammer zurückgebracht und sich alle von Reinhold verabschiedet hatten.

      *

      Das Ritterstübel nur ein paar Minuten vom Sportgelände entfernt war das Vereinslokal der Bogenschützen. Die Einrichtung erinnerte an ein Gasthaus im Mittelalter. Grauer Steinboden, längliche Tische und Bänke aus dunklem Holz, eine rustikale Theke, Gemälde von mittelalterlichen Burgen an den unverputzten Natursteinwänden.

      Über dem mit roten Steinen ummauerten offenen Kamin hing ein Bogen aus hellem Holz, der laut dem in Messing gerahmten Schild darunter aus dem 14. Jahrhundert stammte. Beleuchtet wurde der Raum von Wandlampen, die in ihrer Form an Fackeln erinnerten und ein orangefarbenes Licht verbreiteten.

      »Als Bogenschützen haben wir doch alle einen Bezug zu dieser Zeit«, stellte Thomas schmunzelnd fest, nachdem sie an dem Tisch Platz genommen hatten, der für die Bogenschützen des Vereins reserviert war.

      »Ritter gelten auch noch in der heutigen Gesellschaft etwas. Wenn wir von einem Mann behaupten, dass sein Benehmen ritterlich sei, dann sehen wir darin etwas Positives«, sagte Korbinian.

      »Ritter stehen für Schutz, Treue und ehrenhaftes Benehmen«, meldete sich Thorsten zu Wort.

      »Oder für Mord und Totschlag. Wir sollten die Eroberungszüge vergangener Zeiten nicht vergessen. Einige Ritter waren echt brutal und nur auf Macht aus«, erklärte Paul nachdenklich.

      »Es wird immer Menschen geben, die nach Macht streben, daran wird sich vermutlich auch in Zukunft nichts ändern. Aber es gibt auch die anderen, die Robin Hoods, diejenigen, die in vergangenen Zeiten mit Pfeil und Bogen für die Armen gekämpft haben und sich heute mit Worten für eine gerechtere Welt einsetzen«, entgegnete Thomas.

      »Stoßen wir auf die Gerechten unserer Welt an«, sagte Thorsten als ihnen die Bedienung, eine Frau Anfang dreißig, in langem Rock und weißer Bluse mit Puffärmeln, die Tonkrüge mit dem Dunkelbier, das sie bestellt hatten, brachte.

      »Auf das Gute in der Welt«, schloss sich Korbinian an. »Was ist mit dir?«, wandte er sich an Paul, nachdem sie alle miteinander angestoßen hatten und der sonst stets gut gelaunte Kraftfahrzeugmechaniker gedankenverloren ins Leere starrte.

      »Ich glaube, Mia hat das Interesse an mir verloren. Ich bin nicht mehr der edle Ritter, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte, wie sie bei unserer Hochzeit gesagt hat«, erzählte Paul mit einem tiefen Seufzer.

      »Wie kommst du denn darauf?«, wunderte sich Thomas.

      »Sie ist nur noch genervt oder müde, wenn wir zusammen sind. Sie geht jeden Abend früh schlafen, und morgens kommt sie nicht aus dem Bett. Ich denke, sie will mir aus dem Weg gehen.«

      »Hattet ihr Streit?«, wollte Korbinian wissen.

      »Nein, nicht wirklich, ein paar Meinungsverschiedenheiten, so wie sie alle Paare haben, die schon länger zusammenleben. Ich dachte erst, dass ihr Zustand etwas mit ihrer Schilddrüsenunterfunktion zu tun hat, aber das ist es wohl nicht. Sie war erst neulich bei ihrer Ärztin, und die meinte, dass alle Werte im grünen Bereich seien und sie die Medikamentendosis nicht erhöhen müsse. Das kann dann also nicht der Grund sein, dass wir uns allmählich entfremden.«

      »Was sagt denn Mia dazu?«, fragte Thomas.

      »Nicht viel, nur, dass ihr alles zu viel sei und sie keine Lust mehr auf gar nichts hat. Auch ihre Arbeit im Reisebüro scheint ihr keinen Spaß mehr zu machen. Ich denke, sie hat genug von ihrem bisherigen Leben und will etwas Neues erleben, und zwar ohne mich, ohne den Mann, den sie schon so lange kennt.«

      »Ich will ungern Verwirrung stiften, aber diese extreme Müdigkeit deiner Frau, die du gerade geschildert hast, kann durchaus eine medizinische Ursache haben«, meldete sich Danny zu Wort.

      »Aber die Ärztin meinte, Mia sei gesund.«

      »Vielleicht sollte Mia einen Arztwechsel in Betracht ziehen«, sagte Thomas.

      »Sie ist mit ihrer Ärztin aber zufrieden. Sie geht schon seit ihrer Kindheit zu ihr, und sie vertraut ihr. Ich finde sie allerdings inzwischen ein bisschen schrullig, und ich werde es nicht bedauern, wenn sie im nächsten Jahr in den Ruhestand geht. Nimmst du denn noch neue Patienten auf?«, wandte sich Paul an Danny.

      »Wir haben noch Kapazitäten«, sagte Danny.

      »Das liegt daran, dass sie in der Praxis Norden äußerst effizient arbeiten. Während der Herr Doktor sich Zeit für seine Patienten nimmt, kümmern sich Sophia und Lydia um einen reibungslosen Ablauf in der Praxis. Zumindest hat mir Valentina das so erzählt«, sagte Korbinian.

      »Vielleicht könnte Valentina Mia dazu bringen, dass sie demnächst einmal zu Daniel in die Sprechstunde geht. Möglicherweise steckt doch mehr hinter dieser Müdigkeit als eine stetig wachsende Abneigung gegen mich.«

      »Ich werde Valentina bitten, mit Mia zu reden«, versprach Korbinian Paul.

      »Danke, es wäre wirklich schön, wenn ich Mia nicht verlieren würde«, sagte Paul leise und trank einen großen Schluck aus seinem Bierkrug. »Aber genug gejammert. Stellen wir einen Trainingsplan auf, schließlich sind wir hier, weil wir uns als Team finden wollen«, lenkte er das Gespräch auf ein anderes Thema.

      »Du hast recht, sprechen wir über den Wettbewerb«, stimmte Korbinian Paul zu und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.

      Danny waren die Männer, die sich über seine Unterstützung freuten, alle sympathisch. Als er sich nach einer Stunde von ihnen verabschiedete, war ihm klar, dass er es nicht bereute, dass er in Korbinians Vorschlag eingewilligt hatte.

      Auf dem Heimweg kam er am Haus der Mais vorbei. Nur hinter einem Fenster konnte er noch Licht brennen sehen. Es war Olivias Schlafzimmer. Er dachte daran, sie anzurufen, weil er sich in diesem Moment danach sehnte, ihre Stimme zu hören. Aber schließlich wagte er es nicht, diesem Verlangen nachzugeben, weil es etwas bedeutet hätte, und noch war er nicht soweit ihrer Beziehung diese Bedeutung zuzugestehen.

      *

      Als er am nächsten Morgen in die Küche kam, stand Valentina in ihrer rotweißgestreiften Schürze am Herd. Gekonnt schleuderte sie den Eierkuchen in die Luft, den sie für ihn zubereitete, fing ihn mit der Pfanne wieder auf, um ihn auf der anderen Seite leicht anzubräunen.

      »Einen wunderschönen guten Morgen, Valentina, und ich bin echt beeindruckt«, sagte er und schaute auf die Pfanne.

      »Jahrelange Übung«, antwortete sie lächelnd und schob die Brille, die ihr von der Nase zu rutschen drohte, wie einen Haarreif in ihr kurzes weißblondes Haar. »Wie ich gehört habe, ist Ihr erstes Treffen mit den Bogenschützen ausgesprochen gut verlaufen«, sagte sie, nachdem sich Danny an den Tisch gesetzt hatte, auf dem schon eine Kanne mit Kaffee und ein Körbchen mit frischen Brötchen standen.

      »Ich war selbst überrascht, dass ich noch einigermaßen mithalten konnte.«

      »Geh, Herr Doktor, mithalten, Sie waren wirklich gut, wie mir mein Korbinian mehrfach versichert hat«, sagte Valentina und brachte ihm den Teller mit den Pfannkuchen, den sie mit Frisch­käse bestrichen, zusammengerollt und mit frischen Kräutern garniert hatte. So wie Danny ihn zum Frühstück mochte.

      »Vielleicht war es nur Anfängerglück. Warten wir mal ab, wie das zweite Training verläuft.« Danny wollte vermeiden, dass das Team auf die Idee kam, er könnte ihnen doch noch zum Sieg im Wettbewerb verhelfen. Zumal während des Trainings nicht der gleiche Druck aufgebaut wurde wie am Tag des Wettbewerbs.

      »Wenn Sie sich etwas vornehmen, dann klappt das auch«, zeigte sich Valentina zuversichtlich. »Was meinst du, Ortrud?«, wandte sie sich an die Katze,

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