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Der letzte Mensch. Mary Shelley
Читать онлайн.Название Der letzte Mensch
Год выпуска 0
isbn 9783159618371
Автор произведения Mary Shelley
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Derweil konnte mein vergessener Vater nicht vergessen. Er trauerte um den Verlust dessen, was ihm notwendiger war als Luft oder Nahrung – die Aufregung des Vergnügens, die Bewunderung der Edlen, das luxuriöse und geschliffene Leben der Großen. Ein Nervenfieber war die Folge, während dem er von der Tochter eines armen Häuslers gepflegt wurde, unter dessen Dach er wohnte. Sie war lieblich, sanft und außerdem freundlich zu ihm; auch kann es nicht verwundern, dass das frühere Idol der adligen Schönheit, selbst in seinem gefallenen Stande, dem niederen Häusler-Mädchen als ein Wesen von höherer und bewunderungswürdiger Art erscheinen sollte. Die Verbindung zwischen ihnen führte zu der unglückseligen Ehe, deren Spross ich war.
Trotz der Zärtlichkeit und Sanftheit meiner Mutter beklagte ihr Ehemann noch immer seinen herabgewürdigten Stand. Nicht an körperliche Arbeit gewöhnt, wusste er nicht, auf welche Weise er zum Unterhalt seiner wachsenden Familie beitragen könnte. Zuweilen dachte er daran, sich an den König zu wenden; Stolz und Scham hielten ihn für eine Weile zurück; und ehe seine Bedürfnisse so dringlich wurden, dass sie ihn zu irgendeiner Betätigung zwangen, starb er. Für eine kurze Zeitspanne vor diesem Unglück blickte er in die Zukunft und betrachtete voller Angst die verzweifelte Lage, in der er seine Frau und seine Kinder zurücklassen würde. Seine letzte Bemühung war ein Brief an den König, voll berührender Beredsamkeit und gelegentlichem Aufblitzen jenes brillanten Geistes, der ein wesentlicher Teil von ihm war. Er überantwortete seine Witwe und Waisen der Freundschaft seines königlichen Gebieters und war es zufrieden, dass auf diese Weise ihr Wohlstand nach seinem Tode besser gesichert war als in seinem Leben. Dieser Brief wurde der Fürsorge eines Adligen anvertraut, der ohne Zweifel dieses letzte leichte Amt auf sich nehmen würde, ihn dem König in die Hand zu legen.
Er starb verschuldet, und sein geringes Vermögen wurde sogleich von seinen Gläubigern beschlagnahmt. Meine Mutter, mittellos und mit der Bürde zweier Kinder belastet, harrte Woche für Woche und Monat für Monat in gespannter Erwartung auf eine Antwort, die nie kam. Sie hatte nie etwas anderes gekannt als die Hütte ihres Vaters; und das Herrenhaus des Gutsherrn war die vornehmste Art von Großartigkeit, die sie sich vorstellen konnte. Während mein Vater noch am Leben gewesen war, hatte er sie mit den Namen der Königsfamilie und des höfischen Kreises vertraut gemacht; aber solche Dinge, die nicht mit ihrer persönlichen Erfahrung übereinstimmten, erschienen ihr nach dem Verlust dessen, der ihnen Inhalt und Wirklichkeit eingehaucht hatte, vage und phantastisch. Wenn sie unter den gegebenen Umständen auch genügend Mut aufgebracht hätte, sich an die von ihrem Ehemann erwähnten adligen Personen zu wenden, so brachte sie doch der Misserfolg seines eigenen Ansuchens dazu, die Idee zu verbannen. Sie sah daher keinen Ausweg aus der bitteren Not: Ihre fortwährende Sorge, verbunden mit der Trauer um den Verlust des außergewöhnlichen Wesens, das sie weiterhin mit feuriger Bewunderung betrachtete, die harte Arbeit und ihre von Natur aus empfindliche Gesundheit erlösten sie schließlich von der traurigen Endlosigkeit des Mangels und Elends.
Die Lage ihrer verwaisten Kinder war besonders trostlos. Ihr eigener Vater war Emigrant aus einem anderen Landesteil gewesen und schon lange gestorben; sie hatten keinen einzigen Verwandten, der sich ihrer angenommen hätte; sie waren Ausgestoßene, Arme, freundlose Wesen, denen nur das dürftigste Almosen zugestanden wurde, und die nicht einmal als Kinder von Bauern behandelt wurden, sondern als ärmer noch als jener Ärmste galten, der sie im Sterben der knauserigen Wohltätigkeit des Landes als ein undankbares Vermächtnis hinterlassen hatte.
Ich, der Ältere der beiden, war fünf Jahre alt, als meine Mutter starb. Eine Erinnerung an die Reden meiner Eltern und die Botschaften, die meine Mutter mir in Bezug auf die Freunde meines Vaters mitzuteilen versuchte, in der vagen Hoffnung, dass ich eines Tages von dem Wissen profitieren könnte, schwebte wie ein undeutlicher Traum durch meinen Verstand. Ich stellte mir vor, dass ich anders und meinen Beschützern und Gefährten überlegen sei, aber ich wusste nicht, inwiefern oder weswegen. Das Gefühl der Verletzung, verbunden mit dem Namen des Königs und der Adligen, hing mir an; aber ich konnte aus jenen Gefühlen keine Schlüsse ziehen, die mir als Anleitung zum Handeln hätten dienen können. Mein erstes wirkliches Wissen über mich selbst besagte, dass ich ein schutzloses Waisenkind in den Tälern und Bergen Cumberlands war. Ich stand im Dienste eines Bauern; und mit einem Stab in der Hand und meinem Hund an meiner Seite hütete ich eine große Schafherde im nahen Hochland. Ich kann nicht viel Gutes über ein solches Leben sagen, und seine Qualen überstiegen bei Weitem seine Freuden. Es lag Freiheit darin, eine Gemeinschaft mit der Natur und eine sorglose Einsamkeit; aber diese, so romantisch sie waren, stimmten nicht mit dem Tätigkeitsdrang und dem Verlangen nach menschlicher Zuneigung überein, die charakteristisch für die Jugend sind. Weder die Aufsicht über meine Herde noch der Wechsel der Jahreszeiten genügten, um meinen regen Geist zu zähmen; mein Leben im Freien und die beschäftigungslose Zeit waren die Versuchungen, die mich früh zu gesetzlosen Gewohnheiten führten. Ich verband mich mit anderen, die wie ich ohne Freunde waren; ich formte sie zu einer Bande, ich war ihr Anführer und Hauptmann. Wir waren alle Hirtenknaben, und während unsere Herden über die Weiden verteilt waren, planten und verübten wir so manchen Schelmenstreich, der uns die Wut und die Rache der Bauern zuzog. Ich war der Anführer und Beschützer meiner Kameraden, und da ich ihnen vorstand, wurden ihre Missetaten gewöhnlich mir angelastet. Doch indem ich heldenmütig Bestrafung und Schmerz in ihrer Verteidigung ertrug, beanspruchte ich als Belohnung Lob und Gehorsam.
In einer solchen Schule erhielt ich einen rauen, aber standhaften Charakter. Der Hunger nach Bewunderung und die geringe Fähigkeit zur Selbstbeherrschung – Eigenschaften, die ich von meinem Vater geerbt hatte, und welche von den Widrigkeiten genährt wurden –, machten mich wagemutig und leichtsinnig. Ich war roh wie die Elemente und ungebildet wie die Tiere, die ich hütete. Ich verglich mich oft mit ihnen, und als ich feststellte, dass meine Hauptüberlegenheit in der Macht bestand, überzeugte ich mich bald, dass es nur die Machtfülle war, bezüglich derer ich den größten Potentaten der Erde unterlegen war. So unbeleckt von hoher Philosophie und von dem unruhigen Gefühl verfolgt, unter meine wahre gesellschaftliche Stellung erniedrigt zu sein, wanderte ich in den Hügeln des zivilisierten Englands umher, ein ebenso ungeschliffener Wilder wie der wolfsgesäugte Gründer des alten Roms. Ich kannte nur ein