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Der letzte Mensch. Mary Shelley
Читать онлайн.Название Der letzte Mensch
Год выпуска 0
isbn 9783159618371
Автор произведения Mary Shelley
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er richtete seine scharfen Augen auf mich, und mein unkontrollierbares Herz schwoll in meiner Brust. Ich antwortete mit ruhiger Stimme – aber wie weit von der Ruhe entfernt war der Gedanke, der aus meinen ruhigen Worten sprach – »Niemals! Ich kann niemals zustimmen, dass Lady Idris mit jemandem vereint sein sollte, der sie nicht liebt.«
»Weil Sie selbst sie lieben.«
»Eure Lordschaft hätten diese Neckerei unterlassen können: ich liebe sie nicht, wage nicht, sie zu lieben.«
»Zumindest«, fuhr er hochmütig fort, »liebt sie Sie nicht. Ich würde keine regierende Herrscherin heiraten, wenn ich nicht sicher wäre, dass ihr Herz frei ist. Aber, o Lionel! ein Königreich ist ein mächtiges Wort, und wohlklingend sind die Begriffe, die das Königtum beschreiben. Waren nicht die mächtigsten Männer alter Zeiten Könige? Alexander war ein König, Salomo, der weiseste aller Menschen, war ein König, Napoleon war ein König, Cäsar starb in seinem Versuch, einer zu werden, und Cromwell, der Puritaner und Königsmörder, strebte nach der Königswürde. Der Vater Adrians gab das schon zerbrochene Zepter Englands auf, ich aber werde die gefallene Pflanze aufrichten, ihre zerstückelten Glieder wieder verbinden und sie über alle Blumen des Feldes erheben. Wundern Sie sich nicht, dass ich Adrians Schlupfwinkel bereitwillig verriet. Glauben Sie nicht, dass ich bösartig oder töricht genug wäre, meine beabsichtigte Oberhoheit auf einen Betrug zu gründen, und noch dazu einen, der so leicht als die Wahrheit oder Unwahrheit erkannt werden könnte wie der Wahnsinn des Grafen. Ich bin gerade von einem Besuch bei ihm zurückgekommen. Ehe ich bezüglich meiner Ehe mit Idris eine Entscheidung fällen wollte, entschloss ich mich, ihn noch einmal zu besuchen und über die Wahrscheinlichkeit seiner Genesung zu urteilen. Er ist unwiederbringlich wahnsinnig.«
Ich rang nach Luft –
»Ich werde Ihnen«, fuhr Raymond fort, »die traurigen Einzelheiten ersparen. Sie sollen ihn sehen und selbst zu einem Urteil kommen, obwohl ich fürchte, dass dieser für ihn nutzlose Besuch unerträglich schmerzhaft für Sie sein wird. Es lastet seit jeher auf mir. Gut und sanftmütig, wie er selbst in der Zerrüttung seines Verstands ist, verehre ich ihn nicht wie Sie, sondern würde alle meine Hoffnungen auf eine Krone und meine rechte Hand dazu hingeben, um ihn wieder ganz bei sich zu finden.«
Seine Stimme drückte das tiefste Mitgefühl aus: »Sie höchst unerklärliches Wesen«, rief ich, »wohin werden Ihre Taten Sie führen, in diesem ganzen Labyrinth von Absichten, in dem Sie verloren scheinen?«
»Wohin? Zu einer Krone, einer goldenen, mit Edelsteinen besetzten Krone, wie ich hoffe, und doch wage ich nicht, darauf zu vertrauen, und obgleich ich von einer Krone träume und auf eine hoffe, flüstert mir immer wieder ein geschäftiger Teufel zu, dass das, wonach ich strebe, nichts als eine Narrenkappe sei und dass ich, wenn ich weise wäre, sie sein lassen und an ihrer statt nehmen sollte, was alle Kronen des Ostens und Präsidenten des Westens wert ist.«
»Und das wäre?«
»Wenn ich mich entschieden habe, sollen Sie es erfahren; zurzeit wage ich nicht davon zu sprechen, nicht einmal daran zu denken.«
Wieder schwieg er, und nach einer Weile wandte er sich mir lachend zu. Wenn nicht Spott seine Freude inspirierte, wenn es echte Fröhlichkeit war, die seine Gesichtszüge mit einem freudigen Ausdruck überzog, wurde seine Schönheit überirdisch, göttlich. »Verney«, sagte er, »mein erster Akt, wenn ich König von England werde, wird sein, sich mit den Griechen zu vereinigen, Konstantinopel einzunehmen und ganz Asien zu unterwerfen. Ich beabsichtige, ein Krieger, ein Eroberer zu sein; Napoleons Name soll hinter meinem verblassen; und die Schwärmer sollen, anstatt sein felsiges Grab zu besuchen und die Verdienste der Gefallenen zu würdigen, meine Majestät verehren und meine berühmten Errungenschaften preisen.«
Ich hörte Raymond mit großem Interesse zu. Wie hätte ich anders als ganz Ohr für jemanden sein können, der die ganze Erde in seiner mitreißenden Phantasie zu regieren schien und der nur versagte, wenn er versuchte, sich selbst zu beherrschen. Denn von seinem Wort und seinem Willen würde mein eigenes Glück abhängen – das Schicksal all jener, die mir lieb und teuer waren. Ich bemühte mich, die verborgene Bedeutung seiner Worte zu entziffern. Perditas Name wurde nicht erwähnt; dennoch konnte ich nicht bezweifeln, dass die Liebe zu ihr das Zaudern verursachte, das er gezeigt hatte. Und wer war der Liebe würdiger als meine edle Schwester? Wer verdiente die Hand dieses sich selbst einsetzenden Königs mehr als sie, deren Blick der einer Königin der Nationen war? Wer liebte ihn, wie er sie liebte; obgleich ihre Leidenschaft von Enttäuschung gehemmt wurde und seine in hartem Kampf mit seinem Ehrgeiz lag.
Am Abend gingen wir gemeinsam ins Parlament. Raymond war, obschon er wusste, dass seine Pläne und Aussichten während der erwarteten Debatte diskutiert und entschieden werden sollten, heiter und unbeschwert. Ein Summen wie von aus zehntausend Bienenstöcken schwärmenden Bienen betäubte uns, als wir den Kaffeeraum betraten. Die Politiker versammelten sich mit besorgten Mienen und lauten oder tiefen Stimmen. Die Adelspartei, die reichsten und einflussreichsten Männer in England, schien weniger aufgeregt als die anderen, denn die Frage sollte ohne ihre Einmischung erörtert werden. In der Nähe des Kamins standen Ryland und seine Anhänger. Ryland war ein Mann von unbedeutender Geburt und von immensem Reichtum, geerbt von seinem Vater, der ein Fabrikant gewesen war. Er hatte als junger Mann die Abdankung des Königs und die Verschmelzung des Unter- und des Oberhauses miterlebt; er hatte mit diesen vom Volk ausgehenden Übergriffen sympathisiert, und es war das Geschäft seines Lebens gewesen, sie zu vereinen und zu vergrößern. Seitdem hatte sich der Einfluss der Grundbesitzer verstärkt; und zuerst machte es Ryland nichts aus, die Werke Lord Raymonds zu beobachten, der viele Anhänger seines Gegners ausschaltete. Aber die Sache ging nun zu weit. Der ärmere Adel begrüßte die Rückkehr des Königtums als ein Ereignis, das ihnen ihre nunmehr verlorene Macht und Rechte wiederherstellen sollte. Der halb erloschene Geist des Königtums erwachte wieder in den Köpfen der Menschen; und sie, als willige Sklaven und selbstgeschaffene Untertanen, waren bereit, ihren Hals dem Joch zu beugen. Einige aufrechte und mannhafte Geister blieben noch als Säulen des Staates aufrecht stehen, aber das Wort Republik war dem gewöhnlichen Ohr schal geworden, und viele – das Ereignis würde beweisen, ob es eine Mehrheit war – sehnten sich nach dem Flitter und der Pracht des Königtums zurück. Ryland wurde zum Widerstand aufgerüttelt. Er behauptete, dass seine stillschweigende Duldung allein die Vergrößerung dieser Partei ermöglicht hätte; doch die Zeit für Nachsicht wäre vorüber, und mit einer Bewegung seines Armes würde er die Spinnweben hinwegfegen, die seine Landsleute blendeten.
Als Raymond den Kaffeeraum betrat, wurde seine Anwesenheit von seinen Freunden mit freudigen Rufen begrüßt. Sie versammelten sich um ihn, zählten ihre Stimmen und schilderten ausführlich die Gründe, warum sie jetzt Unterstützung dieser und jener Mitglieder erhalten sollten, die sich noch nicht erklärt hatten. Einige unbedeutende Geschäfte des Parlaments wurden erledigt, die Anführer nahmen ihre Plätze in der Kammer ein; das Geschrei der Stimmen fuhr fort, bis Ryland aufstand, um zu sprechen, und dann war die geringste geflüsterte Bemerkung hörbar. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, wie er dastand – schwerfällig von Gestalt, klangvoll in der Stimme und mit einer Art, die, wenngleich nicht elegant, beeindruckend war. Ich wandte mich von seinem markanten, steinernen Gesicht zu Raymond, dessen Gesicht, von einem Lächeln verhüllt, seine Sorge nicht verraten wollte; dennoch zitterten seine Lippen ein wenig, und seine Hand umklammerte die Bank, auf der er saß, mit einem so festen Griff, dass er die Muskeln verkrampfen ließ.
Ryland begann damit, den gegenwärtigen Zustand des britischen Imperiums zu loben. Er rief ihnen die früheren Jahre in Erinnerung; die elenden Auseinandersetzungen, die zur Zeit unserer Väter beinahe zum Bürgerkrieg geführt hätten, die Abdankung des verstorbenen Königs und die Gründung der Republik. Er beschrieb diese Republik, legte dar, dass sie jeder Person im Staat die Möglichkeit bot, Bedeutung zu erlangen, und sogar vorübergehende Souveränität. Er verglich den royalistischen und den republikanischen