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dastand. Verzweifelt beobachtete ich, wie der Schwan seinen Schnabel tief in seine Brust stieß und wieder herausriss. Blut spritzte in pulsierenden Strömen aus dem Oberkörper des Mannes und er sank wie ein Stein zu Boden. Zwei junge Frauen, die etwas abseits von den anderen standen, schrien laut und das Gras färbte sich um den Gefallenen herum rot, während der Schwan sich mit kräftigen Flügelschlägen in den Himmel erhob. Auch sein Schnabel glänzte rot. Das sollte gar nicht möglich sein! Woher nahm der Vogel die Kraft, seinen Schnabel so tief in den Brustkorb eines ausgewachsenen Mannes zu stoßen, das Leder und den Stoff seines Hemdes und die Haut zu durchstoßen, Fleisch, Sehnen und Muskeln zu durchdringen und dann aus eigener Kraft den Schnabel wieder zurückzureißen?

      Der halbe Abhang lag zwischen mir und der Stelle, an der der Mann gestürzt war, aber ich blieb stehen. Schnell verlagerte ich mein Gewicht auf mein hinteres Bein und packte den ersten Stein in die Schleuder. Mit kräftigen Armbewegungen brachte ich sie zum Kreiseln und konzentrierte mich auf eine der mörderischen Bestien, die von dem Mann mit dem Kurzschwert verjagt worden war und gerade zu einem Sturzflug auf die beiden kreischenden Frauen ansetzte.

      Ich ließ den Stein fliegen.

      Ich hatte auf die Brust des Vogels gezielt, das Geschoss schlug jedoch zu weit rechts ein. Der Schwan wurde aus seiner Flugbahn gerissen und sackte nach unten. Einer seiner Flügel hing kraftlos herunter, der Vogel trudelte hilflos dem Boden entgegen. Der erste Kämpfer fackelte nicht lange. Kaum war das Tier auf dem Boden aufgekommen, packte er den Ast, den er aus der Feuerstelle gezogen hatte, mit beiden Händen und schlug der Bestie kräftig auf den Kopf. Das Knacken konnte ich bis hier hören. Der Vogel regte sich nicht mehr.

      Inzwischen war Rose am Ufer angelangt und stellte sich neben den Schwertträger und die prächtige Dame, hinter deren Rücken die beiden anderen Frauen geflüchtet waren. Drohend hielt sie ihren Eschenstab erhoben und wehrte damit einen der Silberschwäne ab. Der Schwertkämpfer trennte derweil einem anderen den Kopf vom schlanken Hals. Das Blut, das diesmal das grüne Gras verdunkelte, stammte von einem der Monster. Stumm zollte ich dem Fremden meinen Respekt. Es konnte gar nicht so einfach gewesen sein, die kurze Schwertklinge am langen Schnabel des angreifenden Vogels vorbeizumanövrieren und dem Biest den Garaus zu machen.

      In meiner Hand kreiselte unterdessen die Schleuder, beladen mit einem weiteren Stein. Der Schwan, auf den ich zielte, hatte einen rot glänzenden Schnabel. Ich ließ den Stein fliegen, als sich der Schwan auf die Gruppe am Seeufer stürzte. Ich traf ihn nicht. Stattdessen musste ich hilflos beobachten, wie sich ihm zwei seiner Gefährten anschlossen. Ihre messerscharfen Schnäbel durchschnitten surrend die Luft. Der Schwertträger und Rose kämpften mit einem weiteren Vogel, der abwechselnd auf sie einstach. Der Mann mit dem Ast sprang zu den Frauen. Mit seiner provisorischen Waffe gelang es ihm, zwei der Vögel abzuwehren, aber der dritte fand ein Ziel. Eine der Frauen schrie auf. Ihr erschreckter Ruf wurde jedoch bald zu einem Gurgeln und verstummte dann ganz. »Veronique!« Ihre Gefährtin sank verzweifelt auf die Knie, während die Dame zu ihnen herumfuhr. Blut strömte in solchen Mengen aus dem Hals der verwundeten Frau, dass klar war, dass jede Hilfe zu spät kommen würde. Wenigstens gelang es dem Kämpfer mit dem Ast, dem Schwan den Garaus zu machen. Leider waren immer noch drei weitere übrig. Rose wirbelte wie ein Derwisch am Ufer entlang und hieb immer wieder mit ihrem Eschenstab nach den fliegenden Bestien. Ich war froh, dass ihre Waffe lang genug war, um die Vögel mit den langen Schnäbeln auf Abstand zu halten. Die Biester wichen allerdings gekonnt ihren Stockschlägen aus. Mit dem Kampfstab würde sie nicht viel ausrichten können. Als mein dritter Stein sein Ziel verfehlte, stieß ich einen Fluch aus und huschte näher ans Ufer heran. Es sah nicht gut für uns aus. Unweit der Feuerstelle lag zwar ein Jagdbogen und ein Köcher mit Pfeilen. Die Männer und Rose waren allerdings so sehr damit beschäftigt, die Schwäne auf Abstand zu halten und die Frauen zu beschützen, dass sich niemand von der Gruppe lösen konnte, um danach zu greifen. Die Frau kniete heulend neben ihrer Gefährtin, die sich nicht mehr regte. Die Dame beugte sich schützend über sie und suchte hektisch den Himmel ab. Inzwischen war auch der Mann mit dem Kurzschwert in die Knie gegangen. Er blutete aus einer Wunde. Die verbliebenen Schwäne schienen hingegen fast unverletzt.

      Mein vierter Stein fand endlich ein Ziel. Ich hatte sogar einen Volltreffer gelandet und einen der Vögel am Kopf getroffen. Wie ein Felsbrocken stürzte er aus dem Himmel und kam mit einem lauten Platschen auf der Seeoberfläche auf, wo er noch einen Moment lang trieb, ehe er in der dunkelblauen Tiefe versank. Noch drei, dachte ich, und dann zwei, als ich sah, dass die Männer sich gemeinsam auf eines der Tiere gestürzt hatten und mit ihren Waffen darauf einhackten. Der Mann mit dem Ast musste lebensmüde sein. Er hatte die Kreatur an den Füßen gepackt und ließ nicht los, bis sie sich nicht mehr regte. Mein fünfter Stein flog durch die Luft, als die letzten beiden Schwäne auch endlich meiner gewahr wurden. Sie flogen direkt auf mich zu. Mist, dachte ich, und nestelte so schnell ich konnte einen weiteren Stein aus meinem Beutel. Jetzt musste jeder Wurf sitzen. Gleichzeitig konnte ich mir nicht die Zeit nehmen, genau zu zielen, denn wenn ich zu lang wartete, wären die Biester heran und dann würde mich zumindest ein Schwan erwischen. Ich spürte, wie mir Schweiß in die Augen lief.

      Da gab es diesen Spruch, den meine Mutter mir als Kind beigebracht hatte. Eigentlich war er dazu gedacht, Muscheln zum Tanzen zu bringen.

      »Lauf weg!«, hörte ich Rose schreien.

      Meine Konzentration war unterbrochen.

      Die Vögel setzten bereits zum Sturzflug an.

      Ich ließ meinen Stein fliegen. Er traf sein Ziel und warf einen der Schwäne aus der Flugbahn.

      Ich fingerte nach einem weiteren Stein, wusste jedoch bereits, dass es zu spät war. Also hob ich den Silberdolch aus dem Gras, während sich der Schwan mit ausgestreckter Schnabelspitze auf mich stürzte. Ein dumpfes Geräusch ertönte und der silberne Körper vor mir wurde in die Höhe gerissen. Ungläubig sah ich, wie der lange Schwanenhals zur Seite geschleudert wurde. Etwas Heißes tropfte mir ins Gesicht. Der Vogelkörper flog über mich hinweg und landete hinter mir im Gras, von einem Pfeil durchbohrt, aber noch flatternd. Überrascht keuchte ich auf und wandte den Kopf. Rose kniete neben dem Lagerfeuer, den Bogen in der Hand. Hinter ihr stand die schöne Dame in ihrem hellgrünen Kleid. Das blonde Haar hing ihr wirr in die Stirn, die Hände umschlossen fest Rose’ Eschenholzstab. Sie sah nicht so aus, als ob sie wirklich wüsste, was sie damit anfangen sollte, wirkte jedoch entschlossen, den Stab einzusetzen, wenn von irgendwoher noch ein Schwan auftauchen sollte. Als Rose erkannte, dass es mir gut ging, ließ sie erschöpft den Bogen fallen und drehte sich zu dem Schwertkämpfer um, der von dem anderen Mann gestützt neben der weinenden Frau stand und sich einen abgerissenen Stoffärmel auf die Schulterwunde presste. Er schwankte gefährlich.

      Grimmig presste ich die Lippen zusammen, drehte mich um und stieß den Silberdolch mit kalter Wut in die Bestie vor mir. Der Schwan öffnete seinen gewaltigen Schnabel wie zu einem letzten Schrei, doch kein Laut erklang mehr. Warmes Blut quoll zwischen den silbernen Federn hervor, als ich meine Waffe wieder herausriss. Endlich trübten sich die Augen des seltsamen Wesens und sein Zittern erstarb. Der Schwan war tot.

      Als ich zu den anderen rannte, begriff ich erst, dass die Schlacht geschlagen war. Vor den Männern auf dem Boden lag ein toter Schwan. Sein Kopf war eine breiige Masse, wo der Ast ihn in die Erde gestampft hatte. Sie hatten dem Monster zusätzlich mit dem Kurzschwert den Hals durchtrennt.

      Bis auf unser Schnaufen und Keuchen und das Weinen der Frau war es still. Der Schreck saß allen tief in den Knochen. Die fremde Dame gab Rose den Kampfstab zurück und kniete sich neben ihre Gefährtinnen.

      »Sie ist tot.« Zärtlich strich sie der Leiche über die Wange.

      »Claude auch«, murmelte der Astträger geschlagen und die Dame stöhnte auf.

      Rose kam bis auf Armlänge auf mich zu und sah mir fest in die Augen. »Das war knapp.«

      »Danke«, sagte ich schlicht. Mehr nicht.

      Gern wäre ich ihr sofort in die Arme gefallen und hätte mich versichert, dass es ihr auch gut ging. Aber wir waren nicht allein.

      »Wer seid ihr?«, fragte der Schwertträger, legte seine Waffe zu Boden und presste sich die Hand auf die blutende Wunde. »Danke für eure Hilfe.«

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