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Palast aus Gold und Tränen. Christian Handel
Читать онлайн.Название Palast aus Gold und Tränen
Год выпуска 0
isbn 9783959915182
Автор произведения Christian Handel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ich bin kein Troll!«, protestierte Lasse.
»Da bin ich mir nicht so sicher bei deinen roten Haaren«, widersprach ich.
»Du bist wunderbar«, raunte mir Rose zu, drückte schnell meine Hand und verschwand mit Björn über den Hof, der mir auch noch einmal über die Schulter hinweg dankbar zunickte.
Ich schnappte mir Lasse am Kragen und ging Lennard hinterher, der uns vorhin zwar kurz zugewunken hatte, inzwischen aber im Stall verschwunden war.
Als ich eine halbe Stunde später auf unser Zimmer zuging, hörte ich Rose und Björn bereits diskutieren. Die Tür war nur angelehnt.
»… musst doch zugeben, dass sie seltsam ist.«
»Sie ist nicht seltsam«, protestierte Björn.
»Sie ist sogar reichlich seltsam! Sie bewahrt ihr Vogelfutter in einer Schatulle auf.«
Aha, es ging also um Irina. Ich drückte die Tür auf und schlüpfte in den Raum. Beide hatten nur kurze Blicke für mich übrig.
»Vielleicht ist es magisches Futter«, fuhr Björn an Rose gewandt fort, während er aufstand und mir das Tablett abnahm.
»Danke«, murmelte ich.
»Ist das dein Ernst?!« Rose angelte sich einen der drei Becher heißen Minztees. Danke, formten ihre Lippen und ihre Züge wurden weich. Dann verzog sich ihre Miene sofort wieder angriffslustig und sie starrte Björn direkt ins Gesicht. Der ließ sich vor der Truhe auf dem Boden nieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Rose und ich setzten uns ihm gegenüber, ungefähr an der Stelle, an der ich in der Nacht zuvor den Salzkreis gezogen hatte.
»Könnte doch sein, dass es magisch ist«, sagte Björn, nachdem er an seinem Becher genippt hatte.
Rose schnaubte. »Wer bitte füttert seine Vögel mit magischem Futter?!«
»Ich weiß nicht, ob es magisch ist. Es war nur eine Vermutung. Du hast mit der Schatulle angefangen.«
»Sie ist aus Ebenholz! Mit einem Edelstein im Deckel!«
»Na und, sie mag eben ihre Vögel!«
»Und mag sie auch dich?«
»Und wenn es so wäre?« Björns Stimme klang lauernd. Rose stierte ihn wütend an.
Ich ergriff die Gelegenheit. »Dann würden wir uns für euch freuen. Magst du sie denn?«
Beide blickten mich erstaunt an, als ob ihnen meine Anwesenheit erst jetzt wirklich klar geworden wäre. Trotz des Tees.
Björn konzentrierte sich auf den dampfenden Becher in seiner Hand. Wurden seine Ohren tatsächlich rot?
»Wir verstehen uns gut.« Er hob den Kopf. »Ich kann wunderbar mit ihr reden. Sie ist witzig, schlagfertig. Und sie hat keine Angst vor dem Bären.«
Rose’ Miene wurde weicher.
Vor vier Jahren war Björn bei einem seiner Aufträge als Hexenschlächter in die Falle eines Schwarzalben geraten. Der Zwerg hatte ihn in einen Bären verwandelt. Damals hatten Rose und ich das erste Mal Irina um Hilfe gebeten. Gemeinsam war es uns gelungen, den Schwarzalben zur Strecke zu bringen und den Zauber, den er über Björn verhängt hatte, zu schwächen. Ganz brechen konnten wir ihn jedoch nicht. Björn hatte sich in einen Menschen zurückverwandelt. Doch jeden Winter, sobald der Schnee zu fallen begann, wurde er bis zum Frühling wieder zu einem Bären. Bis jetzt hatten wir keine Möglichkeit gefunden, daran etwas zu ändern. Björn trug sein Schicksal mit Fassung, obwohl sich dadurch so vieles für ihn geändert hatte.
»Und es ist nicht nur das«, fuhr er fort. »Sie mag mich wirklich, Schwesterherz. Aufrichtig. Vielleicht wird daraus sogar mehr. Kannst du mir das nicht gönnen?«
Rose holte Luft, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Mir ist bewusst, dass ich niemals so ein Glück haben werde wie ihr beide.« Er senkte den Teebecher. Seine traurige Miene versetzte meinem Herz einen Stich. Ich griff nach Rose’ Hand und wir ließen ihn seine Gefühle von der Seele reden. »Überall, wo ich hinsehe, erblicke ich verliebte Pärchen. Euch beide. Mutter und Vater. Leni wird im nächsten Frühjahr heiraten. Selbst Eckhart und die Ziege, was auch immer er an ihr findet … Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich noch einmal verlieben könnte. Nachdem Therese …«
»Scheiß auf Therese«, unterbrach ihn Rose heftig. »Ja, wirklich! Sie hat dich nicht verdient, und das weißt du.«
»Sei nicht ungerecht.«
»Verteidige sie nicht auch noch! Ihr wolltet heiraten, Björn. Ihr wolltet euer Leben zusammen verbringen. In guten wie in schlechten Zeiten. Das wirft man nicht einfach weg.«
Therese hatte ihre Verlobung gelöst und Björn verlassen, weil sie nicht mit dem Bärenzauber zurechtgekommen war. Der Morgen vor ein paar Monden im Garten der Hexe kam mir in den Sinn, an dem Rose herausgefunden hatte, dass Selkieblut in mir floss und ich Magie wirken konnte. Das hatte sie so geschockt – ich hatte wirklich geglaubt, sie würde mich verlassen. Doch unsere Liebe war stärker gewesen. Vielleicht dachte sie auch daran, denn sie sagte: »Von mir aus triff dich mit Irina. Meinen Segen brauchst du zwar nicht, aber du hast ihn.«
Mit einem breiten Grinsen stürzte Björn zu uns und zog uns beide in eine Umarmung. »Danke, Rosalie. Ich wusste, auf dich ist Verlass.«
»Du sollst mich doch nicht so nennen«, maulte sie und löste sich langsam von ihm. »Mutter habt ihr beide ohnehin schon um den Finger gewickelt, oder?«
Björns Augen funkelten fröhlich. »Irina und sie kommen gut miteinander aus.«
Ich griff nach Björns Hand und drückte sie fest. »Das ist schön, wirklich. Ich wünsche euch nur das Beste.«
Björn grinste mir verlegen zu. »Genug von mir«, sagte er dann. »Meine Schwester behauptet, ihr wollt tatsächlich ins Zarenreich reisen?«
Ich warf Rose einen Blick zu. Diese nickte. »Dann weißt du auch weshalb.« Nervös zupfte ich an meinem Ärmelsaum.
»Ich würde euch ja begleiten, doch der Winter kommt früh im Zarenreich.«
Davon hatte ich gehört. Oft setzte schon im Herbst Schneefall ein, und Björn konnte nicht riskieren, sich fernab der Heimat in einen wilden Bären zu verwandeln. Die kalte Jahreszeit verbrachte er seit dem Tod des Zwerges immer auf dem Hof seiner Eltern. Mir fielen die ganzen Tiere in und um Irinas Mühle wieder ein. Vielleicht würde er ja dieses Jahr den Winter bei ihr verbringen.
Mir fiel ebenfalls wieder ein, dass ich in der Nacht zuvor von Schnee geträumt hatte.
»Wann brecht ihr auf?«, fragte Björn.
»Morgen gegen Mittag. Zuvor müssen wir noch auf den Markt«, antwortete Rose und warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf das Bett.
Björn seufzte. »Dann heißt es also schon wieder Abschied nehmen.«
Markttag
Irinas Heiltrank schmeckte bitter. Nachdem ich wie von ihr angeordnet drei Tropfen davon auf meine Zunge hatte fallen lassen, wartete ich gespannt ab, ob etwas passierte oder ich mich anders fühlen würde. Als nichts geschah, verkorkte ich das Fläschchen wieder und stellte es auf das Schränkchen neben unserem Bett. Die Symbole auf meinen Armen blieben weiterhin zu blassen Tätowierungen erstarrt.
Es beruhigte mich, dass sich daran auch nichts änderte, nachdem ich am nächsten Morgen mit Rose eine große Runde gelaufen war und meine Unterarme beim Waschen nicht aussparte. Wir waren mit der Sonne aufgestanden, weil wir an unserem letzten Tag auf dem Hof noch so viel erledigen wollten. An meine Träume in dieser Nacht konnte ich mich nicht erinnern.
Der