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      „So, sind deine Augen auch schon hell?“ gab der Grossvater zurück, dem Heidi die Hand zum Morgengruss hinhaltend.

      Jetzt lief das Heidi unter die Tannen und hüpfte vor Freuden über das Tosen und Sausen da droben unter den wogenden Ästen herum, und bei jedem neuen Windstoss und lauten Wipfelbrausen jauchzte es auf vor Wonne und sprang noch ein wenig höher.

      Unterdessen war der Grossvater zum Stalle hingegangen und hatte dem Schwänli und Bärli die Milch abgenommen; dann hatte er beide schön geputzt und gewaschen zur Bergreise und brachte sie nun auf den Platz heraus. Als das Heidi seine Freunde erblickte, kam es herangesprungen und fasste sie beide um den Hals, begrüsste sie zärtlich, und sie meckerten fröhlich und zutraulich, und jede von den Geissen wollte dem Heidi mehr Zuneigung beweisen und drückte ihren Kopf noch immer näher an seine Schultern heran, so dass es zwischen den zweien fast zerdrückt wurde. Aber das Heidi hatte keine Furcht, und wenn das lebhafte Bärli gar zu arg bohrte und drängte mit seinem Kopfe, dann sagte das Heidi: „Nein, Bärli, du stösst ja wie der grosse Türk“, und augenblicklich zog Bärli seinen Kopf zurück! und stellte sich ganz anständig hin, und das Schwänli hatte auch schon seinen Kopf in die Höhe gereckt und machte eine vornehme Gebärde, so dass man deutlich sehen konnte, es dachte bei sich: „Das soll mir denn keiner nachsagen, dass ich mich benehme wie der Türk.“ Denn das schneeweisse Schwänli war noch ein wenig vornehmer als das braune Bärli.

      Jetzt hörte man von unten herauf die Pfiffe des Peter ertönen, und bald kamen sie heraufgesprungen, die lustigen Geissen alle, voran der flinke Distelfink in hohen Sprüngen. Gleich war das Heidi wieder mitten in dem Rudel drin, und vor lauter stürmischen Begrüssungen wurde es hin- und hergeschoben, und dann schob es wieder ein wenig; denn es wollte zu dem schüchternen Schneehöppli vordringen, das ja von den grösseren immer wieder weggedrängt wurde, wenn es dem Heidi entgegenstrebte.

      Nun kam der Peter heran und tat einen letzten, fürchterlichen Pfiff, der sollte die Geissen aufscheuchen und der Weide zujagen, denn er wollte Platz bekommen, um dem Heidi etwas zu sagen. Die Geissen sprangen ein wenig auseinander auf den Pfiff hin; so konnte der Peter vorrücken und sich nun vor das Heidi hinstellen.

      „Du kannst einmal wieder mitkommen heut“, war seine etwas störrige Anrede.

      „Nein, das kann ich nicht, Peter“, entgegnete das Heidi. „Jeden Augenblick können sie jetzt von Frankfurt kommen, und dann muss ich daheim sein.“

      „Das hast du schon manchmal gesagt“, brummte der Peter.

      „Es gilt aber immer noch, und es gilt, bis sie kommen“, gab das Heidi zurück. „Oder meinst du etwa, ich müsse nicht daheim sein, wenn sie von Frankfurt zu mir kommen? Meinst du etwa so etwas, Peter?“

      „Sie können zum Öhi kommen“, versetzte der Peter knurrend.

      Jetzt ertönte von der Hütte her die kräftige Stimme des Grossvaters: „Warum geht’s nicht vorwärts mit der Armee? Fehlt’s am Feldmarschall oder an den Truppen?“

      Augenblicklich machte der Peter kehrum, schwang seine Rute in der Luft, dass sie sauste und alle Geissen, die den Ton wohl kannten, auf und davon rannten, der Peter hinter ihnen drein, alle miteinander in vollem Trabe den Berg hinan. —

      Seit das Heidi wieder daheim beim Grossvater war, kam ihm hier und da etwas in den Sinn, woran es vorher nicht gedacht hatte. So machte es jetzt alle Morgen mit grosser Anstrengung sein Bett zurecht und strich so lange daran herum, bis es ganz glatt aussah. Dann lief es in der Hütte hin und her, stellte jeden Stuhl an seinen Ort, und was etwa da und dort herumlag oder -hing, das kramte es alles in den Schrank hinein. Dann holte es einen Lappen herbei, kletterte auf einen Stuhl hinauf und rieb so lange mit seinem Lappen auf dem Tische herum, bis dieser ganz blank war. Wenn dann der Grossvater wieder hereinkam, schaute er wohlgefällig um sich und sagte etwa: „Bei uns ist’s jetzt immer wie Sonntag, das Heidi ist nicht vergebens in der Fremde gewesen.“

      Auch heute hatte Heidi, nachdem der Peter fortgetrabt war und es mit dem Grossvater. gefrühstückt hatte, sich gleich an seine Geschäfte gemacht; aber es wurde fast nicht fertig damit. Draussen war es heut morgen gar so schön, und alle Augenblicke geschah wieder etwas, was das Kind in seiner Tätigkeit unterbrach. Jetzt kam durch das offene Fenster ein Sonnenstrahl so lustig hereingeschossen, und es war geradezu, als riefe er: „Komm heraus, Heidi, komm heraus!“ Da konnte es nicht mehr drinnen bleiben, es rannte hinaus. Da lag der funkelnde Sonnenschein um die ganze Hütte herum, und auf allen Bergen glänzte er und weit, weit das Tal hinunter, und der Boden dort am Abhang sah so goldig und trocken aus, es musste ein wenig darauf niedersitzen und umherschauen. Dann kam ihm auf einmal in den Sinn, dass das Dreibeinstühlchen noch mitten in der Hütte stand und der Tisch noch nicht geputzt war vom Morgenessen. Nun sprang es schnell auf und lief in die Hütte zurück. Aber es währte gar nicht lange, so sauste es draussen so mächtig durch die Tannen, dass es dem Heidi in alle Glieder fuhr, es musste schon wieder hinaus und ein wenig mithüpfen, wenn alle Zweige da droben hin- und herwogten und rollten. Der Grossvater hatte einstweilen hinten im Schopf allerlei Arbeit zu verrichten; er trat von Zeit zu Zeit unter die Tür hinaus und schaute lächelnd Heidis Sprüngen zu. Eben war er wieder zurückgetreten, als mit einemmal das Heidi laut aufschrie:

      „Grossvater, Grossvater! Komm, komm!“

      Er trat rasch wieder heraus, fast erschrocken, was mit dem Kinde sei. Da sah er, wie dieses dem Abhange zulief, laut schreiend: „Sie kommen, sie kommen! Und voran der Herr Doktor!“

      Das Heidi stürzte seinem alten Freunde entgegen. Dieser streckte grüssend die Hand aus. Wie das Kind ihn erreicht hatte, umfasste es zärtlich den ausgestreckten Arm und rief in voller Herzensfreude: „Guten Tag, Herr Doktor! Und ich danke auch noch viel tausendmal!“

      „Grüss Gott, Heidi! Und wofür dankst du denn schon?“ fragte freundlich lächelnd der Herr Doktor.

      „Dass ich wieder heim konnte zum Grossvater“, erklärte ihm das Kind.

      Dem Herrn Doktor ging’s wie ein Sonnenschein über das Gesicht. Diesen Empfang auf der Alp hatte er nicht erwartet. Im Gefühl seiner Einsamkeit war er unter tiefsinnigen Gedanken den Berg hinaufgestiegen und hatte noch nicht einmal gesehen, wie schön es um ihn her war, und dass es immer schöner wurde. Er hatte angenommen, das Kind Heidi werde ihn kaum mehr kennen; es hatte ihn so wenig gesehen, und er kam sich vor wie einer, der kommt, den Leuten eine Enttäuschung zu bereiten, und den sie darum nicht ansehen mögen, weil er ja die erwarteten Freunde nicht mitbringt. Statt dessen leuchtete dem Heidi die helle Freude aus den Augen, und voller Dank und Liebe hielt es immer noch den Arm seines guten Freundes fest.

      Mit väterlicher Zärtlichkeit nahm der Herr Doktor das Kind bei der Hand. „Komm Heidi“, sagte er in freundlichster Weise, „führe mich nun zu deinem Grossvater und zeige mir, wo du daheim bist.“

      Aber das Heidi blieb noch stehen und schaute verwundert den Berg hinunter.

      „Wo sind denn Klara und die Grossmutter?“ fragte es jetzt.

      „Ja, nun muss ich dir’s sagen, was dir leid tun wird, wie mir auch“, erwiderte der Herr Doktor. „Sieh, Heidi, ich komme allein. Klara war recht krank und konnte nicht mehr reisen, und so kam auch die Grossmama nicht mit. Aber dann im Frühjahr, wenn die Tage wieder warm und schön lang werden, dann kommen sie ganz sicher.“

      Das Heidi stand sehr betroffen da; es konnte gar nicht fassen, dass es nun alles, was es so sicher vor sich gesehen hatte, auf einmal gar nicht mehr sehen sollte. Regungslos stand es eine Weile wie verwirrt von dem Unerwarteten. Schweigend stand der Herr Doktor vor ihm, und ringsum war alles still, nur hoch oben hörte man den Wind durch die Tannen sausen. Da fiel es dem Heidi auf einmal wieder ein, warum es heruntergelaufen sei, und dass der Herr Doktor ja gekommen sei. Es schaute zu ihm auf. Da lag etwas so Trauriges in den Augen, die zu ihm niederschauten, wie es noch gar nicht gesehen hatte; so war es nie gewesen, wenn der Herr Doktor in Frankfurt es angeblickt hatte. Das ging dem Heidi zu Herzen; es konnte nicht sehen, dass jemand traurig war, und nun gar der gute Herr Doktor. Gewiss war er so, weil Klara und die Grossmama nicht hatten mitkommen können; es suchte schnell nach einem Trost und fand ihn.

      „O,

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