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      Will Berthold

      Adams Letzte

      Saga Egmont

      Adams Letzte

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      Copyright © 2017 by Will Berthold Nachlass,

      represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de).

      Originally published 1988 by Lübbe Verlag, Germany.

      All rights reserved

      ISBN: 9788711726976

      1. Ebook-Auflage, 2018

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Teil 1

      1

      Sie saß beim Fünf-Uhr-Tee in der Halle des berühmten Hotels und ignorierte das Aufsehen, das sie auslöste. Mit übereinandergeschlagenen Beinen, leicht in den tiefen Polstersessel zurückgelehnt, erschien sie den Umsitzenden wie eine unbändige Versuchung; dabei tat sie nichts dazu. Die schöne Unbekannte war höchstens dreißig, vermutlich ein paar Jahre jünger. Ihr ovales Gesicht mit der glatten Haut sah unverbraucht aus. Und unbeschrieben. Ihre Augen waren von einem leuchtenden Braun. Sie trug keinen Schmuck, auch keinen Ehering. Ihre Aufmachung unterschlug nicht ihre körperlichen Reize, doch präsentierte sie das Sehenswerte auch nicht im Schaufenster.

      Schon auf den ersten Blick bemerkte man, daß die Dunkelhaarige keine sterile Plakatschönheit war. Sie saß schon über eine halbe Stunde allein am Tisch in dem großen Raum mit dem Fluidum gediegener Vergangenheit und anhaltenden Wohlstands, doch sah es nicht aus, als sei sie versetzt worden und erwarte noch immer ihren Begleiter. Die Blicke Neugieriger liefen von ihr ab wie Rinnsale von einem aufgespannten Regenschirm.

      Alleinreisende Damen ihres Alters waren in Thailands renommiertestem Hotel äußerst selten — sie mußten reiche Erbinnen, frühe Witwen, austauschbare Begleiterinnen eines Ölmoguls oder schlichtweg Hochstaplerinnen sein. Die Gäste lösten das Rätsel nicht, aber sie ergriffen Partei — meistens zugunsten der unbekannten Schönen. Nichts deutete darauf hin, daß diese attraktive Provokation schon in nächster Zukunft zum Schicksal einiger Anbeter werden würde, die ihr hier und heute zufällig begegneten. Vermutlich hätte sie in Bangkoks Hotel »Oriental« weniger Furore gemacht, wäre dieser Jet-set-Tummelplatz am späten Nachmittag nicht vorwiegend von Herren besetzt gewesen, und solche sind in erster Linie schließlich Männer. Ab heute bot sich in allen Luxusherbergen der südostasiatischen Metropole das gleiche Bild: Eine Spätausgabe von Adams Geschlecht, gewissermaßen auf Hochglanzpapier und in goldenen Lettern, zeigte sich in absoluter Überzahl.

      Rotary-international, eine exquisite Männervereinigung, war zu einem Weltkongreß zusammengetreten, um alte Bekanntschaften zu pflegen, neue Beziehungen zu knüpfen und hochherzige Spenden abzuliefern.

      Die Eröffnungsveranstaltung heute morgen hatte den Teilnehmern einen schweren Schock versetzt, als vom Tagespräsidenten mit kippender Stimme ein Telegramm verlesen worden war: Zu den vierzehn Mordopfern des Bombenanschlags vom letzten Freitag in der Schalterhalle der »Banca Nazionale dell’Agricultura« in Milano gehörte auch einer der bekanntesten Rotarier; sein Referat über die derzeitige Lage der italienischen Industrie stand als zweite Veranstaltung im ausgedruckten Programm.

      Die Delegierten waren erschüttert und verstört, nicht nur, weil sie den Ermordeten gekannt und geschätzt hatten, sondern weil diese neue Dimension wahnwitzigen Terrors von Rechts- und Linksextremisten letztlich jeden bedrohte, der eine bedeutende Position innehatte.

      Rotarier standen, in welchem Beruf auch immer, stets an der Spitze. Die letzten Headlines eines Jahres, in dem der frühere US-Präsident Eisenhower und der Vietkong-Chef Ho Chi Minh gestorben waren, verbreiteten Horror. Das Jahr 1969 lief aus wie ein faules Ei.

      Wegen des Rotariertreffens waren in dieser Vorweihnachtswoche die Nobelquartiere Bangkoks schon seit Monaten ausgebucht. Man hatte diesen ungewöhnlichen Termin gewählt, damit die Teilnehmer eventuell in einem anschließenden Urlaub die Festtage mit ihren Frauen, Familien oder sonstigem Anhang in exotischen Paradiesen verbringen konnten.

      Gäste drängten von draußen in die Hotelhalle, verschwitzt und abgekämpft, auf der Flucht vor Hitze — Advent bei fünfunddreißig Grad im Schatten —, Staub und Lärm. Das »Venedig des Ostens« war ein strapazierender, wenn auch großartiger Schauplatz, so chaotisch wie exotisch. Ein frommes Babylon mit stillen Oasen der Besinnung gleich neben den plärrenden Aufreißschuppen. Eine wildwuchernde Steinwüste voller Pretiosen. Orchideen im Schlamm. »Krung Thep« nennen die Thailänder die Fünf-Millionen-Stadt, die unter ihrem westlichen Pseudonym Bangkok weit bekannter ist. Der einheimische Name der Mammutmetropole lautet in wörtlicher Übersetzung: »Die Stadt der Engel«. Wenn man damit die gefallenen meinte, gab es laut Expertenschätzung weit über 500 000. Sie gingen in Tanzschuppen und Massagesalons ihrem Gewerbe nach und konnten nach Bezahlung der Lady-off-Taxe an ihre Manager von ihren Kunden gleich mitgenommen werden wie frische Ware in einem Supermarkt, zum alsbaldigen Gebrauch bestimmt.

      Weitere Versprengte der Sightseeing-Tour betraten die Hotelhalle, gefolgt von einem hochgewachsenen, eleganten Einzelgänger, der am Eingang stehenblieb wie der Hauptdarsteller beim Betreten der Bühne, auf Ovationen wartend: Cecil Casagrande, der Schriftsteller.

      Er sah sich in der gutbesetzten Halle nach einem Platz um und ließ sich dabei Zeit, um von den Anwesenden erkannt zu werden. Casagrande hatte einen Panoramablick. Keine Einzelheit entging ihm, schon gar nicht die dunkelhaaarige Attraktion in der Ecke, die kurz von der »New York Times« aufsah, vermutlich lange genug, um zu wissen, wer er war. Für ein paar Sekunden gelang es Casagrande, der faszinierenden Lady die Schau zu stehlen, doch im nächsten Moment siegte sie wieder spielend über drei, vier Bestseller.

      Der Protagonist überlegte, ob er sich zu ihr setzen sollte — ein Mann wie Casagrande wäre wohl an jedem Tisch willkommen. Er ging in ihre Richtung, doch kurz vor dem Ziel fing ihn George Bannister, sein amerikanischer Verleger, ab.

      »Das ist ja eine VIP-Galerie«, schmeichelte der Autor der Tischrunde und verbeugte sich vor den gesetzten Herren, die am Revers das Zahnrad auf blauem Grund, das Abzeichen der Rotarier, trugen. Zu seinem Leidwesen war Casagrande noch immer nur Gast, nicht Mitglied dieses exklusiven Zirkels. Der gebürtige Elsässer sollte am letzten Tag in nichtoffizieller Sitzung aus seinem neuesten Roman »Der Biß der Jahre« lesen.

      »Sie haben sich ja eine entzückende Nachbarschaft ausgesucht«, stellte er mit einem offenen Blick zum Nebentisch fest und fragte dann mit gedämpfter Stimme: »Kennt jemand diese reizende Dame?«

      Zwischen Odermatt, dem Gnom aus Zürich, und dem deutschamerikanischen Industriellen Laimer war für den Autor noch ein Sessel frei — für einen Mann wie ihn rückte man gerne zusammen. »Leider nein«, erwiderte der Schweizer.

      »Aber Sie würden sie vielleicht gerne kennenlernen«, konstatierte der Erfolgsautor mit einem gewissen Lächeln. Er konnte mit dem Bankier durchaus in dieser Weise sprechen. Der Mann verwaltete sein schweizerisches Konto.

      »Lieber Freund«, erwiderte der Untersetzte, der seine Figur durch Bodybuilding trimmte und seine Körpergröße durch Spezialschuhe im Stehen um sieben Zentimeter vergrößerte. »Ich bin bereits zum dritten Mal verheiratet …«

      »Sie Anfänger«, versetzte Casagrande launig und brachte seine Zuhörer zum Lachen; sie schätzten seinen frivolen Witz und seinen unbestreitbaren Charme. Selbst wenn er giftig wurde und maßlos überzog, war der Romanschriftsteller noch immer unterhaltsam. »Exhausted?« fragte der New Yorker Publisher seinen Starschreiber.

      Der Elegant schüttelte den Kopf;

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