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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Год выпуска 0
isbn 9788075836854
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Alles dies scheint kaum in die Vorrede zu einem historischen Roman zu gehören, und dennoch ist es gerade an dieser Stelle der Erwähnung werth; hat es doch etwas beinahe »Providentielles«, daß es gerade dem Autor der Königstochter, daß es gerade mir vorbehalten blieb, meine Wissenschaft mit dieser Schrift zu beschenken. Der Leser wird unter den in diesem Romane auftretenden Personen einem Augenarzte aus Sais begegnen, der ein Buch über die Krankheiten des Sehorgans verfaßte. Das Schicksal dieser kostbaren Arbeit wirkt bestimmend auf den Verlauf der gesammten Handlung ein. Diese Papyrusrolle des Augenarztes aus Sais, die noch vor Kurzem nur in der Vorstellung des Verfassers und der Leser der Königstochter existirte, ist nunmehr als reales Ding vorhanden. Es ist mir, als es mir diese Rolle heimzubringen gelang, ergangen wie dem Manne, welcher von einem Schatze geträumt hatte, und der ihn am Wege fand, da er ausritt.
An zweiter Stelle würde in dieser Vorrede eine Entgegnung auf die in der Revue des deux mondes Tome VII, 1875 Janvier erschienene Besprechung der ägyptischen Königstochter durch Mr. Jules Soury am Platze sein; aber eine solche ist nicht wohl möglich ohne ein tieferes Eingehen auf die an einer anderen Stelle zu beantwortende, immerhin strittige Frage, ob das Genre des historischen Romans überhaupt berechtigt sei oder nicht. Und doch kann ich nicht umhin, Mr. Soury schon hier mitzutheilen, daß mich die Abfassung der Königstochter von keiner anderen Arbeit abgehalten hat; daß ich sie vielmehr, bevor ich meine akademische Thätigkeit angetreten, im Krankenzimmer geschrieben und durch ihre Schöpfung nicht nur Trost und Freude, sondern auch Gelegenheit gefunden habe, todtes Wissensmaterial für mich und Andere »lebig« zu machen.
Herr Soury sagt, der Roman sei der Todfeind der Geschichte; aber dieser Satz darf ebensowenig zutreffend genannt werden als der andere, den ich dem seinen gegenüber zu stellen berechtigt zu sein glaube: Die Landschaftsmalerei ist die tödtliche Feindin der Botanik. Der historische Roman soll wie jedes andere Kunstwerk zunächst genossen werden. Niemand nehme ihn in die Hand, um aus ihm Geschichte zu erlernen; aber viele Leser, das ist der Wunsch des Autors, mögen sich durch sein Werk zu eigener Forschung, der die Anmerkungen den Weg weisen sollen, anregen lassen; wie denn auch bereits mehrere vortreffliche Kräfte durch die Lektüre der Königstochter ernsten ägyptologischen Studien zugeführt worden sind. Solchen Erfahrungen gegenüber brauch’ ich, obgleich mir Mr. Soury’s geistreiche Ausführungen manches Wahre zu enthalten scheinen, seinen Ausspruch, der historische Roman beeinträchtige die Wissenschaft, nicht auf das vorliegende Werk zu beziehen. –
Leipzig, den 19. April 1875.
Georg Ebers.
Vorrede zur fünften Auflage
Es ist wiederum eine neue Auflage der »Aegyptischen Königstochter« nothwendig geworden und ich widme auch ihr ein eigenes Vorwort, weil der schnelle Fortgang des Drucks es mir leider unmöglich gemacht hat, einige Versehen zu beseitigen, auf welche ich durch die Güte des bekannten Botanikers Professor Paul Ascherson in Berlin, der Aegypten und die Oasen bereiste, aufmerksam gemacht worden bin.
Ich lasse im Garten der Rhodopis Bd. I. S. 5 unter anderen Gewächsen »Mimosen« wachsen; hatte ich sie doch in allen Beschreibungen des Nilthals erwähnt gefunden, war ich doch später oft genug in den Gärten von Alexandria und Kairo durch den lieblichen Duft ihrer goldgelben Blüten erfreut worden. Nun höre ich, daß gerade diese Mimose (Acacia farnesiana) aus dem tropischen Amerika stamme und dem alten Aegypten gewiß fremd gewesen sei. Die Bananen, die ich Bd. I. S. 53 unter anderen ägyptischen Gewächsen erwähne, sind erst durch die Araber aus Indien in das Nilthal eingeführt worden. Die im dritten Bande vorkommenden botanischen Irrthümer war es mir noch zu berichtigen möglich. Schon Hehn’s vortreffliches Buch »Kulturpflanzen und Hausthiere« hatte mich gelehrt, auf solche Dinge zu achten. Theophrast, ein Kleinasiat, gibt die erste Beschreibung eines Citrus und diese beweist, daß er wohl den sogenannten Paradiesapfel, aber nicht unsere Citrone gekannt hat, die ich also unter den im alten Lydien kultivirten Pflanzen nicht nennen darf. Palmen und Birken sind beide in Kleinasien gefunden worden; ich ließ sie aber neben einander wachsen und beging damit einen Verstoß gegen die pflanzengeographische Möglichkeit. Die Birke grünt hier auf dem Hochgebirge, die Palme kommt nach Griesebach (Vegetation der Erde I. S. 319) nur an der Südküste der Halbinsel vor. Die letztgenannten Irrthümer konnten, wie gesagt, in der neuen Auflage verbessert werden.
Natürlich werde ich einem Jeden, der mich auf ähnliche Versehen aufmerksam macht, zu besonderem Danke verpflichtet sein.
Leipzig, den 5 März 1877.
Georg Ebers.
Erster Band
Erstes Kapitel
Der Nil hatte sein Bett verlassen. Weit und breit dehnte sich da, wo sonst üppige Saatfelder und blühende Beete zu sehen waren, eine unermeßliche Wasserfläche. Nur die von Dämmen beschützten Städte mit ihren Riesentempeln und Palästen, die Dächer der Dörfer so wie die Kronen der hochstämmigen Palmen und Akazien überragten den Spiegel der Fluth. Die Zweige der Sykomoren und Platanen hingen in den Wellen, während die hohen Silberpappeln mit aufwärts strebenden Aesten das feuchte Element meiden zu wollen schienen. Der volle Mond war aufgegangen und goß sein mildes Licht über den mit dem westlichen Horizonte verschwimmenden libyschen Höhenzug. Auf dem Spiegel des Wassers schwammen blaue und weiße Lotusblumen. Fledermäuse verschiedener Art schwangen und schnellten sich durch die stille, von dem Dufte der Akazien und Jasminblüthen erfüllte Nachtluft. In den Kronen der Bäume schlummerten wilde Tauben und andere Vögel, während, beschützt von dem Papyrusschilfe und den Nilbohnen, die am Ufer grünten, Pelikane, Störche und Kraniche hockten. Erstere verbargen im Schlafe die langgeschnäbelten Köpfe unter die Flügel und regten sich nicht; die Kraniche aber schraken zusammen, sobald sich ein Ruderschlag oder der Gesang arbeitender Schiffer hören ließ, und spähten, die schlanken Hälse ängstlich wendend, in die Ferne. Kein Lüftchen wehte, und das Spiegelbild des Mondes, welches wie ein silberner Schild auf der Wasserfläche schwamm, bewies, daß der Nil, der die Katarrhakten wild überspringt und an den Riesentempeln von Ober-Aegypten schnell vorbeijagt, da, wo er sich dem Meere in verschiedenen Armen nähert, sein ungestümes Treiben aufgegeben und sich gemessener Ruhe überlassen habe.
In dieser Mondnacht durchschnitt 528 Jahre vor der Geburt des Heilandes eine Barke die beinahe strömungslose kanopische Mündung des Nils. Ein ägyptischer Mann saß auf dem hohen Dache des Hinterdecks und lenkte von dort aus den langen Stab des Steuerruders4. In dem Kahne selbst versahen halbnackte Ruderknechte singend ihren Dienst. Unter dem offenen, einer hölzernen Laube gleichenden Kajütenhause lagen zwei Männer auf niedrigen Polstern. Beide waren augenscheinlich keine Aegypter. Selbst das Mondlicht ließ ihre griechische Herkunft erkennen. Der Aeltere, ein ungewöhnlich großer und kräftiger Mann im Beginn der sechziger Jahre, dessen dichte graue Locken bis auf den gedrungenen Hals ohne sonderliche Ordnung herniederfielen, war mit einem schlichten Mantel bekleidet und schaute düster in den Strom, während sein etwa zwanzig Jahre jüngerer Gefährte, ein schlanker und zierlich gebauter Mann, bald zum Himmel hinaufblickte, bald dem Steuermann ein Wort zurief, bald seine schöne purpurblaue Chlamis5 in neue Falten warf,