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rührte sich nicht, suchte nicht einmal nach seinen Edelsteinen. Er stand nach vorn gebeugt mit dem Diamanten in der Hand da und starrte den Zombie mit offenem Mund an.

      »Lauf!«, brüllte Elysant, als wollte sie versuchen, ihn aus einer Trance zu reißen.

      »Gewartet«, keuchte der Ghoul. »…lich frei …«

      Elysant holte zum Schlag aus.

      »Warte!«, schrie Thaddius ihr zu.

      »Er hat unsere Gegner ohne zu zögern angegriffen«, fuhr Thaddius fort, als sie innehielt. »Warum? Warum ist er jetzt so ruhig?«

      »End…lich fr…ei«, brachte das grausige Ungeheuer mühsam hervor. »Wäch…ter … nehmt … alles.«

      »Was soll das heißen?«, fragte Elysant scharf.

      Der Zombie streckte die knochige Faust aus und öffnete sie. Zwei Steine fielen zu Boden: ein orangefarbener Zitrin, der dem ähnelte, mit dem Thaddius die Steintruhe geöffnet hatte, und ein leuchtend roter Rubin. Auch den Stab, den er in der anderen Hand hielt, ließ er los und der steinerne Gegenstand landete mit einem Knall vor Elysants Füßen.

      »Nehmt«, stöhnte der Zombie. Er löste den Verschluss seines Umhangs und seiner Kapuze und ließ beides zu Boden fallen. »Nehmt alles.«

      Thaddius und Elysant wichen angeekelt zurück, als der Untote sein Gewand aufschnürte. »Ich … bin frei … Kann endlich … ruhen.«

      Das Gewand fiel zu Boden. Der nackte Leichnam zitterte einige Momente heftig, dann brach er zusammen und bildete einen Haufen aus Knochen und papierdünner grauer Haut.

      Elysant wich einen Schritt zurück. »Bei Sankt Abelle«, flüsterte sie.

      Bruder Thaddius trat an ihr vorbei, um den Zitrin und den Rubin aufzuheben. Er verharrte in seiner gebückten Haltung und betrachtete den langen, schmalen Stab. »Stein«, sagte er kopfschüttelnd, denn er wusste nicht, wie das sein konnte. Er streckte die Hand danach aus, zögerte dann aber, richtete sich auf und wandte sich mit ungläubiger Miene an seine Begleiterin. »Der Stab scheint aus Stein zu bestehen, aus feinstem Marmor. Wie kann das sein?«

      Elysant ließ ihren eigenen Stab fallen, kam heran, nahm die ungewöhnliche Waffe in beide Hände und hob sie mit einem Knurren auf. Ihre Augen weiteten sich.

      »Was ist?«, wollte Thaddius wissen.

      »Macht«, hauchte sie. »Die Verzauberung. Ich kann sie spüren.« Probeweise führte sie ein paar Stöße und Schläge mit der Waffe aus, schwang sie mit einer Hand hinter ihren Rücken und fing sie mit der anderen auf. Dann hielt sie sie abwehrend vor sich. »Perfekt ausbalanciert.«

      »Ein solcher Stein ist doch viel zu brüchig«, argumentierte Thaddius.

      Zur Antwort hob Elysant den Stab über den Kopf und ließ ihn mit aller Kraft auf den Rand des mittleren Sarkophags hinabfahren. Er traf ihn mit solcher Wucht, dass ein Splitter vom Rand absprang, aber der Stab selbst zeigte nicht mal einen Kratzer.

      »Anscheinend nicht«, sagte die Frau kopfschüttelnd. Sie war sichtlich beeindruckt von diesem Schatz.

      »Das Ungeheuer wollte, dass wir alles nehmen«, sagte Thaddius nachdenklich, während Elysant sich vorbeugte, um den Schaden, den ihr Stab an dem Sarkophag hinterlassen hatte, zu begutachten. »Es bewachte …«

      »Das war kein Ungeheuer!«, unterbrach ihn Elysant, die nun nicht mehr den Sarkophag musterte, sondern mit weit aufgerissenen Augen den herabgerutschten Deckel anstarrte.

      »Was hast du entdeckt?«

      »Belfour Albrek«, las sie leise vor, als kämen ihr die Worte kaum über die Lippen. »Der Fels von Vanguard.«

      »Sankt Belfour«, hauchte Thaddius, fiel sofort auf die Knie und begann, vor lauter Überwältigung zu schluchzen. Der untote Geist von Sankt Belfour hatte sie gerettet!

      Elysant kniete ebenfalls nieder, lachend und keuchend, nicht weinend, aber alles, was sie von sich gab, war ebenfalls Ausdruck ihrer ungläubigen Ehrfurcht.

      Nach einer langen Weile und vielen Gebeten hoben die beiden alles, was von der Leiche übrig war, vorsichtig auf und trugen es zu dem offenen Sarg. Doch dann hielten sie inne, denn das Innere war nicht leer. Dort lagen ein zweiter Stab und ein kleiner Beutel.

      Thaddius nahm den Beutel, öffnete ihn und nickte, als er darin einen kleinen Haufen heiliger Ringsteine entdeckte. Als Elysant den Stab in die Hand nahm, nickte sie jedoch nicht.

      »Was ist?«, fragte Thaddius.

      »Der ist nicht zum Kämpfen«, erwiderte die Frau und hielt den Stab hoch.

      Thaddius richtete den magischen Diamanten darauf und verstärkte dessen Licht. Der leichte Stab bestand aus Holz, aber aus einem, das er noch nie gesehen hatte. Es war grün und von silbernen Linien durchzogen. Sechs ebenfalls silberne Fassungen waren darin eingelassen und wurden von einer Linie miteinander verbunden, die wie ein Faden wirkte, den man aus Seelensteinen gewoben hatte. In einer der Fassungen steckte ein weiterer Diamant.

      »So etwas habe ich noch nie …«, begann der Mönch, als er Elysant den Stab aus der Hand nahm. Der Satz endete in einem Keuchen, denn als er das Artefakt berührte, hörte er das Lied dieses Diamanten so laut wie das von dem, den er in der anderen Hand hielt, so als hätte er ihm die Magie bereits entlockt.

      Er begegnete Elysants Blick und lächelte breit. »Nicht für deine Art des Kampfes«, bemerkte er trocken. Er sehnte sich danach, diesen Schatz so schnell wie möglich richtig auszuprobieren. »Bringen wir das hier zu Ende, damit die Toten endlich in Würde ruhen können.«

      Die beiden arrangierten die Leiche von Sankt Belfour ehrfürchtig in ihrem Sarkophag. Dann verschloss Thaddius begleitet von vielen Gebeten den Deckel mit Belfours Zitrin.

      Sie nahmen die beiden Stäbe, das Gewand, den Umhang und die Kapuze und Thaddius fand auch seine eigenen Edelsteine wieder, die er zu den anderen in den Beutel legte. Sie entfernten die drei Kästen aus der Steintruhe, bevor Thaddius sie ebenfalls mit dem magischen Edelstein erneut versiegelte.

      »Jetzt kann er ruhen«, sagte Thaddius, als er sich auf der mittlerweile abgekühlten Treppe ein letztes Mal umdrehte.

      »Er hat darauf gewartet, dass Abellikaner kommen und die Gegenstände einsammeln«, sagte Elysant. Sie betrachtete das Gewand, das sie in der Hand hielt. »Wir hätten ihn ankleiden sollen.«

      »Er hat das Gewand als einen weiteren Schatz für uns fallen lassen«, erwiderte Thaddius. »Wieso hätte er das tun sollen, wenn er wollte, dass wir es ihm wieder anziehen?« Er lächelte seine Begleiterin an. »Du kämpfst im selben Stil wie Sankt Belfour. Trage es.«

      Elysant warf dem Gewand einen skeptischen Blick zu.

      »Er war nicht viel größer als du«, sagte Thaddius scherzhaft.

      »Das gehört in eine Vitrine«, argumentierte sie. »Wir dürfen es nicht verrotten lassen.«

      »Wenn das wirklich das Gewand von Sankt Belfour ist, dann liegt es hier seit über zweihundert Jahren«, rief ihr Thaddius ins Gedächtnis. »Nach all dem, was wir hier gefunden haben und nach der Anweisung des Heiligen, alles mitzunehmen, bezweifelst du da wirklich, dass es voller Magie steckt? Zieh es an, meine Liebe.« Er betrachtete den Sarkophag in der Mitte der Gruft und Elysant folgte unwillkürlich seinem Blick. »Wenn ich das richtig verstanden habe, hat dich der Geist eines Heiligen gebeten, es zu tragen.«

      Elysants Hände zitterten ununterbrochen, während sie sich umzog. Sie konnte kaum glauben, dass sie tatsächlich die Robe des legendären Sankt Belfour von Vanguard anlegte.

      »Und?«, fragte Thaddius, als sie das Gewand festschnürte. Es saß etwas locker, aber nicht zu sehr.

      Elysant lächelte und nahm den Steinstab entgegen. Sie schien etwas sagen zu wollen, lächelte aber dann einfach immer breiter, während sie ungläubig den Kopf schüttelte.

      Thaddius verstand den Grund. Sie spürte die Macht, die magische Energie, den heiligen Ruhm.

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