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Hexenzirkel 3: Das Lied des auferstandenen Gottes. R.A. Salvatore
Читать онлайн.Название Hexenzirkel 3: Das Lied des auferstandenen Gottes
Год выпуска 0
isbn 9783966583169
Автор произведения R.A. Salvatore
Жанр Языкознание
Серия Hexenzirkel
Издательство Bookwire
Das Ungeheuer blieb und starrte ihn über seine Schulter hinweg aus den Augenhöhlen des Schädels an.
Es verlangte etwas von ihm.
»Pixquicauh«, wiederholte er.
Das Ungeheuer lächelte hinter der Schädelmaske und ging davon.
Egard schwang an acht Haken hin und her.
Der steile Hang bereitete ihr keine Schwierigkeiten, denn einen Berg hinaufzufliegen, fiel ihr ebenso leicht, wie über einer Ebene zu kreisen. Und hier musste sich Aoleyn dank der vielen Vorsprünge, Baumreihen, Findlinge und Hügel nicht darum sorgen, entdeckt zu werden, was auch daran lag, dass es auf dem Berg an diesem frühen Morgen sehr diesig, aber nicht neblig war.
Sie blieb trotzdem sehr vorsichtig, im Gegensatz zum vorigen Tag, als sie denselben Berg hinabgeflogen war, ohne sich auch nur die geringste Mühe zu geben, sich zu verstecken – eine offene Herausforderung an die Usgar, die sie jagten. Doch nun zogen ganze Kolonnen der seltsam aussehenden Invasoren über die Pfade des Fireach Speuer, vom Craos’a’diad am Gipfel bis zu dem zur Schlucht gewordenen See an seinem Fuß.
Aoleyn hielt irgendwann inne und benutzte die kleine Linse, die ihr Freund Talmadge ihr geliehen hatte, um einen Blick über das Becken bis zu dessen Nordrand zu werfen. Sie atmete auf, als sie dort keinen Eroberer entdeckte, und schöpfte Mut, dass ihre Freunde und die Flüchtlinge sich weiter rasch entfernten. Sie musste hierher zurückkommen, um den Feind auszukundschaften, um Informationen zu sammeln, aber die anderen mussten fliehen. Das rief sie sich ins Gedächtnis.
Aber sie wusste nicht so genau, woher sie diese Informationen bekommen sollte.
Sie berührte den Schmuck, den sie über der linken Ohrmuschel trug. In den Reif war ein kleiner Edelstein eingelassen, ein Katzenauge, das es ihr ermöglichte, auch im schwächsten Licht gut zu sehen. Der Reif selbst bestand aus Türkis und war somit magisch und mächtig. Aoleyn schloss die Augen und versetzte ihre Gedanken in den Reif. Sie hörte das ruhige Lied, das sie benutzte, um ihre Sinne zu einem nahe gelegenen Baum zu führen, wo ein kleiner Vogel auf einem Ast hockte.
Aoleyns Gedanken glitten in den Vogel hinein, übernahmen mühelos die Kontrolle und schon flog er los, schwang sich um den Berg herum und folgte den Hauptpfaden, die bis zum See hinunterführten. Sie spürte die Anspannung des kleinen Vogels und begriff durch dessen Sinne, dass er eine Eule entdeckt hatte – dann sah auch sie den Raubvogel.
Aoleyns Geist verließ den kleinen Vogel und huschte rasch zu ihrem Lieblingswirt hinüber. Nur einen Moment später erhob sich die Eule in die Luft, gelenkt von einer weit entfernten Frau.
Nun war ihr Gehör so scharf und fein, dass sie kurz darauf eine melodische, glatte Stimme hörte – sie hielt sie anfangs für die einer Usgar. Doch als sie die Kreatur sehen konnte, erkannte sie, dass die Tonlage sie getäuscht hatte, denn es handelte sich um einen männlichen Eroberer, einen großen und starken Mann, der Brennholz auf den Armen trug und auf eine gesattelte, an einen Baum gebundene Echse zuging.
Endlich hatte Aoleyn ein Ziel. Sie ließ die Eule mit ausgestreckten Krallen in den Sturzflug gehen, um dem Mann einen Schreck zu versetzen, und genoss es ein wenig, als er erschrocken das Brennholz fallen ließ und dabei Worte rief, die sie zwar nicht verstand, aber für Flüche hielt. Sie prägte sich das Gelände und dessen auffälligste Orientierungspunkte ein, dann gab sie die Eule frei und kam sofort wieder zu sich. Nun beschwor Aoleyn einen weiteren Edelstein. Sie legte die Hand auf ihre Hüfte und bedeckte mit den Fingern die große graue Einfassung des orangen Steins, der die Mitte des von ihrem Kettengürtel hängenden Medaillons bildete.
Erneut verließ sie ihren Körper, doch dieses Mal nicht nur als Gedankenstrahl, mit dem sie kurzzeitig ein Tier bewohnen konnte. Stattdessen ließ sie ihren Körper komplett zurück und unternahm eine Geistwanderung, die sie von ihrem Fleisch, ihren Knochen und ihrem Blut wegführte.
Sie warf einen Blick auf ihre körperliche Hülle, um deren Versteck zu überprüfen, dann stieg sie empor und stellte sicher, dass sich keine Feinde in der Nähe aufhielten. Anschließend machte sie sich auf die Suche nach dem Brennholzsammler, den sie mühelos fand. Er fluchte immer noch, während er die Holzscheite wieder auf seinem Arm stapelte.
Aoleyn fuhr wie eine Sturmböe in ihn, überwältigte ihn, bevor er die Besitzergreifung durchschauen konnte, und griff seinen Verstand und seinen Geist an. Sie hatte ihn völlig überrascht und konnte ihn deshalb schnell beherrschen. Sie versiegelte seinen Geist in einer Tasche tief in seinem Bewusstsein, bevor sie dieses Bewusstsein nach dem durchsuchte, was sie haben wollte: ausführliche Versionen der kurzen Einblicke, die sie bei den anderen Sidhe, mit denen sie verschmolzen war, gewonnen hatte – nein, keine Sidhe, sondern Xoconai.
Sie stieß schon bald auf Antworten. Bilder des Krieges, der Eroberung, der totalen Weltherrschaft traten vor ihr geistiges Auge. Eine gewaltige Kolonne dieser seltsamen Humanoiden, Zehntausende – mehr Wesen, als Aoleyn je zuvor gesehen oder sich hatte vorstellen können –, die sich versammelten, um in den Krieg zu ziehen. Und an ihrer Spitze ein golden leuchtender Gott, riesig und wunderschön und schrecklich.
Sie erkannte ihn.
Sie hatte ihn auf dem Drachen, der durch den Himmel zu schwimmen schien, reiten sehen.
Aoleyn schreckte zurück.
Ihr werdet scheitern, vermittelte sie dem Xoconai in seiner eigenen Sprache. Es faszinierte sie, wie leicht ihr die Sprache dank der engen geistigen Verbindung mit diesem Fremden fiel.
Sie spürte die Verwirrung des Xoconai und verstand viele der stummen Fragen, die auf sie einströmten, die verblüfften Gedanken.
Aoleyn floh aus dem Bewusstsein des Wesens und kehrte in ihren Körper zurück. Sie wusste, dass der Eroberer, der Xoconai, nach ihrem brutalen Angriff benommen sein würde und das, was ihm widerfahren war, vielleicht nie richtig verstehen würde. Schon bald flog sie erneut den Berg hinauf, doch dieses Mal in ihrem Körper. Sie musste hier oben noch eine Aufgabe erledigen, bevor sie zu ihren Begleitern – wenn man sie so nennen wollte – zurückkehrte und ihnen berichtete, was sie erfahren hatte.
Und dann würden sie und die anderen diesen Ort verlassen und weit, weit weggehen.
Sie stieg über die westliche Gipfelkette zur Spitze des Fireach Speuer empor und überquerte dabei auch den Bereich, in dem sie vor langer Zeit zum ersten Mal die dämonische Fossa gesehen hatte. In dieser Nacht hatte sie auf einer Kiefer im heiligen Hain ihres Volks gehockt. Sie erreichte den Rand eines Bergkamms und warf einen Blick zurück auf ihre alte Heimat.
Auf dem Winterplateau der Usgar wimmelte es von Eroberern. Ein Stück näher, aber immer noch weit genug entfernt, sah sie das heilige Wäldchen und die Wiese, die man Dail Usgar nannte. Dort bewegten sich mehrere Personen und sie hörte leisen Gesang. Das weckte ihre Neugier, ängstigte sie jedoch auch. Hatten einige aus ihrem Volk überlebt? Waren Mairen und die Hexen dort? Oder hatten die Xoconai diesen rituellen Ort an sich gerissen?
Schließlich hatte sie früh an diesem Morgen beobachtet, wie ihr Gott Dail Usgar auf seinem schlangenartigen Drachen verlassen hatte.
Aoleyn widerstand der Versuchung, sich das Ganze näher anzusehen, und rief sich ins Gedächtnis, dass sie aus einem anderen Grund hier oben war, einem, der es ihrer Flüchtlingsgruppe hoffentlich erleichtern würde, diese Gegend ganz hinter sich zu lassen. Außerdem, dachte sie, als eine Erinnerung in ihrem Kopf auftauchte, gibt es eine Stelle, von der aus ich die Geschehnisse in Dail Usgar besser sehen kann, ohne in Gefahr zu geraten. Also flog sie in Richtung Osten, zum höchsten Gipfel von Fireach Speuer.
Die Usgar nannten ihn Craos’a’diad, den Mund Gottes, aber für Aoleyn war das gähnende Loch im Hochplateau oben auf dem Fireach Speuer nichts weiter als eine Hinrichtungsgrube – allerdings eine, die zu einer Reihe von