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Die ersten Menschen im Mond. Herbert George Wells
Читать онлайн.Название Die ersten Menschen im Mond
Год выпуска 0
isbn 9783961184033
Автор произведения Herbert George Wells
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Sie sehn,« sagte er schwach, »es ist eine Angewöhnung.«
»O, das sehe ich ein.«
»Ich muß sie einstellen.«
»Nicht, wenn es Sie stört. Schließlich hatte ich kein Recht – ich habe mir so etwas wie eine Freiheit herausgenommen.«
»Durchaus nicht,« sagte er, »durchaus nicht. Ich bin Ihnen sehr verbunden. Ich sollte mich vor solchen Dingen hüten. Ich werde es in Zukunft. Könnte ich Sie noch einmal bemühen? – Dies Geräusch?«
»Etwa so,« sagte ich: »Susuhh, Susuhh. Aber wirklich, wissen Sie – –«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden. Ich weiß auch, ich werde absurd geistesabwesend. Sie haben ganz recht – vollständig recht. Wahrhaftig, ich bin in Ihrer Schuld. Die Sache soll aufhören. Und jetzt, Herr, ich habe Sie schon weiter mitgenommen, als ich hätte tun sollen.«
»Ich hoffe, meine Impertinenz – –«
»Durchaus nicht, Herr, durchaus nicht.«
Wir blickten einander einen Augenblick an. Ich hob den Hut und wünschte ihm einen guten Abend. Er erwiderte krampfhaft, und so gingen wir unserer Wege.
Am Zauntritt blickte ich auf seine verschwindende Gestalt zurück. Sein Gebaren war merkwürdig verändert, er schien lahm, zusammengeschrumpft. Der Kontrast mit seinem ehemaligen gestikulierenden, summenden Selbst ergriff mich absurderweise als pathetisch. Ich beobachtete ihn, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann kehrte ich mit dem herzlichen Wunsch, ich hätte mich an meine eigenen Angelegenheiten gehalten, in mein Sommerhaus und zu meinem Drama zurück.
Am nächsten Abend sah ich ihn nicht. Aber er lag mir sehr im Sinn, und mir war eingefallen, er könne in der Entwicklung meines Dramas als ein sentimental komischer Charakter einem nützlichen Zwecke dienen. Am dritten Tage machte er mir einen Besuch.
Eine Zeitlang plagte mich der Gedanke, was ihn wohl hergeführt habe. Er machte aufs formellste gleichgiltige Konversation; dann kam er unvermittelt aufs Geschäft. Er wollte mich aus meinem Haus herauskaufen.
»Sie sehn,« sagte er, »ich tadele Sie nicht im geringsten, aber Sie haben eine Gewohnheit zerstört, und das desorganisiert mir meinen Tag. Ich bin hier jahrelang gegangen – Jahre. Ohne Zweifel habe ich gesummt ... All das haben Sie unmöglich gemacht!«
Ich schlug vor, er solle es mit einer anderen Richtung versuchen.
»Nein. Es gibt keine andere Richtung. Dies ist die einzige. Ich habe mich erkundigt. Und jetzt – jeden Nachmittag um vier – da komm ich an eine blinde Mauer.«
»Aber, mein lieber Herr, wenn die Sache für Sie von solcher Bedeutung ist – –«
»Es ist eine Lebensfrage. Sie sehn, ich bin – ich bin ein Forscher – ich bin mit einer wissenschaftlichen Untersuchung beschäftigt. Ich wohne – –« er hielt inne und schien zu denken. »Da drüben,« sagte er und zeigte plötzlich in gefährliche Nähe meines Auges. »Das Haus mit den weißen Schornsteinen, die Sie da gerade über den Bäumen sehen. Und meine Verhältnisse sind anormal – anormal. Ich stehe im Begriff, eins der allerwichtigsten Experimente zu vollenden – ich kann sie versichern, eins der allerwichtigsten Experimente, die je gemacht sind. Das erfordert beständiges Denken, beständige geistige Freiheit und Aktivität. Und der Nachmittag war meine glänzendste Zeit! – gärend von neuen Gedanken – neuen Gesichtspunkten.«
»Aber warum nicht weiter dort vorbeigehn?«
»Alles wäre anders. Ich wäre bewußt. Ich würde an Sie bei Ihrem Drama denken – wie Sie mich gereizt beobachten – statt an meine Arbeit zu denken. Nein! ich muß das Haus haben.«
Ich überlegte. Natürlich wollte ich die Sache gründlich durchdenken, ehe etwas Entscheidendes gesagt wurde. Ich war im allgemeinen in jenen Tagen zu Geschäften bereit genug, und Verkaufen hatte mich immer angezogen; aber erstens war es nicht mein Haus, und selbst wenn ich es ihm zu einem guten Preise verkaufte, konnte ich in der Übergabe der Güter Unannehmlichkeiten haben, wenn der laufende Besitzer von dem Geschäft Wind bekam, und zweitens war ich, nun – nicht schuldenfrei. Es war entschieden ein Geschäft, das vorsichtiges Verfahren erforderte. Obendrein interessierte mich auch die Möglichkeit, daß er auf der Spur einer wertvollen Erfindung war. Mir kam der Gedanke, daß ich gern mehr von seiner Untersuchung wüßte, ohne jede unehrliche Absicht, einfach mit dem Gedanken, zu erfahren, was es war, würde eine Ablenkung vom Dramenschreiben sein. Ich streckte Fühlhörner aus.
Er war ganz bereit, Auskunft zu geben. Ja, als er einmal recht im Gange war, wurde die Unterhaltung zum Monolog. Er redete wie ein lange eingesperrter Mensch, der es wieder und wieder bei sich durchgegangen ist. Er redete fast eine Stunde lang, und ich muß gestehen, ich fand es ein ziemlich starkes Stück, zuzuhören. Aber durch alles lief der Unterton der Befriedigung hindurch, die man fühlt, wenn man eine Arbeit versäumt, die man sich gesetzt hat. Während jener ersten Unterredung wurde mir sehr wenig davon klar, worauf seine Arbeit hinauslief. Die Hälfte seiner Worte waren technische Ausdrücke, die mir völlig fremd waren, und er illustrierte ein oder zwei Punkte mit dem, was ihm elementare Mathematik zu nennen beliebte, indem er mit einem Kopiertintenstift auf einem Kuvert in einer Weise Berechnungen anstellte, die es schwer machten, auch nur den Anschein zu erwecken, als verstehe man. »Ja,« sagte ich; »ja. Nur weiter!« Trotzdem wurde mir genug klar, um mich zu überzeugen, daß er kein bloßer Schwachkopf war, der Entdeckungen spielte. Trotz seiner schwachkopfartigen Erscheinung zeigte er eine Kraft, die das unmöglich machte. Was es auch war, es war etwas von mechanischen Möglichkeiten. Er erzählte mir von einem Werkschuppen, den er habe, und von drei Gehilfen – ursprünglich in Akkord arbeitenden Zimmerleuten – die er abgerichtet hatte. Nun ist vom Werkschuppen bis zum Patentamt klärlich nur ein Schritt. Er lud mich ein, mir die Sachen anzusehen. Ich nahm bereitwilligst an und sorgte dafür, daß ich das – durch eine Bemerkung oder so – unterstrich. Der vorgeschlagene Verkauf des Sommerhäuschens blieb sehr angenehmerweise noch in der Schwebe.
Schließlich stand er auf, um zu gehen, und entschuldigte sich wegen der Länge seines Besuchs. Über seine Arbeit zu reden, sagte er, war ein Vergnügen, das er nur zu selten genoß. Nicht oft finde er einen so intelligenten Zuhörer wie mich; er verkehre sehr wenig mit berufsmäßigen Wissenschaften.
»Soviel Kleinigkeiten,« erklärte er; »soviel Intrigue! Und wahrhaftig, wenn man eine Idee hat – eine neue, befruchtende Idee – . Ich will nicht unbarmherzig sein, aber – –«
Ich bin ein Mann, der an Impulse glaubt. Ich machte einen Vorschlag, der vielleicht übereilt war. Aber man muß bedenken, daß ich vierzehn Tage lang in Lympne allein gewesen war und an einem Drama geschrieben hatte, und mein Gewissensbiß wegen seines vernichteten Spaziergangs ließ mir noch keine Ruhe.
»Warum nicht«, sagte ich, »dies zu Ihrer neuen Gewohnheit machen? Statt der, die ich verdorben habe? Wenigstens, bis wir wegen des Hauses ins reine kommen können. Was Sie nötig haben, ist, daß Sie Ihre Arbeit im Geist überlegen. Das haben Sie immer auf Ihrem Nachmittagsspaziergang getan. Das ist leider vorbei – Sie können die Dinge nicht wieder machen, wie sie waren. Aber warum nicht herkommen und mir von Ihrer Arbeit erzählen: mich als eine Art Wand benutzen, gegen die Sie Ihre Gedanken werfen, um sie wieder aufzufangen? Gewiß ist, daß ich nicht genug weiß, um Ihre Ideen selber zu stehlen – und ich kenne keine Wissenschafter – –«
Ich hielt inne. Er überlegte. Offenbar zog ihn die Sache an. »Aber ich fürchte, die Sache würde Sie langweilen,« sagte er.
»Sie meinen, ich bin zu dumm?«
»O, nein; aber technische Dinge – –«
»Einerlei, Sie haben mich heute nachmittag ungeheuer interessiert.«
»Natürlich wäre es für mich eine große Hilfe. Nichts klärt einem selber die Ideen so sehr auf, wie, wenn man sie auseinandersetzt. Bisher – –«
»Mein lieber Herr, sagen Sie nichts mehr.«
»Aber