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seine Hand aus Evis Hand und machte ein paar tollpatschige Schritte in Andrea’s Richtung.

      Andrea war niedergekniet und hatte ihre Arme weit ausgestreckt. »Komm zu mir her, Peterle«, lockte sie. »Nicht fallen! Geh nur schön weiter.«

      Peter zögerte. Sein eigenes Wagnis, aufrecht zu gehen, erschien ihm plötzlich höchst gefährlich. Er war schon drauf und dran, sich wieder ins Gras plumpsen zu lassen, als Andrea sagte: »Lauf doch her zu mir. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich fange dich auf.«

      Peterle marschierte nun auf seine Mutter zu. Er stolperte zwar, aber es gelang ihm, sich aufrecht zu halten, bis er sicher in Andrea’s Armen gelandet war.

      Andrea fing ihn auf und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Na, siehst du, du hast es geschafft«, freute sie sich. Dann blickte sie sich nach Henrik um und meinte triumphierend: »Hast du es gesehen? Peter kann laufen, allein, ohne dass er sich irgendwie festhält.«

      Henrik gab zu, seinem Neffen Unrecht getan zu haben.

      Peterles Vater wurde herbeigeholt, um die Neuigkeit zu erfahren.

      »Ist das wirklich wahr? Peter kann laufen?«, fragte Hans-Joachim skeptisch.

      »Natürlich ist es wahr. Alle haben es gesehen«, erwiderte Andrea. »Peter hat sich von Evis Hand losgemacht und ist zu mir herübermarschiert.«

      »Na ja, das war vielleicht ein Schritt.«

      »Nein, es waren mindestens drei Meter«, entgegnete Andrea.

      »Mehr noch«, sagte Pünktchen. »Ich glaube, es waren vier Meter.«

      »Nein, fünf.«

      »Wenn ihr euch so weiter steigert, wird es bald ein Kilometer sein, den Peterle laufend zurückgelegt hat«, meinte Hans-Joachim lachend und sagte dann zu seinem Sohn: »Erzähl mir, wie es wirklich gewesen ist.«

      »Papa«, erwiderte Peter.

      »Ja, ich bin dein Papa. Nun zeig auch mir, wie du laufen kannst.«

      Doch Peterle war vorerst nicht dazu zu bewegen, das Kunststück zu wiederholen.

      »Ich merke schon, ihr habt alle miteinander geschwindelt«, sagte Hans-Joachim schließlich.

      Irgendwie schien Peterle den Sinn dieser Worte, die deutlich den Unglauben seines Vaters ausdrückten, zu begreifen. Jedenfalls stapfte er schwankend auf Hans-Joachim zu. Diesmal waren es nur vier kleine Schritte, aber er legte sie ohne jede Hilfe zurück.

      »Hurra!«, rief Henrik, »jetzt hat er es dir bewiesen.«

      Alle lachten und freuten sich und lobten Peterle.

      *

      Die Nachforschungen der Polizei nach Evis Anverwandten hatte noch immer kein Ergebnis gebracht. Der freundliche Wachtmeister Kirsche aus Wildmoos war eines Tages im Haus der Familie von Lehn aufgekreuzt, um seinerseits zu versuchen, von Evi einen Hinweis zu erlangen. Aber auch seine Bemühungen blieben ohne Erfolg. Evi erzählte bereitwillig, jedoch ein wenig verworren, über das Leben, das sie früher bei ihrem Vati im Wald geführt hatte. Leider konnte niemand mit ihren Beschreibungen etwas anfangen. Nicht einmal der Beruf ihres Vaters ließ sich eruieren. Nur dass er nicht mehr richtig gehen konnte, betonte Evi immer wieder.

      Wachtmeister Kirsch verabschiedete sich seufzend, und Betti atmete auf, als er endlich ging. Sie fand, dass er Evi nur unnötig in Aufregung versetzt hatte, was aber nicht ganz stimmte. Im Grunde genommen war Betti nur jeglichem Versuch, Evis Identität festzustellen, feindlich gesinnt. Allmählich festigte sich in ihr das Gefühl, dass Evi zu ihr gehörte. Sie wollte das Kind nicht mehr hergeben. Endlich hatte sie einen Menschen, der auf sie, und zwar hauptsächlich auf sie, angewiesen war.

      Evi gab die Zuneigung, die das Hausmädchen für sie empfand, reichlich an Betti zurück. Bei Helmut Koster war das dagegen nicht der Fall.

      Einige Tage hindurch war Betti ihrem Verlobten aus dem Weg gegangen. Da beide aber im gleichen Haus, beziehungsweise Betti im Wohnhaus und Helmut nicht weit davon im Tierheim, wohnten, war ein Ausweichen auf die Dauer nicht möglich.

      Eines Abends, als Betti nach dem Abspülen das Geschirr in die Schränke einordnete, betrat Helmut Koster pfeifend die Küche und lud Betti zu einem Spaziergang ein.

      Betti war darüber nicht erfreut, denn sie war mit sich selbst noch nicht ins Reine gekommen. Deshalb suchte sie nach einer Ausrede und stotterte: »Ich weiß nicht … Evi …«

      »Musst du immer nur an das Kind denken? Wo ist Evi eigentlich? Ich sehe sie nirgends. Sie hängt doch sonst immer an deiner Kittelfalte.«

      »Du redest nicht sehr freundlich …«

      »Entschuldige, ich habe es nicht so gemeint. Aber wo ist Evi wirklich?«

      »Sie schläft bereits. Sie hat am Nachmittag lange mit Peter im Garten herumgetollt, sodass sie kaum noch die Augen offenhalten konnte. Deshalb habe ich beide Kinder heute zeitiger als sonst zu Bett gebracht.«

      »Na, dann hast du wenigstens Zeit für mich.«

      Dagegen konnte Betti nichts mehr einwenden. Außerdem gestand sie sich ein, dass sie Helmut wirklich sehr vernachlässigt hatte. Im Grunde genommen war es kein Wunder, dass er ihre Liebe zu Evi mit scheelen Augen betrachtete.

      Betti bat Helmut, ein paar Minuten zu warten, und lief hinauf in ihr Zimmer, um sich ein wenig zurechtzumachen und ihre Strickjacke zu holen.

      Als sie wieder herunterkam, griff Helmut besitzergreifend nach ihrem Arm und führte sie aus dem Haus. Draußen schlug er einen Weg ein, der am Waldrand entlang nach Wildmoos führte. Dabei meinte er: »So, hier sind wir endlich allein. Jetzt können wir ungestört miteinander reden. Das habe ich schon seit Tagen vor.«

      Betti stimmte dem nur mit halbem Herzen zu. Ihr lag nicht sehr viel an einem Gespräch. Sie hätte damit lieber so lange gewartet, bis sie Näheres über Evi wusste. Vielleicht stellte sich heraus, dass Evis Vater sein Kind gar nicht wollte? Dann …

      Helmut riss Betti aus ihren Grübeleien. »Du bist so geistesabwesend«, stellte er fest. »Woran denkst du? An mich gewiss nicht.«

      Betti errötete, was von Helmut falsch ausgelegt wurde. »Oder hast du dich doch mit mir beschäftigt?«, fragte er. »Dann sag mir, ob dir noch etwas an mir liegt.«

      »Aber, Helmut, das ist eine sonderbare Frage. Natürlich liegt mir an dir. Sonst hätte ich kaum eingewilligt, deine Frau zu werden.«

      Helmut blieb stehen …, versuchte Betti zu küssen.

      »Nicht, Helmut«, protestierte sie. »Jeden Augenblick kann jemand vorüberkommen.«

      »Na und? Jeder weiß, dass wir verlobt sind.«

      Das stimmte. Betti wunderte sich über sich selbst. Was war nur los mit ihr?

      Helmut war durch Bettis ablehnendes Verhalten verstimmt. Schweigend schritten die beiden nun eine Weile nebeneinander her, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Betti hätte das Schweigen gern gebrochen. Sie war ein Mensch, der Unstimmigkeiten nur schwer ertrug. In den letzten Jahren war ihr Leben heiter und gleichmäßig verlaufen, wie es ihrem Wesen entsprach. Immer hatte sie frohgemut ihre Pflichten erledigt und war dafür von der Familie von Lehn mit Herzlichkeit und Anteilnahme belohnt worden.

      Als Helmut Koster sie dann gebeten hatte, seine Frau zu werden, hatte sie geglaubt, ihren zukünftigen Lebensweg klar vor sich zu sehen. Ähnlich wie Andrea hatte sie eine Heirat mit dem Tierpfleger als überaus passend empfunden. Sie war gar nicht auf die Idee gekommen, diesen Antrag abzulehnen. Sie war glücklich gewesen, einen ehrlichen und gut aussehenden Mann zu bekommen, der sie aufrichtig liebte.

      Erst durch Helmuts Schwärmerei vom Zirkus waren Zweifel in Betti aufgestiegen. Sie hatte sie zunächst nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sondern sie einfach verdrängt. Aber nachdem das Schicksal ihr Evi zugeführt hatte, war ihr zu Bewusstsein gekommen, dass das Leben an Helmuts Seite für sie vielleicht doch nicht den Inbegriff des Glücks darstellte.

      Betti biss sich

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