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      „Keine Ahnung, wird wohl schon vorkommen. Aber wir haben keinen Zutritt zum Gefängnisbereich und uns interessiert auch nicht was dort passiert“, grinste mich der Cowboy aufrichtig an.

      „Sie sind doch stark, ein deutscher Kämpfertyp, wie von der Baader-Meinhof-Guerilla“, fügte er hinzu und versuchte damit alle Beklommenheit, mehr anerkennend als ironisch, hinwegzuwischen.

      Ein neuer unheimlicher Gedanke blitzte mir durch den Kopf.

      „Wirft man mir auch Mitgliedschaft in der ehemaligen RAF vor? Zum zweiten Mal in weniger als 20 Stunden höre ich die Namen Baader-Meinhof.“

      „Nein, soweit ich weiß, nicht“, lachte der Cowboy, während seine Zigarette im Mundwinkel wippte, „Sie sind Zorro. Ein Einzelgänger, ein galanter und gewaltloser Bankräuber mit Zorromaske, der über zehn Jahre lang Banken überfallen hat, ohne dass man ihn jemals fassen konnte.“ Er machte eine Pause, in der er mich freundlich grinsend taxierte, „Pardon, Sie sollen es sein.“

      Ich lachte nun ebenfalls freundlich und schaute in die wartenden Gesichter, ohne ihnen den Gefallen zu tun, darauf zu antworten.

      Wir kamen schnell von den mir vorgeworfenen Fällen in Deutschland ab, da er offensichtlich überhaupt keine Informationen darüber hatte, was zu meiner Verhaftung geführt hatte. Dass es eine Denunziation gewesen war, sollte ich erst Monate später im deutschen Knast erfahren.

      „Reiner, wenn Sie wieder nach Portugal kommen – und Sie wollen doch in Portugal leben und nicht in Deutschland – überfallen sie aber keine Banken hier, ja?!“, lachte der Cowboy zum versöhnlichen Abschluss.

      Wir gingen dazu über, über das Leben in Portugal zu sprechen, wobei ich die Unterhaltung behutsam auf die politische Ebene und zur Präsidentenwahl hinführte, die in wenigen Wochen stattfinden würde. Wie erwartet mischten sich auch der Fahrer und der Jüngste der Polizisten in das Gespräch, das immer lauter und leidenschaftlicher wurde. Ich begann mich langsam aus dem Wortwechsel herauszuziehen, nahm jedoch als aufmerksamer Zuhörer noch daran teil, während er immer erhitzter wurde und von einem Moment zum anderen vom Englischen ins Portugiesische fiel.

      Während ich dem Disput folgte, begann ich mit fachmännischen Händen die Holzvertäfelung über dem Sofa zu begutachten, zunächst beiläufig, und mich immer wieder in das Gespräch beugend, dann immer intensiver und interessierter, wobei ich mich langsam von meinen Begleitern abwandte. Ich tastete mich über die Holzvertäfelung, behutsam und immer wieder verhaltend, bis zu der geschlossenen Tür, die ungefähr fünf Meter von unserem Sofa entfernt in die Wand eingelassen war. Neben dem Türrahmen hing in Brusthöhe ein Feuerlöscher. Während ich den Türrahmen befühlte, studierte ich den Feuerlöscher und seine portugiesische Bedienungsanleitung. Die Beamten waren in ihr Gespräch vertieft und beachteten mich nicht.

      Ich sah, wie leicht der Feuerlöscher aus der Halterung zu ziehen war, wie einfach es war, die Plombe herunterzureißen, auf die Beamten zuzuspringen, den Schlauch auf sie zu richten, und auf den Knopf zu drücken. Wie kinderleicht, ihre Gesichter einzuschäumen und sie außer Gefecht zu setzen. Wie schnell würde es gehen, ihnen ihre Kanonen abzunehmen und durch die offene Tür die Treppe hinunter, in die gleißende Freiheit zu springen, in dem beruhigenden Bewusstsein, niemanden wirklich verletzt zu haben.

      Gleich schnaubenden Pferden zerrten die unterschiedlichsten Stimmen in mir. Der in die Ecke gedrängte Wolf, der nur die Moral der Freiheit kannte, doch nicht eine Moral der Wege dorthin, schrie wild:

      „Mach es, Reiner, greife sie an und überwinde sie! Sie sind es, die dich in deiner Lebensfreiheit vergewaltigen, ohne dich auch nur zu kennen. Sie sind es, die dich wieder in einen düsteren Käfig verschleppen wollen, in dem ein sinnloser Kreuzweg auf dich wartet – in völliger Unfreiheit, Entrechtung und totaler Ausgeliefertheit an Gewalt und Zerstörung. Überwinde die, die dich gefangen halten und zerstören wollen, und du bist frei.“

      Eine andere Stimme, aufgebracht und mit in Abwehr hochgehaltenen Händen, forderte mit scharfem Nachdruck:

      „Reiner, du kannst keine Gewalt anwenden! Auch eine Attacke mit einem Feuerlöscher ist Gewalt und sie ist durch keinen Umstand zu rechtfertigen. Es sind Menschen. Drei Menschen. Drei unterschiedliche, ganz eigene Leben, und du hast kein Recht, diese Leben zu verletzen, und damit auch Leid über andere unschuldige Leben zu bringen. Dein Prinzip war es immer, dass das Ziel nicht jedes Mittel rechtfertigt, sondern dass die Mittel und Wege von der Moral des Zieles bestimmt sein müssen.“

      „Ach was“, drängte sich eine ruhige, vernünftige Stimme dazwischen, „lass dir die Augen nicht mit Moral und Ethik verkleben. Es geht hier darum, entweder du oder sie, wobei die kurzmomentigen Konsequenzen für sie geradezu lächerlich nichtig sind, für den Fall, dass du sie überwindest, im Verhältnis zu den irrsinnigen Konsequenzen die auf dich warten, wenn du dich ihrer Gewalt nicht entziehst. Für sie bist du nur eine saftige Trophäe, ein interessantes exotisches Tier, das sie gefangen haben, dessen Gefangenschaft an sich und weiterer Werdegang sie aber schon nicht mehr interessiert. Also los, Lissabon ist deine Stadt, und du wirst in deiner Stadt untertauchen wie ein trockengelegter Fisch, der gerade noch rechtzeitig das Meer erreichen konnte. Das Weitere wirst du in Lissabon aus dem Hintergrund klären und vorbereiten. Du kannst nach Brasilien gehen. Du kennst das Land, du hast Verbindungen dort, sprichst die Sprache, und Brasilien liefert nicht aus. Also los – Rock ’n’ Roll.”

      Ich hatte mich scheinbar lässig mit dem Rücken und Kopf gegen den Türrahmen gelehnt, während mein Blick durch den Raum und über die drei schwatzenden Polizisten schweifte. Ich wirkte völlig ruhig, doch in mir tobte der Sturm, als plötzlich aus der Tiefe eine mild lächelnde Stimme in mir aufstieg und durch den wütenden philosophischen Grabenkrieg hindurch tönte:

      „Mann, Junge! Feuerlöscher, Kanonen, Brasilien. Dort sitzen drei Menschen und du wirst sie niemals verletzen können.“

      Ich schöpfte tief Luft, und in diesem Moment legte sich Cheyennes geliebte Stimme mit einem zarten „Ach, Reiner“ auf meine zerquälte Seele, während ich gleichzeitig ihre kleine zierliche Hand auf meinem Arm spürte. Cheyenne war meine portugisiesche Liebste, die ich im Frühling in Lissabon getrofffen hatte. Ich schloss die Augen. Ich konnte diese Menschen sowieso nicht angreifen, ich hatte ohnehin nicht das Recht dazu. Ich war nicht mehr allein, ich trug Verantwortung nicht nur für mich, sondern auch für Cheyenne.

      Ich musste Cheyenne schnellstmöglich sprechen, sie beruhigen und gemeinsam mit ihr die Situation klären. Im Falle einer Flucht wäre das unmöglich. Sie wussten bestimmt, wenn sie schon so viel wussten, dass Cheyenne meine einzige wirkliche Nabelschnur, meine einzige abhängige Verbindung zum Leben war. Somit würden sie im Falle meiner Flucht als Erstes über sie herfallen und sie mit Lügen und Drohungen bestürmen. Ich dagegen konnte, auf der Flucht und abgeschirmt, nicht einmal auf eine solche Situation einwirken. Sie würde in der Spannung zerrissen werden, unter Druck gesetzt von der Polizei und zerquält in der Ungewissheit über mich und die Rechtmäßigkeit der Anklagen und zudem den wütenden Angriffen und Vorwürfen ihrer Mutter ausgesetzt.

      Außerdem wären Cheyenne und ich im Falle einer Flucht zerstört. Wir würden, ohne Gefahr, niemals mehr zusammen sein können.

      Das ganze Gewitter war in nur wenigen Momenten durch mich hindurch getobt. Meine drei Beamten saßen, unverändert schwatzend und rauchend, auf dem grünen Sofa und ahnten nicht, welches Damoklesschwert für einen Moment über ihnen geschwebt hatte. Für einen Moment hatte ich die Macht über sie und meine Freiheit in Händen gehalten, nun hatte ich mich freiwillig in ihre Macht zurückbegeben. Eine tiefe Niedergeschlagenheit ergriff mich. Ich stieß mich seufzend von dem Türpfosten ab, ließ mich nach vorne fallen und schlenderte auf meine drei Begleiter zu.

      Eine Stunde später begann das Auslieferungsprozedere, bei dem mir ein Richter mit seinen beiden Beisitzern den internationalen Haftbefehl und das Auslieferungsersuchen des deutschen Staates eröffnete, über das in den nächsten Monaten entschieden werden würde, was nur eine Formsache sei.

      Meine drei Begleiter legten mir wieder die Handschellen an. Wir verließen das Gerichtsgebäude und traten auf die sonnendurchflutete Straße, die voller geschäftiger Menschen war. Ich

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