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geohrfeigt.«

      »Ist doch bloß gut, daß sie die Bezeichnung Dame gewissermaßen in Anführungsstriche setzen«, lachte Karola. »Ich bin ganz zufrieden mit meinem nassen Ärmel: Bekommen wir doch bald den Kaffee, auf den wir sonst bei der Überfüllung noch lange hätten warten oder gar auf ihn verzichten müssen. Da erscheint die niedliche Kleine ja schon, lachend über das ganze Gesicht.«

      »Der Kaffee ist schön heiß«, sagte das Mädchen eifrig, indem es Kännchen nebst Windbeutel abstellte. Bevor es abtrollte, setzte es noch mit verlegenem Lächeln hinzu:

      »Ich danke auch schön, gnädiges Fräulein.«

      »Na, also«, meinte Karola vergnügt. »Das war mal eine kleine Ursache ohne große Wirkung.«

      Was nicht ganz stimmte. Die große Wirkung war schon da, wenn auch in anderem Sinne. Wirkte doch das vornehme Verhalten des Mädchens so stark auf den Mann, daß er ihm mit jeder Faser seines Herzens verfiel.

      Und jetzt erst begann das Hangen und Bangen, ob seine Liebe von dem warmherzigen Menschenkind auch erwidert würde. Am liebsten hätte er es sofort darum befragt, besaß jedoch immerhin noch so viel Vernunft, um sich zu sagen, daß man ein Mädchen wie Karola nicht einfach überrumpeln durfte. Um das mußte man werben – und dabei sein Herz fest in beide Hände nehmen, damit es nicht durchging vor der Zeit.

      Wenn das nur nicht so schwer wäre. Ein tiefer Seufzer ließ Karola von ihrem Windbeutel aufsehen.

      »Was haben Sie, Herr Doktor? Ist der Kaffee denn so schlecht?«

      »Nein, mir tut das Herz weh.«

      »Nanu, sind Sie denn herzkrank?«

      »Ja.«

      »Dann dürfen Sie den starken Kaffee nicht trinken«, griff sie energisch nach seiner Tasse, doch er hielt sie lachend fest.

      »Lassen Sie nur, gnädiges Fräulein, der tut mir nichts. Aber es ist lieb von Ihnen, daß Sie um meine Gesundheit so besorgt sind.«

      Er horchte auf; denn Musik setzte ein, die wohl von Schallplatten herrührte, und was sie spielte, gehörte nun wirklich hierher. So richtig stillvergnügt summte Detlef die Weise mit. Keinen Blick dabei von Karola lassend, die sich bemühte, harmlos zu tun, was für sie nicht ganz einfach war, weil sie den Text kannte.

      In einer kleinen Konditorei,

      da saßen wir zwei

      bei Kuchen und Tee.

      Und das elektrische Klavier,

      das klimpert leise eine Weise

      von Liebeslust und Weh.

      Wie oft hatte Karola das reizende Liedchen gehört, aber noch nie hatte es sie so eigen berührt wie jetzt. Es klang etwas in ihrem Herzen wie eine Äolsharfe so zart und süß. Sie wollte lachen, irgendeine Bemerkung machen, allein es gelang ihr nicht. Wie benommen saß sie da, wagte nicht den Mann anzusehen, dessen Blick sie fühlte. Erst als die Musik schwieg und gleich darauf ein höllenspektakelndes Gekreisch einsetzte, das riß sie aus ihrem süßduseligen Bann.

      »Daß die Menschen doch immer von einem Extrem ins andere fallen müssen«, sagte der Mann ungehalten. »Nach dieser wirklich ansprechenden Musik nun dieses Gezeter und Gejohle, als wären alle Teufel losgelassen. Das ist ja nicht zu ertragen.«

      »Gehen wir also«, schlug Karola vor. »Eben bricht die Sonne durch das aufgerissene Gewölk. Da dürfte es draußen angenehmer sein als in dem von Menschen vollgepfropften Raum und dem mißtönenden Spektakel.«

      »Da sprechen Sie mir direkt aus der Seele, gnädiges Fräulein. Wollen wir also zusehen, daß wir die nette Kleine erwischen, damit ich zahlen kann.«

      Nach dem freudestrahlenden Gesicht des Mädchens zu urteilen, mußte das Trinkgeld nobel ausgefallen sein. Mühsam schlängelte man sich durch die Tische, immer gewärtig, über ungeniert ausgestreckte Beine zu stolpern oder über Kinder, die überall herumschwirrten.

      Doch dann standen sie endlich auf der Straße, die von der Sonne überflutet war. In den Rinnsteinen strömte das Wasser den Gullys zu, wo es dann glucksend verschwand. Von den Pflastersteinen stieg Dampf auf, dessen erdigen Geruch man tief in die Lungen zog.

      »Ein wahres Labsal nach der stickigen Luft in dem Lokal«, sagte Karola, leuchtenden Auges um sich schauend. »Jetzt werde ich nach Hause spazieren, und zwar auf einem Umweg durch die Anlagen.«

      »Darf ich Sie begleiten, gnädiges Fräulein?« fragte er bittend, wogegen sie nichts einzuwenden hatte. Durch die Straßen gingen sie ziemlich rasch. Doch als sie die Anlagen erreicht hatten, verlangsamten sie den Schritt. Die Wege waren von dem Platzregen noch naß, von den Bäumen tropfte das Wasser.

      Doch das machte den beiden Menschen nichts aus. In lebhafter Unterhaltung schlenderten sie dahin. Und wenn sich das Gespräch auch um Nichtigkeiten drehte, so war es dennoch irgendwie für sie von Bedeutung.

      Viel zu schnell verging für Detlef der Spaziergang, aber auch Karola war ganz erstaunt, als die Villa in Sicht kam.

      »So kurzweilig ist mir noch nie ein Weg erschienen«, gab sie unumwunden zu. »Schönen Dank für Ihre Begleitung, Herr Doktor Honneck.«

      »Darf ich auf Wiedersehen sagen, gnädiges Fräulein?«

      »Das ist nicht ausgeschlossen«, kam die Antwort viel zu ablehnend für seine Ungeduld. »Wir müssen ja immer an Ihrem Besitz vorbei, wenn wir zum Hörgishof fahren.«

      »Wann wird das sein?«

      »Das hängt von dem Gesundheitszustand meiner Verwandten ab.«

      »War die junge Dame denn schwer krank?«

      »Schwer gerade nicht, aber immerhin stark erkältet. Seit gestern ist sie außer Bett, somit dürfte alles wieder in Ordnung sein. Schauen Sie mal, dort steht sie am Fenster und winkt. So muß ich denn eilen, damit sie mir nicht entgegenkommt. Fertig kriegt sie es schon.«

      Nach raschem Abschied schritt Karola davon, leichtfüßig wie ein Gemslein, wie der ihr Nachschauende entzückt wahrnahm. Der geöffnete leichte Seidenmantel blähte im Wind, über dem gelockten dunklen Haar schienen Goldfünkchen zu huschen. Ein tiefer Atemzug hob des Mannes Brust, in die Augen trat ein frohes Leuchten. Um dieses Mädchen lohnte ein ritterliches Werben – aber er mußte sein Ziel erreichen.

      *

      Des reichen Wiederbachs Tochter gab sich einer Beschäftigung hin, die gar nicht zu ihr paßte, ihr aber Freude machte. Eifrig streute sie Samen in ein großes Rundbeet, das Franz umgegraben, geformt und mit Rillen versehen hatte. Blumen sollten darauf wachsen, fröhlich, lustig, kunterbunt. Also aus diversen Tütchen, die sie dem Gärtner zu Hause stibitzt hatte, den Samen in eine Schüssel getan, alles gut vermengt – und dann hinein in die lockere Erde.

      So was machte Spaß, wenn auch das Kreuz von der ungewohnten Arbeit schmerzte. Das gab sich wieder, wie Sephchen tröstend meinte, zumal dann, wenn die berühmte Salbe Wunder wirkte.

      Gudrun war mit ihrer Arbeit, die sie sehr wichtig nahm, beinahe fertig, als Baronin Erdmuthe in Begleitung ihres Sohnes zu ihr trat und lachend sagte:

      »Zünftig wie eine Gärtnerin. Tut’s Kreuzchen noch nicht weh?«

      »Etwas schon«, ließ die emsige Gärtnerin sich nicht stören. »Aber macht nichts. Ich bin ja bald fertig, dann hat das Kreuz Feierabend.«

      »Oder auch nicht. Ich hab’ nämlich für Sie einen Auftrag.«

      »Da bin ich aber neugierig«, richtete Gun sich auf, was allerdings nicht ganz ohne einen kleinen Schmerzensschrei abging. Beide Hände gegen den Rücken pressend, sah sie gespannt die Baronin an, die sie lächelnd betrachtete. Kein Wunder bei dem herzerfrischenden Anblick, der sich ihr bot.

      Rank und schlank stand es da, das junge bezaubernde Menschenkind. Aus dem gebräunten, leicht geröteten Gesicht schauten zwei Augen so blau wie der Himmel am Maientag. Unter dem malerisch um den Kopf geschlungenen Seidentuch stahlen sich goldene Löcklein hervor, das einfache

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