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Reise Know-How Reiseführer Marokko. Erika Därr
Читать онлайн.Название Reise Know-How Reiseführer Marokko
Год выпуска 0
isbn 9783831746576
Автор произведения Erika Därr
Жанр Книги о Путешествиях
Серия Reiseführer
Издательство Bookwire
Die international geprägte Vergangenheit Tangers lässt sich bis heute in der Stadtstruktur ablesen: Im Zentrum der Medina (Altstadt) befinden sich eine spanische Kirche (Iglesia de la Purísima) und die Amerikanische Gesandtschaft, das heutige Old American Legation Museum. Das San-Francisco-Viertel (in der Neustadt) umfasst verschiedene italienische und spanische Institutionen – das italienische Konsulat etwa ist im Palais Moulay Hafid untergebracht. Weitere europäische Einrichtungen sind die anglikanische St. Andrew’s Church mit Gräbern bekannter Europäer in unmittelbarer Nähe zum alten Marktplatz, dem Grand Socco, der Deutsche Friedhof im Mendoubia-Park und der Jüdische Friedhof vor den Mauern der Altstadt. Bis heute gibt es in Tanger eine spanische und eine amerikanische Schule.
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Fischerboote im Hafen von Tanger
Geschichte
Der Legende nach hat Antäus, Sohn Neptuns und der Erdgöttin Gäa, die Stadt gegründet. Herkules spaltete an dieser Stelle die Erde und schuf so die Meerenge von Gibraltar, wo Mittelmeer und Atlantik ihre Gewässer vermischen. Tanger ist das wahre Eingangstor Marokkos, täglich verbinden es mehrere Fähren mit Algeciras, Gibraltar und Tarifa. Zuerst war es eine schlichte Berbersiedlung, Tinigi oder Tinigis genannt. Der Name stammt aus der Berberspache Tamazight und wurde aus zwei Silben, tin und igi, zusammengesetzt. Tin bedeutet „die, diejenige“, Igi „hoch, Höhe“, eingedeutscht also „die Hohe“ bzw. „die Hohe Stadt“. Dieser Begriff wurde unter den Einheimischen beibehalten; auf Marokkanisch-Arabisch heißt die Stadt „Tanga al-alya“, französisch Tanger. Unter den Phöniziern hieß sie auch „Stadt der Lagune“ und war blühender Handelsplatz und reiche karthagische Kolonie. Zum ersten Mal in der Geschichtsschreibung erwähnt wurde Tanger erst im 4. Jh. vor Chr. von Hekaitos von Milet, unter anderem auch wegen seiner Tradition, Fische einzusalzen und daraus eine köstliche Fischpaste (Garum) zu bereiten.
Tanger (Tinigis) gehörte seit 146 v.Chr. (dem Jahr der Zerstörung Karthagos) zu Mauretania, einem von Rom unterstützten Berber-Königreich. Der Berberkönig Juba II., in Rom erzogener und von Kaiser Augustus eingesetzter Herrscher von Mauretania Tingitana, pflegte rege Beziehungen zum Römischen Reich. Tanger wurde wichtiger Handelsstützpunkt und Roms Einfallstor zum Hinterland von Mauretania Tingitana. Nach der Ermordung von Ptolemäus, dem Sohn Jubas II., durch Caligula gab es Berberaufstände im ganzen Land, so auch in Tanger. Die Stadt wurde 38 v.Chr. unter römische Verwaltung gestellt und in die römische Provinz Hispania eingegliedert. Sie war deshalb vom Rest des Berberreiches abgekapselt und selbst nach der Angliederung Mauretanias ans Römische Reich (40–45 n.Chr.) verhältnismäßig unabhängig. Damals war Volubilis die Hauptstadt, zu Ende des 3. Jh. wurde Tanger dann als wichtiges Handelszentrum Hauptstadt der römischen Provinz Mauretania Tingitana.
429 wurde Tanger vom Vandalenkönig Geiserich erobert, ihm aber von den Legionen Justinians wieder entrissen und innerhalb des Byzantinischen Reiches der Provinz Mauretania Caesarea zugeschlagen.
Zu Anfang des 8. Jh. fiel Tanger an den Bekehrer und arabischen Feldherren Musa Ibn Nusair, der die Islamisierung einleitete. In der Folge wurde es zum Spielball arabischer Herrschergechlechter, so der Idrissiden unter dem Führer Idris Ben Abdallah, der vor den Abassiden aus dem Orient flüchtete und zum ersten König Marokkos wurde, und den Umayyaden.
Ein Jahrhundert später, 958, gewannen die tunesischen Fatimiden die Oberhand. Die in den Bergen versteckten Idrissiden wurden endgültig von den Umayyaden verjagt, die die Macht über die Stadt erlangten. 1075 wurde die Stadt von den Almoraviden, 70 Jahre später von den Almohaden übernommen. Ein weiteres Zwischenspiel in der Eroberung der Stadt gaben die tunesischen Fatimiden, bevor die Meriniden 1274 Tanger in ihre Gewalt brachten.
Im 14. Jh. war die Stadt zu einem wichtigen Handelsplatz für die Seemächte im Mittelmeer geworden, und manche begehrlichen Herrscheraugen richteten sich auf Tanger. 1437 eroberten es die Portugiesen, und im Jahre 1578 ging es durch Erbfolge in den Besitz der Spanier und 1643 wieder auf die Portugiesen über. 1661 fiel Tanger durch die Eheschließung der portugiesischen Prinzessin Catarina von Bragança mit Karl II. als Mitgift an England. Unter den Briten konnte sich die Stadt gut entwickeln, nach Uneinigkeiten des englischen Königs Karl II. mit seinem Parlament kam es aber zum Rückzug der britischen Truppen.
Aufgrund der sechsjährigen Belagerung durch Moulay Ismail, der von den Spaniern unterstützt wurde, war Tanger ohnehin vom Hinterland abgeschnitten und konnte durch Belagerung der Spanier vom Meer her den Hafen nicht mehr nutzen, sodass der Handel seitdem an Bedeutung verloren hatte. 1684 konnte Moulay Ismail in Tanger einziehen, die Engländer rückten ab, zerstörten vorher aber die alten Befestigungsmauern und brannten die Innenstadt nieder.
1790 musste die Stadt spanischen Angriffen trotzen, 1844 versuchten die Franzosen die Stadt zu erobern. Da sich Ende des 19. Jh. Marokko immer mehr von Europa abkapselte, ja sogar ein Verbot für Ausländer aussprach, das Land zu bereisen, wurde Tanger der einzige Platz, an dem sich ausländische Diplomaten niederlassen konnten. Immer mehr Europäer siedelten sich an, die Engländer kümmerten sich um den Bau sanitärer Anlagen, und es gelang ihnen innerhalb kurzer Zeit, in der Stadtverwaltung wichtige Posten zu besetzen, bis der Sultan bald kaum mehr etwas zu sagen hatte. Deutschland unterhielt schon seit 1870 Handelsbeziehungen zu Marokko und war ebenfalls konsularisch in Tanger vertreten. Kaiser Wilhelm II. setzte sich bei seinem Besuch 1905 in Tanger für eine weitere Unabhängigkeit Marokkos ein. Trotzdem wurden Marokko und auch Tanger 1912 französisches Protektoratsgebiet.
1923 erklärte man Tanger zur internationalen Zone, acht Staaten einschließlich Marokko verwalteten nun die Stadt. Wirtschaftlich und politisch wurde sie international, militärisch aber neutral. Durch diesen Schritt erlebte Tanger eine wirtschaftliche Blüte, avancierte zum Freihandelsplatz und beliebten Stützpunkt für internationale Geldmärkte und Firmen. Mit dem regen Warenhandel wurde Tanger aber auch zum Umschlagplatz für Rauschgift und Alkohol und erwarb sich dadurch einen zwielichtigen Ruf.
Von 1940–45 war Tanger spanisch besetzt. Mit Erlangung der Unabhängigkeit und der Vereinigung Marokkos kam die Stadt am 29. Oktober 1956 zum scherifischen Reich zurück, die Privilegien wurden aufgehoben, lediglich der Hafen war noch Freihandelszone mit zahlreichen internationalen Textilfabriken. Durch Industrialisierung und Förderung des Tourismus wollte sich Tanger einen bescheidenen Wohlstand erhalten, die Hoffnungen waren aber trügerisch: Die Textilbranche, die sich einige Zeit mit Aufträgen für die europäischen Anrainerstaaten über Wasser halten konnte, verlor viele Aufträge an Billiglohnländer. Der Tourismus verlor durch den schlechten Ruf der Stadt deutlich an Terrain. Außerdem wurde Tanger wegen der Nähe zum Rif Umschlagplatz für den Hasch- und Kiffhandel und für den Schwarzmarkt mit der spanischen Enklave Ceuta. In den letzten zehn Jahren entwickelte sich Tanger jedoch wirtschaftlich und touristisch enorm, sodass sich die Stadt inzwischen in einem neuen Licht präsentiert.
Orientierung
Die Orientierung in der Stadt fällt relativ leicht. Ganz im Norden erhebt sich die ummauerte Altstadt (Medina) mit dem Kasbah-Viertel. Im Vergleich zu Marrakesch oder Fès ist die Medina recht klein und man findet sich im Sackgassen-Labyrinth nach einer Weile ganz gut zurecht. Der Grand Socco, Verkehrsknotenpunkt und zentraler Platz, markiert den Eingang in die Medina. Die breite Gasse