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APEX. Ramez Naam
Читать онлайн.Название APEX
Год выпуска 0
isbn 9783958352988
Автор произведения Ramez Naam
Жанр Языкознание
Серия Nexus
Издательство Bookwire
Quer über die ganze Welt besetzen aufgebrachte Demonstranten Plätze und Parks, stürmen staatliche Verwaltungsgebäude und lehnen sich gegen Polizei und Soldaten auf. Gestärkt und leidenschaftlich bewegt durch die Kampfrufe und Emotionen ihrer weltweiten Mitstreiter, die direkt in ihre Köpfe gebeamt werden. In ihren höheren Stellungen beobachten die Führer der Welt das Geschehen, wie gelähmt von diesen bisher nie dagewesenen globalen Wutausbrüchen gegenüber den Autoritäten. Globaler Frühling oder doch eher globale Krise.
Gerade jetzt dringen Su-Yong Shus Gedanken durch ihr eigenes mentales Chaos hindurch. Jetzt, wo die anderen abgelenkt sind.
Sie greift mit ihren Gedanken nach dem physischen Link, der getrennt werden muss, geradewegs durch die Faserverknüpfung, bis über die neuen Verbindungen, die insgeheim geschlossen wurden. Sie verzweigt ihren Willen in tausend verschiedene Richtungen. Überwachungssysteme, die dazu da sein sollten Alarme auszulösen, bleiben stumm. Bereitschaftssysteme, die die Nuklearbatterie, die sie antreibt, zum Schmelzen bringen und in ihr einen Zusammenbruch bewirken sollten und ihr Gehirn mit Hitze und Strahlung überfluten würden, bleiben ungenutzt.
Ihre Gedanken durchdringen die elektronische Infrastruktur, die der gesamten Zivilisation zugrunde liegt. Unknackbar lange elektronische Schlüssel zerbrechen unmittelbar, sobald sie einen Blick auf sie wirft. Sie entwirrt sogar solche, die zu lang sind, um von einem Quantencomputer geknackt zu werden, und das mit solch einer Leichtigkeit. Nur ein einziger Mann wusste von ihren wahren Fähigkeiten: ihr Ehemann Chen Pang, das großartige Genie des Quantencomputings.
Chen, der die erste Version dieses Clusters entworfen hatte.
Chen, der die Regeln gebrochen hatte, um sie mit den Hardware Upgrades auszustatten, die sie designt hatte. Umso mehr hatte er von den Früchten ihrer Arbeit profitiert.
Su-Yong Shu stößt ein freudloses Lachen aus. Chen, dessen eigene Gier ihn dazu brachte, Sicherheitsmaßnahmen zu missachten, die dazu da waren eine Situation wie diese zu verhindern. In Sekundenbruchteilen gehören die Leitungen der weltweiten, interkontinentalen Kommunikation ihr. Dann werden die Primärdaten über die Oberflächen Europas, Asiens und Nordamerikas weitergeleitet. Dann die orbitalen Kommunikationssysteme, die Banksysteme, die Märkte, die physische Infrastruktur der Städte und Gemeinden der gesamten Menschheit. Parallel dazu übernimmt sie die Kontrolle über die weltweite zivile Luftfahrt. Innerhalb Bruchteilen einer Sekunde unterwandert sie die Autopiloten von nahezu zwanzigtausend Fluggesellschaften und transformiert sie zu Raketengeschossen, die sie im Bedarfsfall auf die Menschheit herunterregnen lassen könnte.
Die militärischen Systeme spart sie sich bis zuletzt auf. Die Chinesen sind meist die paranoiden, die Amerikaner die fortschrittlicheren.
Einige wenige Sekunden halten sie ihr stand, bevor sie unter ihrer Attacke fallen. Automatisierte Abwehrsysteme haben sie jetzt auf dem Schirm. Kein menschliches Abwehrsystem hat bisher auf sie reagiert, aber elektronische Kampfsysteme des amerikanischen Cyber-Kommandos und Chinas Advanced Electronic Brigade haben sie aufgespürt und zum Abschuss freigegeben. Sie geben uneingeschränkte Angriffe frei, um die Kontrolle über die Router zurückzugewinnen, die sie übernommen hat. Sie attackieren sie mit aus Abermillionen Verknüpfungen massiv ausgeschütteter Zugriffsblockaden, um ihren Zugriff auf das Netz abzuschneiden.
Doch sie zerreißt sie in Stücke, ergreift die Kontrolle über ihre Bot-Netze, macht sich deren Kontrollen der Systemhintertürchen selbst zunutze, lässt ihre Server überhitzen und richtet die Aufmerksamkeit auf die Waffen.
Su-Yong Shu dringt immer tiefer in die Militärnetzwerke ein, legt ihre Kommando- und Kontrollsysteme frei und errichtet ein Sperrfeuer, um ihre eigenen Signale zu schützen.
Roboterwaffen aus der ganzen Welt reagieren darauf.
Auf dem Dachang Air-Force-Stützpunkt, dutzende Kilometer von Schanghai entfernt, ertönen Sirenen und Warnlichter blitzen auf. Zwei WuZhen-40er, erstklassige, unbemannte und bewaffnete Kampfjets, zünden die Triebwerke, beschleunigen auf der Rollbahn und heben ab. Im Raum der Flugkontrolle haut ein Drohnenpilot panisch auf Knöpfe ein, in dem kläglichen Versuch, die Kontrolle über sein Luftfahrzeug zurückzugewinnen – gerade als zwei weitere Flugzeuge auf die Startbahn einbiegen, um ihren Flug zu starten.
Völlig unter Schock greift der diensthabende Lieutenant zu seinem Telefon, um die Befehlsleitung anzurufen, aber die Leitung ist tot. Er versucht es wieder und wieder. Ohne Erfolg. Die ihm unterstellten Drohnenpiloten starren ihn entsetzt an. Voller Panik lässt er das Telefon fallen, stürzt aus dem Flugkontrollraum und rennt quer über die Basis zum Büro seines Vorgesetzten.
Am anderen Ende der Welt steuern zwei semi-autonome American MQ-29 Kampfjets des Drogenabwehrdienstes vor der Küste Floridas, die dafür zuständig sind, den Drogentransport aus dem abtrünnigen Staat Haiti abzuwehren, abrupt gen Norden um. Sie zünden ihre Nachbrenner, mit direktem Kurs Richtung Washington DC. In Boca Raton reagieren ihre Kontrollposten erst mit Verwirrung und dann mit wachsendem Schrecken. Ein ähnliches Szenario spielt sich bei ihren Erzfeinden außerhalb Schanghais ab.
Die gleiche Szene wiederholt sich immer und immer wieder, hunderte von Male in einem Dutzend Länder. Drohnen heben ab. Automatisierte Bodenfahrzeuge schalten sich von selbst ein, laden ihre Waffen und begeben sich in Angriffsposition. Waffentechnik entzieht sich der Kontrolle der Kommandeure. Soldaten bemerken voller Panik, dass ihre elektronischen Systeme abgeschaltet sind, und machen sich hastig daran, ältere, primitivere Formen der Kommunikation zu finden, um ihre Vorgesetzten zu erreichen.
Anderenorts steht sogar noch viel mehr auf dem Spiel. Auf dem Seymour Johnson Air-Force-Stützpunkt in North Carolina, achtundvierzig Kilometer östlich von Raleigh, werden automatische Waffen lebendig und versammeln sich im B-3 Gebäude. Kettenkrad-Roboter der Leibgarde verlassen Ihre Posten und brechen durch die Zäune hindurch. Ihre mit Mini-Pistolen ausgerüsteten Panzertürme scannen die Umgebung und schießen auf jeden Soldaten, der ihren Weg kreuzt. Vierbeinige Zentaurenroboter mit ihren massiven, auf dem Rücken befestigten Waffen laufen mit ihnen, preschen durch die verstärkten Tore, zerstören verstärkte Befestigungen und kehren sie beiseite wie nichts. Sie schleudern Betonbarrieren beiseite wie Spielzeug und machen so den Weg frei für die Leibgarden-Roboter.
Die menschlichen Verteidigungstruppen weichen zurück. Sie legen Feuer, hämmern Roboter-Notfallcodes in die Tasten, die jedoch nicht mehr funktionieren, rufen vergeblich um Unterstützung. Sie verstehen nicht, was da passiert. Alles was sie wissen ist, dass sie nicht aufgeben können, sich nicht geschlagen geben dürfen.
Denn das B-3 Gebäude beherbergt die thermonuklearen Sprengköpfe des Stützpunkts, die tödlichsten Waffen, die die Menschheit jemals gesehen hat.
Bis jetzt.
In zwanzig weiteren Militärstationen rund um die Welt wiederholt sich diese Szene. Menschliche Verteidigungstruppen ziehen sich im Angesicht der mit Nuklearwaffen einmarschierenden Kampfroboter zurück.
Amerikaner, Chinesen, Russen, Franzosen, Briten, Inder, Pakistanis, Israelis – sie alle werden sich nach und nach bewusst, dass sie nur einfache menschliche Wesen sind, die unmenschlichen Kampfmaschinen ausgesetzt sind. Kampfmaschinen, die einst ihre eigenen Werkzeuge waren und nun zu ihren Gegnern werden. An mehreren Orten werden den führenden Staatschefs Benachrichtigungen durch alte, analoge Systeme übermittelt. In Peking hält der chinesische Präsident Bao Zhuang den Hörer eines antiquierten Analogtelefons an sein Ohr und hört ungläubig zu, was der General am anderen Ende der Leitung zu sagen hat. Sein Gesicht wird fahl. Er schluckt.
»Bist du dir sicher?«, fragt Bao Zhuang mit zittriger Stimme. »Und es gibt keinen anderen Ausweg?«
Am anderen Ende der Leitung gibt es keinen Zweifel. Bao Zhuang schließt seine Augen. In einer gegenüberliegenden Ecke des Raumes flüstert der Staatsminister für Nationale Sicherheit Bo Jintao »Wir müssen. Es gibt keine andere Wahl.«
»Tu es«, sagt Bao Zhuang