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wie wir geboren werden … und was nach der Geburt passiert.

      Klingt komplex? Ist es auch. Für uns Eltern lautet die gute Nachricht aber: Auch wenn das Kind einen schwierigen Start hat, dann wird das zwar Auswirkungen haben, keiner dieser Faktoren bestimmt jedoch allein, wie es ihm gehen wird und wie es sich entwickelt.

      Es kann manchmal hilfreich sein zu wissen, was uns und unsere Kinder geprägt hat oder noch prägen kann. Denn was unsere Großeltern erlebt haben, findet sich in unseren Genen und denen unserer Kinder. Wenn unsere Eltern oder Großeltern massivem Stress ausgesetzt waren (zum Beispiel durch Hunger, Krieg, Flucht oder Vertreibung), dann müssen wir damit rechnen, auch selbst stark auf Stress zu reagieren. Und wenn wir diese Disposition nicht durch Therapie, Meditation oder andere Methoden bearbeiten, vererben wir sie weiter an unsere Kinder.

      Die wichtigsten Ergebnisse der Forschung darüber, wie uns die Erfahrungen unserer Großeltern prägen, stammen tatsächlich aus Experimenten mit Nagetieren. Zwei Forscher der Emory University School of Medicine in Atlanta, Georgia, konnten im Jahr 2013 in Studien an Mäusen zeigen, dass sich negative Erfahrungen von Großeltern auf das Verhalten und die zentralen Nervenstrukturen ihrer Enkel auswirken. Die Mäuse in ihrem Labor hatten durch den Einsatz leichter Elektroschocks schmerzhaft lernen müssen, dass der Geruch von Acetophenon (für uns Menschen riecht es leicht nach Mandel) nichts Gutes bedeutet. Bald darauf zuckten die Nager bereits in Erwartung des Schmerzes, wenn ihnen der Geruch nur in die Nase stieg, auch ohne dass ein Elektroschock folgte. Die Nachfahren der Lerngruppe reagierten beim Geruch von Acetophenon deutlicher als Mäuse, deren Vorfahren nie die Verbindung »Mandelgeruch–Schmerz« gelernt hatten, berichten die Forscher in der Zeitschrift Trends in Neurosciences.38

      Die Wissenschaftler konnten es erst gar nicht glauben, als sie feststellten, dass wir nicht einfach das Ergebnis einer festgelegten DNA sind, sondern dass sich »Erfahrungen vererben«, wie es die Epigenetiker nennen. So kamen die Forscher auch erst über Umwege zu diesen Erkenntnissen: Beim Menschen sah man die Auswirkungen zunächst bei körperlichen Symptomen, so etwa bei den Nachfahren des holländischen Hungerwinters 1944/45. Der Krieg war praktisch schon verloren, trotzdem blockierten die Deutschen die Nahrungsmittellieferungen in die Niederlande, etwa 20 000 Menschen verhungerten. Auch schwangere Frauen waren drastisch unterernährt, und offenbar gaben sie diese Information an ihre ungeborenen Kinder weiter. Es zeigt sich in Studien, dass die Menschen, die damals geboren wurden, im Alter ein paar Kilo mehr auf den Rippen haben und ein etwa 50 Prozent höheres Diabetesrisiko als Menschen, die im Mutterbauch nicht dem Hunger ausgesetzt waren.39 Es wirkt, als hätte ein genetischer Schalter sich im Mutterbauch umgelegt, der sagt: »Es ist nicht viel Essen da – sieh zu, dass du das, was da ist, gut verwertest!«

       Wir sind nicht einfach das Ergebnis einer festgelegten DNA, sondern auch »Erfahrungen vererben« sich, wie es die Epigenetiker nennen.

      Nun fragt die Wissenschaft aber kritisch: Und wie, bitte, vererbt sich diese Information, wenn wir doch alle lernen, dass unser Erbgut bei der Befruchtung einfach brav kopiert wird und sich dann nicht mehr verändert? Wer »schreibt« die Info in die Doppelhelix der DNA, die doch eigentlich nicht veränderbar ist?

      Bertie Lumey von der Columbia University in New York erklärt es wie folgt: »Die DNA ist so etwas wie die Hardware. Was die macht, wird von der Software gesteuert, von den Methylierungen an den Genen. Das ist die Epigenetik. Sie sorgt dafür, dass sich Leute mit identischen Genen unterschiedlich entwickeln.«40 Durch die Anbringung zusätzlicher Kohlenstoff- und Wasserstoffatomgruppen (Methylgruppen) – und möglicherweise auch durch die Art und Weise, wie der Körper die DNA »verpackt« und »zusammenwickelt« – gibt der Körper Informationen darüber weiter, welche Gene ab- und welche angeschaltet werden sollen. Die Veränderungen sind subtil, aber über eine Lebensspanne gerechnet, ergeben sie messbare Effekte.

      Genetische Markierungen können sich wieder ändern. In Rattenexperimenten zeigten auch kanadische Forscher, dass sich das Verhalten gegenüber den eigenen Nachfahren vererbt – wenn eine Rattenmutter das Junge feinfühlig behandelt hat, dann ist das Junge später auch seinen eigenen Nachkommen gegenüber sensibel.41

      Wird eine Mutterratte jedoch massivem Stress ausgesetzt, reagieren ihre Kinder auch dann später stark auf Reize, wenn sie selbst nie starken Stress haben erfahren müssen. Doch wenn gestresste Rattenkinder von wenig gestressten Ratten-Adoptivmüttern viel geleckt und gekuschelt wurden, schaltete sich das »Stress-Gen« offenbar wieder ab.42

      BRAUCHEN SCHWANGERE VITAMINTABLETTEN?

      Es werden immer wieder Pakete mit Nahrungsergänzungen angeboten, die angeblich die »optimale Versorgung für das Baby« sicherstellen sollen. Aber was brauchen Schwangere wirklich? Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt drauf an. Grundsätzlich empfohlen wird Schwangeren nur die Supplementierung von Folsäure (400 Mikrogramm [µg] pro Tag) und Jod (100 bis 150 µg pro Tag).Tatsächlich ist vor allem eines belegt: »Folsäure allein oder in Kombination mit Vitaminen und Mineralstoffen verhindert Neuralrohrdefekte«, wenn sie vor der Empfängnis und in den ersten zwölf Wochen eingenommen wird.43 Was Jod angeht, gibt es Vor- und Nachteile und keine eindeutige Studienlage.

      Für auf dem Markt erhältliche Präparate lautet das Fazit der Verbraucherzentrale: »Auch drei Jahre nach dem letzten Check gilt bei den Herstellern oft noch das falsche Prinzip ›viel hilft viel‹.«44 Die meisten Präparate übersteigen die Mengenempfehlungen der Fachgesellschaften. Tatsächlich lässt sich der zusätzliche Bedarf daher über die ausgewogene normale Ernährung abdecken – die Zusatzpräparate erzeugen für Schwangere vor allem eins: Zusatzkosten.

      Nun kann man Rattenmüttern nicht sagen: »Kuschel mit deinem Kind, auch wenn du selbst gestresst bist.« Aber wir Menschen können uns möglicherweise gezielt verhalten, um zu entscheiden, welche genetischen Marker wir an unsere Kinder weitergeben oder nicht. Und damit können wir Verantwortung dafür übernehmen, wie unsere Kinder und Enkelkinder ihr Leben in die Hand nehmen.

      DROGEN IN DER SCHWANGERSCHAFT

      Es erübrigt sich wohl zu sagen, dass »harte Drogen« wie Kokain, Crystal Meth und Heroin dem ungeborenen Kind massiv schaden. Das gilt auch für THC, also Cannabis: Die Kinder können in ihrer Entwicklung verzögert sein, machen oft nach der Geburt einen Entzug durch und schreien exzessiv.

      Aber was ist mit Zigaretten, Kaffee, Alkohol?

      Rauchen in der Schwangerschaft ist gar keine gute Idee – hier sind sich die Forscher einmal völlig einig. Schwangere Frauen geben das Nikotin der Zigaretten direkt an den gerade wachsenden Fötus weiter, und das kann zu Fehlbildungen (unter anderem Klumpfüßen und Gaumenspalten), Aufmerksamkeitsdefiziten, Herzdefekten und frühzeitigem Tod der Kinder im ersten Lebensjahr führen. Die Kinder von rauchenden Müttern werden oft von der Plazenta nicht ausreichend versorgt, daher kommen die Babys mit einem geringen Geburtsgewicht zur Welt oder sogar als Frühchen. Rauchen während der Schwangerschaft und nach der Geburt ist außerdem der Risikofaktor Nummer eins für den plötzlichen Kindstod – es gibt keinen Schwellenwert, jede Zigarette konfrontiert das Kind im Mutterleib mit einem rapiden Sauerstoffabfall,45 zu Deutsch: dem Gefühl, ersticken zu müssen, und folglich mit massivem Stress. Daher gilt die Regel: Während der Schwangerschaft soll man nicht rauchen!

      Beim Kaffee scheiden sich die Geister. Es heißt immer wieder, Kaffee erhöhe das Risiko einer Fehlgeburt, Frühgeburt oder eines Babys mit geringem Geburtsgewicht. Aber die Studienlage ist schwach. Möglicherweise ist vor allem sehr hoher Kaffeekonsum ein Problem. Eine amerikanische Umfragestudie kam zu dem Schluss, dass es etwa acht Tassen am Tag sein müssen, um das Fehlgeburtsrisiko wirklich zu erhöhen – wie groß die Tassen waren und welche Menge Koffein sie enthielten, haben die Autoren leider nicht eruiert, denn die Frauen wurden am Telefon lediglich gefragt: »Wie viele Tassen Kaffee trinken Sie am Tag?«, wodurch diese Erhebung eher unter die Rubrik »Nichts Genaues weiß man nicht« fällt …46

      Eine große norwegische Studie aus dem Jahr 2013 befragte 60 000 Frauen und machte Schlagzeilen mit dem Ergebnis, dass schon zwei Tassen Kaffee am Tag (oder das Äquivalent an Koffein durch Softdrinks oder anderes)

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