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hatte keine Fenster; hier, tief im Innern des Mondgesteins, wurden Tag und Nacht durch Ein- und Ausschalten von Kunstlicht erzeugt. Um sechs Uhr Standard-Erdzeit sprang ein computergesteuerter Schalter um, und die vergitterte Hölle wurde mit Licht überflutet.

      Conroy rollte sich auf die Seite und stützte sich auf einen Ellbogen. Noch halb gefangen in seinem Alptraum, öffnete er benommen die Augen.

      Er grunzte abfällig.

      Auch bei Licht sah sein Domizil nicht besser aus. Die Vorderseite bestand nur aus Gitter. Eine Hälfte bildete die Tür, sie schwang beim Öffnen nach außen. Die Käfigseiten waren ebenfalls Gitterelemente. Die Pritsche aus Drahtgeflecht mit einer Formschaumauflage nahm fast die Hälfte der Breitseite und nahezu die gesamte Länge der linken Gitterwand ein; Lokus und Waschbecken an der hinteren, massiven Wand waren aus den Nachbarzellen von jedermann einsehbar.

      Alles, fast alles war aus Metall, was die Geräusche vervielfachte und verstärkte. Ein höllischer Lärmpegel erwachte und brandete durch die Krypta wie ein Tsunami vor der Küste Japans. Es stank zum Erbrechen nach schmutzigen Leibern, nach Kot und anderen menschlichen Ausdünstungen. Überdimensionale Ventilatoren schaufelten abgestandene, uringeschwängerte Luft aus dicken Röhren über Käfige und stählerne Laufstege.

      Conroy warf die Decke ab und setzte die Füße auf den Boden; er griff nach seinen Stiefeln, zog sie an und schlug die Verschlüsse zu. Flüchtig wusch er sich das Gesicht am Waschbecken; das dünne Rinnsal, das aus dem Hahn kam, war brackig und stank wie einfach alles hier. Dann setzte er sich auf das Pritschenende und wartete stoisch.

      Ein weiterer verfluchter Tag nahm seinen Anfang.

      Draußen schlurfte der Kalfaktor auf dem breiten Katzensteg näher und wischte mit seinem Besen den Unrat, den die Häftlinge durch die Gitterstäbe geworfen hatten, über die Kante in die Tiefe der Krypta. Dreck und Abfall segelten mit dem in der geringen Mondschwerkraft üblichen Zeitlupentempo nach unten und wurden vom Entstofflichungsfeld, das die einzelnen Ebenen unsichtbar voneinander trennte, mit irrlichterndem Aufflammen zerstrahlt.

      Der Kalfaktor war ein alter Soldat. Mit einem Gesicht, das von einer wie von einer Axt geschlagenen Narbe in zwei unsymmetrische Hälften zerteilt wurde. Alle nannten ihn Sarge. Er musste schon an die Siebzig sein. Hatte vielleicht einmal in der Vergangenheit einen Befehl verweigert oder einen Offizier bei etwas Verbotenem beobachtet und es herumerzählt. Und bezahlte noch immer für seine Dummheit. Mit lebenslänglich im STRALAG-2, dem FSA-Militärstraflager auf dem Mond.

      Vor Conroys Käfig fuhrwerkte er auffallend ziellos mit dem Besen herum und schüttelte dabei den Kopf, als würde er sich mit einem schwerwiegenden Problem herumschlagen, das seinen geistigen Horizont überstieg.

      »He, Sarge!«, murmelte Conroy durch die Gitterstäbe. »Was ist los?«

      »Mächtig viel, Mann«, zischelte der Kalfaktor heiser; sein Kehlkopf hatte bei irgendeiner Schlägerei was abbekommen.

      »Wie meinst du das?«

      »Sind 'ne Menge Gerüchte im Umlauf...«

      Er verstummte, als der Wächter-Bot vorübersurrte. Linsen starrten wie Facettenaugen stählerner Libellen über die Käfige hinweg. Erfassten jeden Winkel. Die Vierlingsläufe der Auto-MPs schwenkten ständig von einer Seite zur anderen; ein Metronom, das den Takt zu einer unhörbaren Todesmelodie schlug.

      »... im Umlauf«, wiederholte Sarge, als der Bot weiterglitt. »Soll Ärger geben auf dieser Ebene.«

      Conroy zuckte die Schultern.

      »Soll vorkommen, Soldat.«

      »Ja, Sir, das stimmt, Sir«, nickte der Kalfaktor und kicherte hohl. »Das ist wahr, Oberleutnant.«

      Conroy horchte auf. Den ehemaligen Dienstgrad eines Häftlings zu verwenden war eigentlich unüblich.

      »Was stört dich also daran, Alter?«, fragte er.

      Der Sarge zögerte einen Moment.

      »Nichts«, sagte er schließlich und bleckte die gelblich verfärbten Zähne. Pferdezähne. »Nichts, bis auf den Namen des Kerls vielleicht, dem der Ärger gelten soll.«

      »Ja?«

      Stille.

      Der Besen wurde hektischer geschwungen.

      Und Conroy begriff.

      »Es geht um mich! Willst du mir das sagen?«

      Einen Moment lang wich der Kalfaktor seinem Blick aus.

      Dann packte er seinen Besen und schob sich aus Conroys Sichtfeld. Aber ehe er ganz verschwand, ließ sich seine heisere Stimme vernehmen: »Jawohl, Mann, Sir, du wirst Ärger kriegen, Sir. Sieh dich vor, Soldat. O Mann, besser, ich mache mich vom Acker.«

      Conroy murmelte ihm ein »Danke, Alter« hinterher und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Gitterstäbe, um zu analysieren, was er eben gehört hatte.

      Langjährige Erfahrungen hatten ihn folgendes gelehrt: Wenn etwas Unerwartetes auf dich zukommt, verschwende keine Zeit. Überlege nicht lange, wie oder warum es passiert. All das kannst du später tun – wenn du die Sache überlebt hast. Schätze deine Vorteile, prüfe die Nachteile. Dann plane dementsprechend. Handle. Und tue es schnell, ehe dir der andere zuvorkommt.

      So, wie es sich ihm darstellte, gab es keine Vorteile.

      Die Nachteile hingegen waren erheblich.

      Wie so oft.

      Er verfügte über eine harte Schulung; nicht gerade gedacht für ein Leben in einem Militärstraflager, aber helfen würde sie trotzdem. Bereits in seiner Kindheit hatte er lernen müssen, sich Respekt zu verschaffen. Soldatenkinder wie er verbrachten ihre Jugend in zwanzig und noch mehr Standorten und ebensovielen Schulen. Überall war er neu, musste sich gegen die Brutalität auf den Schulhöfen behaupten, sich mit ebensolcher Brutalität durchsetzen, um Anerkennung kämpfen und sich einen Status schaffen.

      Später, beim Militär, war die Gewalttätigkeit ausgefeilter, diffiziler, perfider. Experten bildeten ihn aus, brachten ihm die Techniken und Finessen des Überlebens bei. Des Überlebens um jeden Preis. Und seine Ausbilder und Instruktoren vermittelten ihm vor allem die richtige Einstellung, machten ihm unmissverständlich klar, dass Hemmungen oder Zögern früher oder später seinen sicheren Tod bedeuteten.

      Tue stets das Unerwartete, trichterte man ihm in den Ausbildungslagern ein.

      Wenn dein Leben davon abhängt, verhalte dich im Kampf niemals anständig.

      Sei infam, sei gemein.

      Täusche deine Gegner.

      Schlage zuerst zu, und zwar so hart, dass du keinen zweiten Schlag brauchst.

      Und er hatte sich daran gehalten. Nur so hatte er bislang überlebt...

      Um sieben Uhr schnarrte eine Sirene. Es gab es ein dumpfes, metallisches Geräusch weit vorn in der Zellenreihe, das sich wie eine Welle in Richtung auf Conroys Käfig zubewegte. Der Zeitschalter löste die Sperrvorrichtungen.

      Seine Gittertür sprang einen Spalt weit auf.

      Conroy blieb hocken. Wartete. Er konnte das Kreischen hören, als die anderen Insassen dieser Ebene ihre Türen aufstießen und aus den Käfigen spazierten, um einen weiteren sinnlosen Tag zu beginnen. Sie bewegten sich mit jenem eigenartigen, fast schwebenden Gang, den einem die geringere Mondschwerkraft diktierte, wollte man nicht ständig mehrere Fußbreit vom Boden abheben.

      Er musste an Sarges Warnung denken. Und das brachte ihn dazu, keine Zeit zu vertrödeln. Je eher es geschah, um so schneller hatte er es hinter sich.

      Er schwang seine Beine über die Bettseite und stand auf. Reihte sich ein in die Schlange der draußen vorbeischlurfenden Häftlinge und trottete mit ihnen in den großen Saal der Messe.

      Die Häftlinge an den langen Tischen schlangen den Brei aus Protosoja unter dem ewig gleichlautenden, lautstarken

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