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Shana, das Wolfsmädchen. Federica de Cesco
Читать онлайн.Название Shana, das Wolfsmädchen
Год выпуска 0
isbn 9783401803180
Автор произведения Federica de Cesco
Жанр Учебная литература
Издательство Readbox publishing GmbH
»Rühr mich nicht an!«, schrie ich. »Du … du hast …« Meine Stimme brach,heftiges, unbeherrschtes Schluchzen stieg in mir hoch. Durch den Tränenschleier verschwamm Elliots Gesicht vor meinen Augen, wurde zu einem undeutlichen Fleck. Ich holte tief Luft, würgte mit äußerster Anstrengung die Tränen hinunter. Als ich wieder sprach, kannte ich meine Stimme nicht wieder. Sie war wie die einer Fremden, spröde, dumpf und meilenfern.
»Das hättest du nicht tun sollen, Elliot. Melanie wird traurig sein. Sie hatte nicht alles mitgenommen, siehst du. Sie hatte etwas von sich selbst in das Kleid eingewebt, für mich. Und jetzt werde ich nie für sie tanzen können.«
Er wandte stumm das Gesicht ab. Die schweren Lider bedeckten halb die Pupillen, die aus dem Winkel der feuchten Augen hervorglänzten.
»Shana, mein Mädchen …«, stieß er hervor.
Doch ich ließ ihn nicht ausreden. Was immer er sagen wollte, es war ohne Bedeutung. Ich wirbelte herum, lief die Stufen hinauf, stolperte tränenblind über den ausgefransten Quiltvorleger. Ich rannte in mein Zimmer, knallte die Tür zu und drehte den Schlüssel. Die Beine gaben unter mir nach. Keuchend ließ ich mich auf den Fußboden nieder; ich lehnte den Rücken an die Wand, zog die Knie an und hielt sie mit beiden Armen fest umschlungen. Die Sonne leuchtete durch die Scheiben. Der Himmel war blau und klar, es würde ein schöner Tag werden. Ein Tag, auf den ich mich gefreut hatte. Langsam schaukelte ich vor und zurück und spürte im hellen Sonnenschein, wie das kleine Zimmer immer kälter wurde.
Ich trieb mich auf der Festwiese herum, dort wo das Essen verteilt wurde. Eine halbes Dutzend lange Tische waren mit Speisen bedeckt. Die Alten saßen satt und zufrieden auf ihren Klappstühlen, fächelten sich Kühlung zu und dösten, während sich die Tänzer bereitmachten. Mir wurde es vor Hunger schwarz vor den Augen, mein Magen war mit kalter Luft gefüllt, ich zitterte bis in die Fingerspitzen. Die alte Maggie Benjamin, die mich seit einer Weile sorgenvoll beobachtete, winkte mir zu.
»Du siehst schlecht aus, Shana. Zu wenig geschlafen?«
Ich schwieg und schielte auf die Speisen. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Maggie seufzte, füllte einen Pappteller mit Kartoffelsalat und einem Stück Brathuhn und wies auf einen freien Klappstuhl. Ich bedankte mich, stopfte den Kartoffelsalat in mich hinein, nagte jeden Knochen ab. Maggie sah zu, wobei sie brummend mit dem Kopf nickte. Als ich den Teller leer gegessen hatte, schnitt sie eine Schokoladentorte für mich an und gab mir eine Tasse Kaffee, die zur Hälfte aus Milch und Zucker bestand. Danach fühlte ich mich besser. Mein Zittern ließ nach. Höchste Zeit jetzt, dass ich mich verdrückte. Aber da sah ich schon Alec, der mir ein Zeichen gab. Die Hitze schoss mir ins Gesicht. Zu spät! Ich konnte nicht mehr davonlaufen. Alec trug bereits sein prächtiges Kostüm und die Linie auf seiner Stirn und Nase war kobaltblau. Unter jedem Auge war ein dunkelblauer Tupfer mit orangeroten Strahlen gemalt. Indianer lieben es, sich schön zu machen, und Alec sah wirklich großartig aus. Unter den bewundernden Blicken sämtlicher Mädchen, seiner Wirkung voll bewusst, schritt er gelassen auf mich zu. Eine lähmende Stumpfheit senkte sich auf mich herab wie Nebel. Ich wollte verschwinden, mich in Luft auflösen, nicht mehr da sein. Doch ich saß auf dem Klappstuhl, saß einfach da und rührte mich nicht, bis Alec dicht vor mir stand und ich seine Stimme hörte.
»He, Shana, ich habe schon mit einer Frau vom Komitee geredet. Die Sache ist okay. Wann ziehst du dich um?«
Ich bemerkte, dass ich Schokoladenflecken auf dem T-Shirt hatte, dass ich ungekämmt war und nach Schweiß roch. Und außerdem hatte ich Bauchweh, die Torte war nicht gut gewesen, wahrscheinlich stand sie schon zu lange in der Sonne.
»Ich tanze nicht«, sagte ich
Er runzelte die Brauen, die dicht und lang wie Federn waren, hockte sich auf die Fersen, um mir ins Gesicht zu blicken.
»Warum nicht?«, fragte er sanft. »Bist du mir böse?« Die Bauchschmerzen waren nicht auszuhalten. Ich krümmte mich auf dem Klappstuhl. Ich konnte ihm die Wahrheit nicht sagen, es ging einfach nicht. Es war zu widerlich, zu demütigend. Ich hob nur kurz die Augen.
»Geh weg«, zischte ich.
Er blickte verständnislos und besorgt.
»Was hast du? Ist dir nicht gut? Hör zu, es dauert noch eine Weile, bis alle bereit sind. Du hast noch genug Zeit …«
Ich schüttelte den Kopf, dass die Haare flogen. Wann ging er bloß? Er sollte mich doch endlich allein lassen!
»Ich habe gesagt, nein.«
Meine Stimme klang schrill. Er starrte mich fassungslos an, bevor er kurz und bitter auflachte.
»Ich sehe schon, du hast Angst«, sagte er, mit leichter Verachtung.
»Nein!«, zischte ich.
»Wetten, dass es das ist!«
»Es ist mir gleich, was du denkst.«
»Dann liegt es daran, dass du mir böse bist.«
Ich drehte stumm das Gesicht von ihm weg.
»Also«, sagte er, »wir können doch davon reden, oder? Warum bist du so?«
Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus und sah, dass er mich unverwandt anstarrte.
»Lass mich in Ruhe!«, sagte ich tonlos.
Er beugte sich vor, legte seine Hand auf mein Knie; ich zuckte heftig zusammen.
»Da ist etwas nicht normal mit dir. Hat dir einer dieser Schweine vielleicht Stoff angedreht, he?«
Es gab einige Schüler, die Koks schnupften. Alle wussten, wer dazugehörte, bloß die Eltern nicht. Vor den Eltern hatte jeder Schüler eine Menge Respekt, das war indianische Tradition. Aber ich hatte keinen Respekt vor meinem Vater. Keinen Funken Respekt mehr. Bloß noch Verachtung. Mein Vater machte mir Schande, das war das Allerschlimmste, das ich keinem erzählen konnte, auch Alec nicht, besonders nicht Alec. Die Bauchschmerzen wurden stärker, ich wiegte mich stöhnend hin und her. »Hilf mir!«, rief ich Alec im Geiste zu, »lass mich nicht in Stich, ich brauche dich jetzt so sehr!« Stattdessen sagte ich mit harter Stimme: »Verschwinde!«
Er erhob sich, eine weiche, fließende Bewegung. Sein Gesicht war steinern geworden. Er holte tief Luft.
»Okay«, sagte er ruhig »Ich weiß genau, dass du mir böse bist. Ich habe bloß gedacht, dass du und ich … Na gut, reden wir nicht mehr davon. Ich will dir ja nicht auf die Nerven gehen. Und ich lasse mir auch den Tag nicht vermiesen.«
Und dann ging er. Ich saß da wie ein Olgötze und bemerkte, wie mich Maggie Benjamin verstohlen von der Seite musterte. Alte Frauen merkten immer alles. Hoffentlich hatte sie nicht die Absicht, sich einzumischen. Ich stand ungeschickt auf, der Klappstuhl fiel um. Ich hob ihn umständlich auf, lehnte ihn an die Wand und machte mich davon.
Als die Tänze begannen und die Trommeln im richtigen Takt schlugen, stand ich hinter der Lautsprecheranlage und sah zu, wie Alec tanzte. Er bildete mit einem Mädchen das zweite Paar hinter den beiden Vortänzern. Das Mädchen hieß Donatella; sie war zur Hälfte Italienerin und war besonders hübsch. Aber sie tanzt wie eine Kuh, dachte ich, verzweifelt und wütend. Und diese Locken, einfach grässlich! Donatellas Kleid war bunt bestickt – grell und geschmacklos, fand ich. Die Fransen, genau über ihren üppigen Busen genäht, wippten im Takt. Trug sie denn keinen Büstenhalter? Bei dieser Oberweite! Alec lachte sie an und auf einmal war ich selbst Donatella. Ich tanzte mit Alec im Sonnenschein, meine Schritte waren weich, geschmeidig, mein Fächer aus Adlerfedern war lebendig und stark in meiner Hand. Wir wirbelten und stampften im Rhythmus der Musik und es war der schönste Tag meines Lebens.
Ganz plötzlich schwiegen die Trommeln. Mit einem Ruck fand ich wieder zu mir selbst, wider Willen in meiner schwitzenden Haut gefangen. Alle setzten sich zum Ausruhen auf Bänke, Alec holte eine Cola für Donatella. Beide unterhielten sich lachend und etwas atemlos. Ich drehte ihnen den Rücken zu, ging zum Klo, wo ich eine Weile Schlange