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"oder weisst` auch nicht?" Feststellung, bei Allen gefürchtet. Von eventueller Verwirrung keine Spur, Petra muss nachher noch einkaufen, saubermachen und Rasen mähen, hoffentlich sind Helmut und Waldo dann aus dem Garten verschwunden, aber jetzt erst mal zu Toni und dann ja noch mit dem Arzt sprechen, die Tempos liegen bestimmt ganz unten in der Tasche, Einkaufszettel und Autoschlüssel haben anscheinend auch schon wieder ein neues Versteck gefunden.

      Als Weib Doris im Garten auftaucht, ist Waldo gerade beim achten Korn und seiner Zeit als Alleinunterhalter angekommen. Fünfundzwanzig Bier in der Nacht sind für ihn damals gar nichts gewesen und dann aber trotzdem oft genug bis zum Umfallen gespielt, bei einer Taufe sogar auf dem Klo eingepennt, oder ein anderes Mal ohne Schuhe nach Hause, weil die Polizei ja schon wegen Randalismus mit Spiegelschrankwerfen unterwegs war und dass ihr Gatte "Schenk-noch-mal-n`-Kleinen-ein-Helmut" an dem Abend als Fluchtwagenfahrer dabei gewesen ist, hat sie bestimmt auch noch nicht gewusst. Die "Zwei Geruchlosen", wurden sie damals wegen ihrer unauffälligen Vorgehensweise überall genannt, da gibt es noch so einiges, was Doris über ihn und ihren Angetrauten nicht weiss. Doris hat auch ein Geheimnis, die „Zwei Geruchlosen“ Wichtigtuer trinken nämlich seit zwei Stunden Wasser statt Schnaps, aus der von ihr präparierten Kornflasche, so viel Spass hatte sie Samstag Morgens schon lange nicht mehr, die "Zwei Humorlosen" dürfen ihretwegen ruhig ein bisschen mitlachen, sie weiss gar nicht, wen sie zuerst anrufen soll.

      Auch die fantastische Nachricht vom Eintreffen ihres Gebissreinigers, entlockt Oma Toni kein Lebenszeichen. Regungslos liegt sie mit geschlossenen Augen da, Petra kann weder Atmung noch Pulsschlag erkennen, Schwestern und Arzt müssen sofort alarmiert werden, jetzt zählt jede Sekunde. Fast gleichzeitig treffen Chef und Hilfstruppen im Laufschritt ein, Anweisungen werden gegeben und weitergegeben, jeder weiss, was er zu tun hat, kurz bevor der Arzt Toni`s Todesursache einwandfrei feststellen will, öffnet sie fragend ihre Augen. Ob denn seine Jacke neu, oder er verheiratet ist, oder ob er weiss, wie lange sie früher außer Sonn- und Feiertags, in der Schule immer putzen musste und von der Bowle neulich hat sie wirklich nur vier Glas getrunken. Aber jetzt muss sie schnell los, weil sie auf dem Rad alle „Toni-Tornado“ nennen , wenn der Kaffee beim Favo` im Angebot ist und was Helmut und Waldo denn so machen, die soll er mal schön grüssen, wenn er sie trifft und warum die Beiden ihren schönen Korn immer austrinken, weiß er wohl auch nicht.

       Planänderung

      Die letzten Minuten vor dem Aufbruch, liegen wir beide ruhig und ganz entspannt da. Didi hat den exakt ausgearbeiteten Einsatzplan in seiner Hosentasche sicher verstaut, alle wichtigen Handzeichen wurden nachmittags sicherheitshalber noch einmal gegenseitig abgefragt und bis auf die Schuhe sind wir schon fertig angezogen, ab sofort wird erst wieder nach Verlassen des unmittelbaren Gefahrenbereichs gesprochen. Punkt Mitternacht kommt von ihm endlich das verabredete Startsignal, ich öffne leise das Kellerzimmerfenster, lege vorsichtig unsere Schuhe draussen ab und beginne mit dem hundertfach geprobten Ausstieg. Jeder Handgriff muss nun genau sitzen, schon leichtes Berühren der Gitterrostabdeckung, könnte ohrenbetäubenden Lärm verursachen und uns verraten. Nach ca. fünf Minuten angespannter Kletterei, gibt Didi das erlösende Daumen-Zeichen, wir liegen genau im Zeitplan, schnell die Schuhe an und los, er würde gern die blöden Gesichter seiner und meiner Eltern sehen, wenn die uns jetzt sehen könnten, wir haben die Taschenlampe vergessen. Die folgende, teils flüsternde, teils irreführende Handzeichenbesprechung, lässt uns ohne Taschenlampe aufbrechen, den Ortskern kennen wir eh` in- und auswendig, Didi schafft die Gröpelinger Strasse bis auf ein Schild sogar mit fast geschlossenen Augen.

      Pünktlich um kurz vor halb Eins, sind wir am ersten Zielpunkt angekommen, ob dunkel oder nicht ist vollkommen egal, den Einsatzplan beherrscht er sowieso garantiert besser als "Oh, Tannenbaum", das Schlimmste an Weihnachten ist immer das Singen; sein Daumen geht erneut hoch, von nun an herrscht wieder absolutes Sprechverbot. Zuerst über den Dreimeter-Zaun, dann gebückt die lange Auffahrt entlang, langsam rauf auf`s wackelige Vordach und vorsichtig die feuchte Dachschräge hoch, bis zum dritten Fenster von links, der zweite Zielpunkt ist erreicht. Sofort nach dem verabredeten Klopfzeichen, öffnet sich das Fenster, Didi hilft den beiden Mädels nach seinem Einstieg beim Ausstieg, bis auf leises Kichern ist auch ihr Verhalten absolut professionell. Dachabstieg und Hofüberquerung klappen perfekt, der Plan ist meisterhaft ausgearbeitet und umgesetzt worden, Didi ist der Held der Nacht, was seine Eltern wohl dazu sagen würden, ist ihm doch egal. Bederkesa bei Nacht, ist dann nicht ganz so interessant wie gedacht, auf dem Sportplatz ist um diese Zeit relativ wenig los, der Stein vor dem Waldschlösschen ist noch schwerer als am Tag und ins schwarz glänzende Schwimmbadwasser, möchte auch keiner von uns springen. Nur die sonst furchteinflössende, baufällige Burg, macht im Mondlicht einen erstaunlich einladenden Eindruck, aber nebenan hausen die Bullen und Didi ist sich sowieso nicht mehr sicher, ob die Mädels überhaupt da drinnen rumknutschen wollen, ausserdem müssen wir langsam zurück, den Meisterplan zu Ende bringen.

      Wieder läuft alles genauso wie von ihm aufgezeichnet, erst als die Mädels sicher eingestiegen sind und das Dachfenster hinter sich geschlossen haben, rutsche ich auf der feuchten Dachschräge ab und kann nur durch festes Zupacken einen Sturz verhindern. Der dadurch entstehende Krach und die angehenden Lichter, zwingen uns zum etwas überstürzten Rückzug. Nach kurzer Flucht unter eine Straßenlaterne, erkennt Didi einen mindestens vierzig bis fünfzig Zentimeter langen Riss in seiner neuen Hose und ich kann, nach intensiver Säuberung im Gras, endlich die stark blutende Wunde am Finger der rechten Hand ausfindig machen. Nach skeptisch prüfendem Blick, hält Didi einen drei Meter Sicherheitsabstand zu mir für angemessen. Mit der blutenden Hand im Mund, sehe ich nämlich aus wie Dracula und weil man tatsächlich bis auf den Fingerknochen kucken kann und sein Vater Arzt ist, wird bestimmt mit mindestens acht bis elf Stichen genäht werden müssen und spannend wird auch, was meine Eltern wohl gleich dazu sagen, dass ich Nachts um Zwei aus meinem Bett in eine Baugrube gefallen bin; morgen in der Schule werden wir aber auf jeden Fall die Helden sein.

       Schnaarsgeflüster

      Eigentlich ist alles ganz einfach und klar und ich kann loslegen, denn meine Oma und Frau Schnaars sind damals ja sehr gute Nachbarinnen gewesen, Ende der Sechziger Jahre in Bremerhaven.

      Meine Oma hatte in der Buchtstrasse einen kleinen ZEITSCHRIFTEN-SPIRITUOSEN-TABAK Laden, Frau Schnaars nebenan ein Fischgeschäft und eines Nachts stand dann dieser missratene Schnaars-Enkel unangemeldet und ziemlich betrunken vor Frau Schnaars Bett und wollte ihr mit seiner Axt gleich mal das Licht so richtig auspusten, falls sie nicht doch noch ganz schnell die fünftausend Mark rausrücken würde. Ob leihen oder verschenken, konnte später nie, weder hinter`m Vorhang am geheimen Eckbankstammtisch meiner Oma, noch vor dem aufsehenerregenden Gericht, genau geklärt werden. Jedenfalls ist Frau Schnaars wohl nur dank einer geschickten Kombination aus Zuhör-, Anschrei- und Fragetechnik, mit dem Leben und ihren dunkelblauen Eisfischhänden davongekommen, der Axt-Enkel ist später trotz Zickzack weglaufen noch ziemlich verurteilt worden und nach einiger Zeit gab`s natürlich auch wieder andere Themen, wie Farbfernsehen, oder Wembley Tor, oder Mondlandung, oder dass Frau Schnaars nur deshalb so viel Rum trinkt, weil den ganzen Tag im eisigen Fisch wühlen doch ganz schön abkühlt.

      Das ist die Geschichte und so kann ich sie erzählen, nur etwas ausführlicher, erklärender vielleicht, mit meinem Postbus fahrenden Opa zum Beispiel, der fünf Tage vor der feierlich ehrenvollen Pensionierung seinen einzigen Dienstfahrtunfall und gleich anschliessend einen Dauerrekord im Juno rauchen schaffte, oder mir und Steffi, als unauffällig Laden-Flips essenden Kindern beim Hitparade oder Bonanza kucken und natürlich mit Oma`s Laden-Stammgästen Frau Hahn und Herr Huhn, die tatsächlich so hießen und manchmal schon morgens um Neun ein paar Eckbankstammtischsteinhäger wegschnabulierten, weil man ja nie wissen konnte, was der Tag noch so bringt. Die alle fünfzehn Minuten am Haus vorbeiklingelnde Strassenbahn, gehört eigentlich auch dazu und das Kaufhaus Merkur um die Ecke, wo es die tollsten Sachen gab, aber man zum Glück nichts kaufen musste, da ich doch nun wirklich schon alles hatte und der Weihnachtsmann ausserdem sonst gar nicht gewusst hätte, was er mir noch bringen soll.

      Dass Herr Adolf so viel zu tun hatte und trotzdem nebenbei noch die vielen, schnell überall hinführenden Autobahnen gebaut hat, oder wie Opa von halbwilden Partisanen in Jugoslawien erst heimtückisch beschossen und in der Gefangenschaft dann auch noch mit Steinen beworfen wurde und dass meine Oma in ihren

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