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Am Boden vom Sturm gefällte Riesen. Dazwischen Farn. Ein dicht gewebter grüner Vorhang.

      Der Wald müffelte nach Laub. Nach Moos und feuchter Erde. Und etwas Strengerem: Wildschweinlosung – eine Rotte nutzte die Stelle als Suhle. Er wälzte sich auf dem Boden. Verteilte den stinkenden Matsch unter den Achseln, zwischen den Beinen und im Gesicht.

      Ob das die Hundenasen täuschte?

      Ein Baumstamm. Gleich daneben noch einer. Der Spalt war eng. Er zog den Dolch, nahm die zehn Zoll lange Klinge zwischen die Zähne. Sie roch nach Blut. Schmeckte nach Blut – eines der Höllenviecher hatte er damit erledigt.

      Borke zerkratzte seine Wangen. Die Rippen schrien Zeter und Mordio.

      Und wieder kläfften die Hunde.

      Sie waren jetzt ganz nah.

      »Tot oder lebendig, werft ihn mir vor die Füße! Ich reiße ihm die Haut in Streifen vom Leibe. Verfüttere ihn an die Schweine. Lasse seine Mutter zusehen, die gottverdammte Hure«, brüllte Ludwig v. Hashagen. Seine schrille, sich beinahe überschlagende Stimme ließ befürchten, dass er dem Wahnsinn nahe war.

      Jakob, sein einziges Kind, war tot. Die Augen weit aufgerissen lag er da. In der Stirn ein Bolzen, der sich oberhalb der Nasenwurzel drei Zoll tief ins Gehirn gebohrt hatte. Sie hatten versucht, den Fremdkörper herauszuziehen, um dem Verstorbenen ein würdevolleres Aussehen zu geben, aber er saß zu fest.

      »Los doch! Oder soll ich euch aufknüpfen lassen? Lasst die gottverdammten Köter von der Leine«, tobte der Oberforstmeister. Noch war seine Wut stärker als die Trauer, die erst später ihren Höhepunkt erreichen würde.

      Den Revierförstern Brede und Hasberg stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, ebenso dem blutjungen Waldwärter Overkamp. Unfähig zu einer Reaktion standen sie da wie die Ölgötzen.

      V. Hashagen packte Brede und schlug ihm ins Gesicht. »Bewegung, Mann! Oder ich knalle dich ab.« Er nahm das Gewehr von der Schulter.

      Schlagartig kehrte das Leben in den Geohrfeigten zurück. »Jawohl, Herr Oberforstmeister. Sofort.« Mit fahrigen Händen machte er einen Hund los und hielt ihn am Halsband.

      Das Tier fletschte die Zähne und knurrte. Hasberg nahm den anderen Vierbeiner von der Leine.

      »Rufus, Rex! Fass!«, brüllte Ludwig v. Hashagen.

      Wie von einer Kanone abgefeuert preschten die Kurzhaarrüden davon.

      Johannes hielt den Atem an. Seine Verfolger standen am Rande des Abhangs.

      »Was ist mit den Kötern?«, schnaubte Ludwig v. Hashagen. »Wieso laufen sie so blöde herum?«

      Niemand hatte eine Antwort.

      Was sollte man auch zu dem seltsamen Verhalten der Tiere sagen? Sie waren in Windeseile den Hang hinuntergestürmt, durch den Burggraben geschossen und in der Finsternis verschwunden – um kurz darauf mit weitaus weniger Elan zurückzuhecheln. Nun schnüffelten sie mal hier, mal dort und rannten im Kreis herum. Die Männer nahmen sie kurz und gingen mit ihnen den Rand der Senke ab, aber nirgends schlugen die Vierbeiner an. Sie winselten, als bettelten sie um Absolution für ihr Versagen.

      »Zum Verrücktwerden!«, schimpfte der Oberforstmeister. »Der Kerl ist hier irgendwo. Ihr sucht oben weiter. Ich nehme mir die Schlucht vor.« Er riss einem seiner Untergebenen die Fackel aus der Hand und stieg hinab.

      Das Fackellicht warf geisterhafte Schatten auf die längst vergangenen Wehranlagen. Es erhellte aber nur einen kleinen Radius, bevor es von der Finsternis verschluckt wurde.

      Eine Baumwurzel – Ludwig v. Hashagen stürzte. Er stieß einen Fluch aus, denn die Fackel hatte gelitten. Sie spendete noch weniger Licht als vorher. Und der Boden wurde immer schlüpfriger.

      Der Graben erdrückte ihn förmlich. Düster und eng waren die Gemäuer. Wieder ließ er die Fackel kreisen. Tellergroße Pilze glotzten ihn an, gelbgrüne Flechten grinsten hämisch. Farnwedel, die zwischen gezackten Stümpfen hochschossen, schaukelten in der Luft, die stank wie die Pest. Deshalb hatten die Hunde die Schwänze eingekniffen.

      V. Hashagen kannte den Mief. Mit Schwarzkitteln hatte er nur allzu oft zu tun. Die Fressmonster richteten immer schlimmere Flurschäden an. Außerdem wusste er, dass er sich auf sein Bauchgefühl verlassen konnte. Und dieses gab keine Ruhe. ›Hier ist etwas faul!‹, insinuierte es.

      Er hockte sich auf einen mit Moos überzogenen Stamm und stützte das Kinn in die Hände.

      Wo zum Teufel war Johannes Bargfeld?

      Er stand auf und schwenkte die Fackel. War da etwas? – Nein, nur ein Baumstumpf. Er leuchtete über den Boden: Pfotenabdrücke, jede Menge davon. Mehr gab die schwarze Erde nicht preis. Er ging in die Knie, und der Gestank raubte ihm schier den Atem. Und die Fackel, das hinterhältige Biest, spie Pech auf sein Knie. Er schleuderte sie weg – und bereute es sogleich. Er ging los, hob die Fackel auf, deren Kraft mehr und mehr erlahmte, und … was war das?

      Ein Fußabdruck! Und da: noch einer.

      Bevor Ludwig v. Hashagen seine Männer rufen konnte, streckte ihn ein Schlag auf den Hinterkopf nieder.

      Wieder Hundekläffen, aber nicht mehr ganz so nah. Hatten sie den Oberforstmeister gefunden?

      Er rannte weiter. Immer nach Norden. Fichten mischten sich unter die Laubbäume. Erst ein paar Einzelgänger, dann immer mehr. Aus Laub- wurde Mischwald. Bald standen die Bäume so dicht, dass selbst am helllichten Tag kaum ein Lichtstrahl auf den Boden fiel: Peggelers Büsche – finster wie die Hölle. Aber er kannte sie. Besser als jeder andere. In den Büschen hatte er das Kinderwolfsrudel ein ums andere Mal abgehängt.

      Wo war der Bach, der die Büsche von Nordwesten nach Osten durchschnitt? Er musste ihn finden. Die Arme vor dem Gesicht brach er durchs Unterholz. Die Büsche schlugen über ihm zusammen, verschluckten ihn. Spuckten ihn woanders wieder aus.

      Der Wind frischte auf, die Wipfel rauschten. Flüsterte der Wald, dass er sein Freund war? Sein Verbündeter? Er war es damals. Und heute?

      Ein Plätschern – zu spät. Er stolperte über die Uferkante und fiel ins Wasser. Sein Handgelenk antwortete mit einem Stich.

      Ein Stück weiter südöstlich hatten sich Haselnusssträucher ihren Platz am Bach ertrotzt. Dahinter waren die Büsche besonders unwegsam. Aber es gab einen Pfad. Er hatte ihn oft genug benutzt – benutzen müssen. Die Spur führte durch einen grünen Tunnel zu einer Lichtung. An ihrem Rand wachte eine mächtige Buche, zu der die anderen Bäume respektvoll Abstand hielten.

      Das schwarze Blätterdach des Riesen wogte im Wind. Ob sein Schloss noch existierte? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Er kletterte los.

      Ja, seine Bude hatte die Jahre überstanden. Ein loses Brett hier, etwas morsches Holz da, aber keine großen Schäden. Er hockte sich auf eine Bohle, die zwei starke Äste überbrückte, und lehnte sich gegen eine Astgabel. Aus seinen Füßen tropfte Blut.

      Ludwig v. Hashagen schlug die Augen auf. Er blinzelte. Die Laterne, die ihm Overkamp viel zu nah vors Gesicht hielt, blendete. »Nimm die gottverdammte Lampe weg, du Idiot«, schnauzte er den Waldwärter an.

      Dieser versuchte, es mit einem Freudenausbruch wieder gut zu machen: »Gott sei gepriesen! Ihr lebt.«

      Der Oberforstmeister stützte sich auf. »Habt ihr ihn?«

      Seine Untergebenen sahen betreten zu Boden. Wer sollte die schlechte Botschaft überbringen? Hasberg fasste sich ein Herz: »Äh, nein. Die Hunde … wir … es ist ein Rätsel.«

      »Er muss mit dem Teufel im Bunde sein«, argumentierte Brede in der Hoffnung, der Einfall fände die Gunst seines Vorgesetzten.

      Ludwig v. Hashagen bewertete die geistigen Ergüsse seiner Männer anders. »Schwachköpfe! Von wegen Teufel! Er hat die gottverdammten Köter hinters Licht geführt. Euch auch, aber wen wunderts? Der Hurensohn ist listig wie ein Fuchs. Haltet eure hässlichen Visagen in den Wind!«

      Die drei kapierten nichts.

      Angesichts

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