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      Für meine Familie

      Dirk Möller

       Im Westen ist Amerika

      Historischer Roman

      © 2020 Dr. Dirk Möller

      Umschlaggestaltung: Autoren-Marketing

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN
Paperback978-3-347-05606-0
Hardcover978-3-347-05607-7
e-Book978-3-347-05608-4

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       PROLOG

      »Zum Teufel, Smitty! Mach schon, schneid’ ihm die Kehle durch!«

      Aber Smitty ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er beugte sich über den Kranken und filzte ihn. Von seiner Nase tropfte Schweiß, denn in den Eingeweiden des Schiffes war es mörderisch heiß. Er verzog das Gesicht. »Verdammt, der Bastard stinkt wie’n toter Fisch.«

      Joey ließ nicht locker. »Na und? Stich den Speckfresser ab! Bist doch sonst nicht so zimperlich. Tust ihm sogar ’nen Gefallen. Am Fieber krepieren ist schlimmer als ein sauberer Schnitt.«

      »Wie wär’s, wenn du mal dein verdammtes Maul hältst?«, zischte Smitty. »Den holt eh bald der Teufel, nicht nötig, dass ich ihn mit dem Messerchen kitzele.«

      Auf einmal erwachte der Fiebernde aus seinem Dämmerschlaf. Er stöhnte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wasser!«

      Smitty lachte nur. »Bestimmt hat er irgendwo hier unten Geld versteckt.« Er wollte sich nicht damit abfinden, mit leeren Händen zu gehen.

      »Unsinn, der hat nichts. Los jetzt! Oder willst du, dass er durchkommt und uns verpfeift?« Joey kniff die Augen zusammen. Und noch einmal.

      Smitty kratzte sich am Kopf. Vielleicht hatte Joey ausnahmsweise recht. Manche sprangen dem Schiffsfieberteufel von der Schippe. Jedoch konnte es Ärger geben, wenn es nach Mord aussah – falls der Kapitän irgendwann wieder nüchtern war. Das Risiko war zu groß. »Du bist dümmer als ’ne Kokosnuss, Joey. Wir lassen es aussehen, als hätte ihn das Fieber getötet. Du nimmst die Beine, ich erledige den Rest.«

      Joey glotzte nur. Dann begriff er und grinste.

      Smitty knüllte sein Kopftuch zusammen. Aber plötzlich stockte er. Er legte einen Finger auf die Lippen und stopfte den Knebel in die Hosentasche.

      »Da kommt jemand«, raunte Joey.

      ›Klack‹ – die Decksluke klappte um. Ein Lichtkegel fiel die Treppe hinab. Die Stiege begann zu ächzen.

      Der Mann, der sie benutzte, hatte Mühe, die Stufen zu treffen, denn die Hoop jagte wie ein Wildpferd durch die vom Nordostpassat ausgepflügten Wellentäler. Unten angekommen musste er sich tief bücken, denn der Laderaum war nur viereinhalb Fuß hoch. Seine Augen brauchten etwas, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, die nur von einer an einem Haken pendelnden Öllampe durchbrochen wurde.

      Dann bemerkte er die beiden Galgenvögel an dem Krankenlager. Es fiel ihm nicht schwer, eins und eins zusammenzuzählen. »Was habt ihr hier zu suchen?«, knurrte er.

      »Ihr feigen Hunde, wollt ihr ihn etwa ausrauben? Dass ihr euch nicht schämt!«

      Joey zwinkerte wieder. Er blickte zu Boden wie ein Rotzjunge, den der Schulmeister bei einem Streich ertappt hatte.

      Smitty jedoch blieb eiskalt. »Was gehts dich an, Fettsack? Verpiss dich, sonst bist du der Erste!« Seine Hand wanderte zu dem Entermesser.

      An der Klinge klebte reichlich Blut.

       EINS –PADERBORN–

       Kapitel 1

      Libori anno 1792 stand unter keinem guten Stern. Ein Gerüst verstellte den Blick auf den Paderborner Dom, weil sich die Renovierung des Ostchors verzögert hatte. Das Domareal glich einer Großbaustelle – von feierlicher Aufgeräumtheit keine Spur. Und das Wetter spielte auch nicht mit. Als die versammelten Würdenträger durch das Paradiesportal der Kathedrale ins Freie treten wollten, öffnete der Himmel seine Schleusen. Zuerst kleckste es nur ein wenig aus dem Düstergrau, bald aber prasselte es in einem fort. Hagelkörner hüpften auf dem Kopfstein. Dazu pfiff ein Wind, der wenigstens die Schwüle fortjagte, die seit Tagen auf der Stadt lastete.

      Franz Egon v. Fürstenberg bedeutete seinem Gefolge zu warten. Er trat einige Schritte vor, nur um festzustellen, dass keine Besserung in Sicht war. Im Gegenteil: Im Westen rollte schon der Donner, und Blitze zuckten über das Firmament. Seine Miene blieb unbewegt. Dabei schwankte er zwischen Verdruss und Amüsiertheit, dass etwas so Profanes wie das Wetter das Protokoll durchkreuzte, das einschließlich des eben begangenen Pontifikalamts minutiös eingehalten wurde. Aber weder das eine noch das andere wollte er offenbaren, denn kaum jemand in seinem Umfeld teilte seinen Sinn für Humor. Sein Blick fiel auf die Petrusfigur zu seiner Rechten – ausgerechnet Petrus –, und ein Schwarm Lachfältchen zerknitterte das fünfundfünfzig Jahre alte Gesicht des Fürstbischofs. Er sah dem Apostel tief in die steinernen Augen. Wenn es stimmte, was der Volksglaube besagte, könnte er vielleicht ein Einsehen haben und den Wetterkapriolen Einhalt gebieten. Aber der Regen trommelte weiter auf Straßen, Dächer und Plätze der Paderstadt. Es wurde immer finsterer. Wie an einem Novembernachmittag, dabei war es Ende Juli und eigentlich die schönste Zeit des Jahres. Der Domplatz verwandelte sich in eine Seenlandschaft, und in den Pfützen schwamm Unrat – nicht gerade ein erhebender Anblick.

      Das Murmeln in seinem Rücken drängte zu einer Entscheidung, aber Paderborns Landesherr konnte sich nicht aufraffen.

      Und so standen sie da.

      Und warteten.

      Husten. Schniefen. Tuscheln. In der Vorhalle des Paradiesportals sprangen die Geräusche von Wand zu Wand.

      Klangen nicht sogar die Kirchenglocken ein wenig lustlos? Ach, könnte er sich doch auf der Stelle in sein Wasserschloss in Neuhaus verfügen! Im selben Moment schalt sich der Fürstbischof für den Frevel und richtete wieder einen hoffenden Blick nach oben. Dort standen die Zeichen noch immer auf Regen und Sturm. Zwar verlor sich das knüppelharte Stakkato des Wolkenbruchs allmählich in etwas sanfterem Geplätscher, dieses aber würde so schnell nicht weichen. Ein ordentlicher Paderborner Landregen hatte bekanntlich die gleiche Sturheit, die man den Einwohnern des geistlichen Stifts nachsagte.

      Was tun? Wo blieb die göttliche Eingebung?

      Endlich gab sich Franz Egon einen Ruck. Der Schrein mit den Gebeinen des heiligen Liborius musste präsentiert werden. Das war wichtig für Paderborn und seine viereinhalbtausend Einwohner – was sonst hatte ihnen das westfälische Provinzmauerblümchen zu bieten? Ein Blick über die Schulter fing den spöttischen, die Grenze zur Respektlosigkeit streifenden Ausdruck von Domdechant Heinrich v. Canstein ein. Und da waren noch mehr hochmütige Gesichter. – Na wartet, ewige Nörgler, ihr werdet auch nass!

      Noch ein korrigierender Griff an die Kopfbedeckung, eine juwelenbesetzte, mit Goldfäden bestickte Mitra aus dem 11. Jahrhundert, und es kam das Kommando: »Procedamus in Domino!«

      Kaum hatte der Zug die Kathedrale verlassen, warf sich ihm der Westwind entgegen. Bö um Bö zerrte an den Gewändern der Abgeordneten von Kirche und Stadt, und das Tuch des über den Fürstbischof gehaltenen Baldachins flatterte wie ein schlecht getrimmtes Segel. Der Regent kniff die Augen zusammen. Flankiert von Hofknaben, Lakaien und seiner Leibgarde stapfte er voran, als führte er einen Kreuzzug gegen die aufmüpfigen Elemente, die dem Heiligen und ihm selbst den gebotenen Respekt versagten. Mit beiden Händen hielt er die mit bunten Glassteinen besetzte Monstranz, in der das Sanctissimum, die geweihte Hostie, zur Schau gestellt war. Viel

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