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Plötzlich Rassist. Benjamin von Thaysens
Читать онлайн.Название Plötzlich Rassist
Год выпуска 0
isbn 9783347049284
Автор произведения Benjamin von Thaysens
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
In Berlin tat sich zu unserem Ärger für mich nichts. Hier ruhte der See so still wie ein kleiner Dorftümpel. Angeboten aus Hamburg mangelte es in meinen Augen an Attraktivität. In Bayern ging hingegen für mich die Post ab – schon wieder. Sollte sich etwa an meiner Einschätzung bezüglich guten Personals aus meiner Durchstartzeit nichts geändert haben? Es war so, definitiv! Das Feedback war überwältigend und wir beschlossen, nach Bayern zu ziehen. Carola jodelte fortan immer so niedlich schräg wie eine krächzende Krähe. Ich versprach ihr eigentlich mehr scherzhaft, ihr einen Jodelkurs und ein Dirndl zu finanzieren, sobald sie nachkäme. Sie willigte ein und war fest entschlossen, einen Jodelkurs zu absolvieren – oder veralberte sie mich nur? Ich weiß es bis heute nicht. Sie war jedenfalls voller positiver Emotionen. Wir hatten echt Spaß an der Sache und mächtige Vorfreude auf unsere gemeinsame Zeit. Carola machte eine Liste mit Orten, Wanderwegen, Museen, Konzerthallen, Städten, Restaurants und Kneipen, die »wir uns sofort anschauen müssen«, wie sie euphorisch einforderte. Ich musste lachen und freute mich über ihre Begeisterung. Ich mag es, wenn sie unsere Aktivitäten plant und voll darin aufgeht.
Ich entschloss mich aus gutem Grund, ein Familienunternehmen in Augsburg, mit Niederlassungen in München und Nürnberg zu wählen. Wir suchten für uns eine tragfähige, vor allem langfristige Lösung und diese erschien uns in einem Familienunternehmen, das laut dem Inhaber Karl Huber auf der Erfolgsspur war, am besten erreichbar. Karl Huber vermittelte mir den Eindruck eines bodenständigen Unternehmers. Mein Nomadenleben musste beendet werden, das war beschlossene Sache.
Ich wurde Abteilungsleiter in einem Handelsunternehmen. Mein Kompetenzspielraum reduzierte sich zwar im Gegensatz zu meinen Vorunternehmen, aber das war andererseits für mich nicht mehr so bedeutend, weil ich endlich mit Carola ein gemeinsames Familienleben führen konnte: Im Job einen Schritt zurück, mit Carola einen Schritt vor, so war es das Beste, fand ich. Das Gehalt stimmte, der Firmenwagen auch.
Das Unternehmen befand sich nordwestlich von Augsburg in einem kleinen Dorf; es gab immerhin einen Bahnhof. Aus meinem Büro blickte ich auf eine saftige grüne Wiese mit Kühen. »Auch schön und so inspirierend«, sagte ich mir am ersten Tag. Ein derartiger Ausblick war mir neu.
Ich bezog ein komfortables Apartment in der Augsburger Innenstadt mit genügend Raum für Carola und mich. Ich brauchte nur meine Kleidung in den Schrank hängen, das Bett beziehen und mein Waschzeug im Bad platzieren. Es war voll ausgestattet und genau richtig für einen Wochenendheimfahrer, der nicht in einen Zweitwohnsitz investieren wollte. In Augsburg gab es eine Vielzahl dieser Apartments, hier brummte die Wirtschaft. Internationale Fach- und Führungskräfte wurden von Arbeitgebern wie Kuka auf Zeit angeworben und die suchten alle eine kleine Wohnung. – Wer will schon gerne für längere Zeit im Hotel wohnen?
Carola und ich beschlossen, eine Einarbeitungsphase von einem Jahr abzuwarten, bevor sie nachkommen würde. Mit dem ICE dauerte die Fahrt von Augsburg nach Berlin viereinhalb Stunden, das war noch okay. Wir wechselten uns ab: Ich reiste Freitagsmittags nach Berlin, Carola kam meistens schon donnerstags nach Augsburg. Die Stadt gefiel ihr auf Anhieb, besonders die schönen kleinen verwinkelten Gässchen in der Altstadt. Es gab Museen und Ausstellungen, ein tolles Theater, schicke Restaurants, urige Gasthöfe, volle Biergärten. Um die Ecke unseres Apartments war eine schöne Joggingstrecke, das Umland erkundeten wir mit Fahrrädern.
Ich kannte Augsburg aus meiner früheren Bayernzeit und musste mich nicht groß eingewöhnen. Carola schon; sie wunderte sich, wenn die Menschen sie grüßten; die bayerischen Schwaben dort sind sehr freundlich, im Gegensatz zu den rotzigen Berlinern.
Dass diese Entscheidung meinen Untergang einleitete, ahnten weder Carola noch ich. Es fing doch alles so vielversprechend an …
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