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setze. Und den Möglichkeiten der Liebe vertrauen. Ein bisschen Liebe – das geht bestenfalls im Schlager. Im Leben funktioniert das nicht.“

      Von Freiheit ist heute inflationär die Rede, denke ich. Aber viel zu wenig von der Freiheit eines Christenmenschen. Die Schwierigkeit liegt hier nicht bei der mangelnden Einsicht, was diese Freiheit wirklich meint. Damals nicht, als die Galater sich auf diesen Weg des Paulus einlassen. Auch heute nicht, wo Freiheit zum Schlüsselbegriff einer ganzen Denk-Tradition geworden ist.

      Die Schwierigkeit liegt in dem Versuch, dieser Einsicht Konsequenzen folgen zu lassen. Nicht selten macht uns diese Freiheit Angst. Und wir bleiben auf halbem Weg stehen. Wir kennen die Rahmenbedingungen der Freiheit. Wir sehnen uns nach ihr. Und wählen dann doch die Unfreiheit. Wir entkommen durch’s Rote Meer in die Freiheit. Und wünschen uns an die Fleischtöpfe Ägyptens zurück.

      In einer dunkeln Spiegelwand leuchten die Versäumnisse der Freiheit auf. Ich schaue genauer hin:

      Wir wissen: Mehr Waffen bedeuten mehr Krieg, lese ich. Aber wir verkaufen dann doch mehr Waffen als die meisten Länder dieser Erde.

      Wir wissen: Fossile Brennstoffe schaden unserer Umwelt, die Klimaveränderung ist nicht mehr aufzuhalten, lese ich. Aber am Ende leben wir so, als hätten wir noch alle Zeit der Welt.

      Wir wissen: Unsere Art zu leben macht uns krank, lese ich. Aber am Ende machen wir weiter wie bisher.

      Die Museumsmitarbeiterin verabschiedet sich. Nicht ohne mir den Rat zu geben, noch einmal bei Luthers Freiheit eines Christenmenschen vorbeizuschauen. „Niemand“, so sagt sie zum Schluss“ – „niemand hat das Verhältnis von Freiheit und Liebe besser und schöner zusammengefasst als Martin Luther. Seine beiden Sätze aus der Freiheit eines Christenmenschen schweben immer noch ineinander übergehend frei durch den Raum: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

      Luther, das weiß ich, hat seine Theologie in der Auseinandersetzung mit Paulus entwickelt. Wenn auch mit einem anderen Ziel als Paulus. Paulus ist es um bestimmte Regeln für andere Menschen gegangen. Regeln, die den Rahmen des Glaubens an Gott eben auch für andere öffnen wollte. Luther ist es um Regeln für sich selber gegangen. Um Regeln, die ihm selber für den aufrechten Gang vor Gott möglich gemacht haben. „Wie kriege ich einen gnädigen Gott“ – kein Wunder, dass er ein ums andere Mal so gefragt hat.

      „Zur Freiheit hat euch Christus befreit!“ Paulus hat seine nichtjüdischen Mitmenschen im Blick. Um von der Freiheit zu kosten, die Paulus meint, sind sie zu einer neuen Grundeinsicht herausgefordert. Und zu einer Grundentscheidung. Die Grundentscheidung, sich im Streben nach Freiheit von der Liebe zu den Mitmenschen leiten zu lassen. Ehrlich gesagt, so viel anders ist das heute auch nicht. Die Freiheit will immer noch riskiert und gewagt werden. Gerade auch die Freiheit eines Christenmenschen. Für mich selber. Und für alle anderen auch.

      Ich gebe zu: Der Gang durchs „Museum der unverzichtbaren Wörter“ hat mich angestrengt. Vor allem mein Aufenthalt bei den Säulen der Freiheit. Die drei Räume zu Glaube, Liebe und Hoffnung, die in Form eines Dreiecks angelegt sind, nehme ich mir ein ander’ Mal vor.

      Immer noch höre ich das Singen. Je mehr ich zurückgehe, desto lauter wird es. Der Gang in dieses Museum tut mir immer gut. Vor allem auch die Musik. Beim gesungenen Gotteslob halte ich ein. „Das kenne ich doch“, denke ich plötzlich. „Da kann ich sogar mitsingen!“ „Es ist das Heil uns kommen her.“ Erst singt noch der Chor. Dann stimme ich selber ein. Wie gut, denke ich, lebt sich’s doch in der Freiheit eines Christenmenschen.

      Die fünf Tore der Liebe

       Predigt über Hoheslied 3,1-5 in der katholischen Kirche St. Stephan in Freiburg-Munzingen zum Abschluss der ökumenischen Bibelwoche am Freitag, 23. Februar 2018

      Das Hohelied kann man nicht predigen! Man kann es singen, lesen, meditieren und tanzen. Aber predigen, erklären, deuten, interpretieren – das geht nicht. Das führt bestenfalls zu Missverständnissen. Die Geschichte des Umgangs mit diesem biblischen Text ist darum immer schon auch eine Geschichte des Missverstehens gewesen.

      Biblische Texte handeln nicht einfach von der Liebe zwischen Menschen. Sie handeln von Gott, so höre ich die Altvorderen im Glauben sagen. Sie handeln von der Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Ganz gleich, um welche Art von Texten es sich handelt.

      Keine Frage: Diese poetische Liedsammlung, die wir Hoheslied nennen, hat sich unserem normalen Umgang mit biblischen Texten widersetzt. Das eine Mal ist dieses Lied eingeebnet und über den gleichen Leisten geschlagen worden wie alle anderen Texte auch. Oder es ist gleich ganz in der Versenkung verschwunden. Nur gepredigt – gepredigt wird das Hohelied eher selten. Bis heute.

      Wie gut, dass die Ökumenische Bibelwoche sich in diesem Jahr dieses Textes annimmt! Wie gut, dass dieses Hohelied auch in den Gottesdiensten zum Abschluss der Ökumenischen Bibelwoche zum Thema wird! Und darum soll in der Predigt das Unmögliche möglich werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es geht, das Hohelied zu predigen. Und natürlich hoffe ich, dass sie am Ende dieselbe Erfahrung machen.

      Eine gottesdienstliche Annäherung an das Hohelied also – wie kann das gehen? Mir hat sich folgender Weg aufgetan. Manchmal stelle ich mir die Bibel nämlich wie eine Landschaft vor. Die gewichtigen fünf Bücher Mose ragen wie ein Hoch- gebirge aus der Landschaft heraus, so wie das gewaltige Gebirgsmassiv der Alpen Mittel-Europa durchzieht. Das Thema der Gerechtigkeit gründet sich tief in den Seen der Schriften der Propheten. Die Geschichtsbücher, Chronik, Könige - sie beschreiben Wege, die sich durch die ganze Landschaft bahnen.

      Die Evangelien markieren vier Quellen, aus denen sich die ganze Lebendigkeit der Schöpfung in die Natur ergießt. Die Briefe des Paulus legen sich wie ein Netz aus Wäldern und Auen über die Landschaft.

      Das Hohelied findet sich mitten in der Landschaft wie ein anmutiges mittelalterliches Städtchen. Die einzelnen Häuser sind bemalt und schön saniert. Ansammlungen mehrerer Häuser bilden Quartiere, die sich wunderschön zu einem einheitlichen Ortsbild verbinden. Hier ein Brunnen, da ein kleines Straßencafé, daneben Galerien und Geschäfte. Aus einem Pavillon klingt Musik. Ein Thermalbad lädt zum Genießen ein.

      Einen Ort stelle ich mir vor, der sich mit seiner Schönheit und seinem Gepräge deutlich von seiner Umgebung abhebt. Irritiert ob der eigenwilligen Schönheit des Ortes schauen die einen, neidisch die anderen. Die einen wenden sich ab, weil sie die Postkartenidylle nicht aushalten. Die anderen wollen einfach nur ihre Ruhe haben und genießen.

      Neugierig geworden will ich mich in diesen Ort des Hohenliedes hineinwagen. Aber so einfach geht das nicht. Fünf Tore gilt es zu durchschreiten, um hineinzukommen. Fünf Tore, hintereinander gelegen wie der überdachte Marktweg einer orientalischen Stadt.

      Ich nähere mich dem ersten Tor. Es ist das „Tor der Liebe zur Poesie“. Ich gehe in das Tor hinein und höre Worte wie Musik:

       Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz,

       wie ein Siegel auf deinen Arm,

       denn stark wie der Tod ist die Liebe,

       die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt!

       Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen.

       Mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen,

       auch Ströme schwemmen sie nicht hinweg.

       Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses,

       nur verachten würde man ihn.

      Ich höre und mir wird klar: Zugang muss ich finden zu dieser so ganz anderen Sprache. Sie erzählt nicht einfach nüchtern wie in den Texten des Josuabuchs und den zwei Bänden der Chronik der Könige Israels. Sie legt keine logischen Gedankengänge offen wie die Briefe des Apostels Paulus. Sie will mein Herz öffnen. Und meine Seele zum Singen bringen.

      Die Gitter öffnen sich wie von allein.

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