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nickte. »Nun gut, Gäßler. Dann werden wir wohl um eine Untersuchung nicht herum kommen.«

      Unsicher blickte Gäßler dem Schultheiß nach, als er sich erneut abwandte, zum Fenster schritt und auf die Gasse hinunter starrte. Das Lachen aus dem Untergeschoss plätscherte herauf. Leben sprudelte durch das Haus des Schultheißen. Der wandte sich ihm zu, mit einem entschlossenen Ruck, als besinne er sich wieder seiner Anwesenheit. »Ich danke für Euren Besuch, Gäßler. Ich brauche jetzt erst mal etwas Kräftiges zwischen die Zähne. Gestärkt werde ich mir die Angelegenheit durch den Kopf gehen lassen.«

      Damit war er entlassen und also verneigte er sich leicht vor dem Ortsvorsteher und verabschiedete sich.

      Zu dieser frühen Stunde saßen in der Wirtschaft Zum Zoller, noch nicht viele Gäste. Außer den üblichen Männern hockten lediglich zwei fremdländisch aussehende, bärtige Reisende in karierten Wollhemden und Lederwamsen an einem der hinteren Tische nah beim Feuer. Das sah Gäßler mit einem Blick, als er über die Schwelle in die Schankstube polterte, nass bis aufs Hemd, denn der Wolkenbruch hatte sich ausgerechnet auf seinem Weg hierher entladen.

      »Sauwetter, zum Henker«, brummte er, riss sich den Umhang von den Schultern und warf ihn über den erstbesten Stuhl, dass die Kerze auf dem Nebentisch nur so flackerte. Dort saßen Bauer Schrank, Hübner Straub, Michel Seyfried und Peter Ackermann und sahen von ihrem Würfelspiel auf.

      »War wohl ein kurzer Schlaf, Gäßler!«, grüßte Straub mit schiefem Grinsen und schüttelte den Würfelbecher.

      Gäßler warf seinen breitkrempigen Filzhut auf den Schanktisch. Er hielt es für das beste, sich gar nicht erst zu setzen. Er nickte Wirt Pfannenstiel zu. Würziger Biergeruch stieg ihm in die Nase, vermischt mit Zwiebeldunst, der durch die angelehnte Tür hinter Pfannenstiel in die Wirtsstube drang.

      »Durst hat ihn vom Lager getrieben«, feixte Schrank und stieß den Sitznachbarn mit dem Ellbogen an. Schrank lachte ein kehliges Lachen und ergänzte: »Nässe macht ihm nichts. Er träumt davon, sich mitten reinzulegen ins Große Fass zu Heidelberg!« Schranks Brustkorb hüpfte auf und ab, so sehr schüttelte ihn das Lachen.

      Gäßler tat, als gäbe er nichts auf ihr Gespött. Nicht mehr lange, da würden diese Dummbeutel ihm Dankbarkeit zeigen, statt sich über ihn lustig zu machen. August Pfannenstiel schob ihm einen Krug Helles hin. Gäßler nickte dankend in die Richtung des spitz vorstehenden Bauches Pfannenstiels, über den sich eine Lederschürze spannte. Der Wirt wischte mit einem schmierigen Lappen herum. Ihm fehlten Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Abgequetscht von Bierfässern, die sich beim Abladen aus der Halterung gelöst hatten. Gäßler gab sich bedächtig und nahm einen kräftigen Schluck. Langsam verschwand das Hämmern in seinem Schädel. Gut so. Bier war Medizin.

      »So schweigsam heute, Gäßler? Gibt’s nichts zu vermelden?«

      »Und wenn?«, brummte er und besah sich Pfannenstiels Herumgewische.

      Gäßler konnte den Mann gut leiden. Wenn er auch nichts anfangen konnte mit dem Zierrat, den dieser seit seinem Unfall aus Lindenholz schnitzte, um sich zu beweisen, wie gut er mit der Linken umgehen konnte. Doch sei’s drum, der Mann war recht. Er scherte sich nicht darum, dass Spielen verboten war und ließ seine Gäste gewähren. Er war’s, der ihm den Augspross beschafft hatte. Und sein Weib hatte ihm den Beutel dafür genäht. Die anderen klagten nur und zogen den Schwanz ein. Jammerten, dass der Regen das neu ausgesäte Korn wegschwemmte und fürchteten sich vor der Strafe Gottes. Erzählten angstvoll, dass drüben im Westen der Rhein sein Bett bereits in die umliegenden Wiesen ausdehnte und der schlammbraune Sumpf mit jedem weiteren Regentag näher an Hockenheim herankrauchte wie ein schleimiges Ungeheuer aus der Hölle. Aber taten sie etwas? Nein. Er nahm einen Schluck und gab Pfannenstiel durch ein Nicken zu verstehen, ihm einen weiteren Krug hinzustellen.

      »Es gibt Zwiebelfleisch, sauer eingelegte Bohnen und Brot«, teilte dieser ihm mit, und Gäßler nickte zustimmend. Dann drehte er sich zu den Männern um.

      »Wichtiges treibt mich aus der Stube«, verkündete er.

      »Gilt’s einen Brand zu melden? Hehehe.« Straub sah ihn nicht an, sondern verfolgte seinen Wurf.

      »Hornochse!«, knurrte Gäßler. Dass sie ihn aber auch nicht damit in Ruhe ließen. Werdet schon noch erkennen, was ihr mir zu danken habt.

      »Spuck’s schon aus, Gäßler. Sonst platzt dir noch der Kragen.« Ackermanns vorquellende Augen stierten neugierig zu ihm herüber. Ihn traf Gäßler zuweilen nachts, wenn der von seinen auswärtigen Huren- und Saufgelagen heimkehrte. Ein manches Mal leerten sie dann noch gemeinsam den Rest aus Peters Trinkschlauch, damit dieser nicht verkam. Sein gelegentlicher Kumpan würde nicht spotten. Der Anfang war gemacht.

      »Unwetter gehen nieder. Verwüsten Felder. Misswuchs treibt seltsame Pflanzen hervor, die zu nichts taugen, als sie auf einen Haufen zu werfen und zu verbrennen«, begann er.

      »Hast du’s auch gemerkt Gäßler. Guten Morgen.«

      Gäßler scherte sich nicht um den Einwurf. »Wer, glaubt ihr, ist verantwortlich dafür?«

      Jetzt glotzten sie mit aufgesperrten Mäulern!

      So ist’s recht, dachte er. »Glaubt ihr, die Unholde treiben sich nur in Nachbargegenden herum? Es gilt, ihre heimlichen Verrichtungen auch bei uns ans Licht zu bringen! Wer sagt uns denn, dass der Leibhaftige nicht auch bei uns im Ort seine Helfer zusammentreibt? Was wohl ist Baumann widerfahren?«

      Seyfried griff nach der Kanne, die zwischen den Würfelspielern auf dem Tisch stand, und goss sich nach.

      »Willst du uns erzählen, dir wär was aufgefallen?«, rief er lauernd.

      Gäßler nahm einen Schluck, strich sich langsam durch den Bart, als müsse er die Worte erst suchen, dabei lagen sie ihm seit Tagen auf der Zunge. »Es gibt welche, die bewirken durch Vergraben von grüner Materie allerhand Schaden im Boden. Es gibt welche, die machen Salben aus gelbem Gewürm, bestreichen damit ihre Ofengabeln und reiten nachts zum Schornstein hinaus. Dann treffen sie sich mit dem Bocksbeinigen und hecken aus, wie sie Unheil stiften können.«

      »Was für grüne Materie?«, fragte Schrank, die Augen weit vor Neugier.

      »Was weiß ich! Kenn ich mich aus mit Hexenwerk? Irgendwelche Galle und giftiges Gesträuch werden sie zusammenrühren!«

      »Womöglich glaubst du auch noch, dass sie Kinder fressen, Gäßler«, raunte Pfannenstiel.

      »In Lippe hat man eine gefangen gesetzt, die soll die Milch blau gezaubert haben«, steuerte Seyfried bei, den Einwand des Wirts abtuend.

      »Stimmt«, nickte Straub.

      Schweigen.

      Gäßler nickte zufrieden. »Sie verzaubern Molke, fluchen den Leuten den Teufel in den Leib, dass sie sich nicht mehr rühren können …«

      Ackermann hieb die Faust auf den Tisch. »Gäßler hat recht! Unser Landesherr hat Sorge zu tragen für Körper und Geist seiner Untertanen. Und das sind wir! Entschlossenes Einschreiten gegen die Machenschaften des Satans ist darin einbezogen! Wir sollten dem Schultheiß Beine machen.« Herausfordernd sah er in die Runde.

      »Ganz recht!«, murmelte Schrank.

      »Da sieht man, wie wenig du von solchen Dingen verstehst!«, meinte Straub gewichtig. »Was soll der Schultheiß bei der Sache, da er doch dem Ortsgericht vorsteht, du Dummbeutel! Beleidigungen, unblutige Raufereien, Feld- und Waldfrevel – dafür hat der die Strafgerichtsbarkeit! Aber Hexerei …«

      Einer der beiden Fremden mischte sich ein: »Bei uns nageln sie Fuchsköpfe an die Scheunentore, um dem Bösen zu wehren. Vielleicht solltet ihr gleiches tun.«

      »Wo ist bei uns; Herr?«, fragte Ackermann nicht unfreundlich, aber zweiflerisch, und drehte sich halb zu den beiden Fremden um.

      »Schottland«, kam die knappe Antwort.

      »Dann habt Ihr dort kein Waidrecht. Bei uns gehört das Waldvieh dem Kurfürsten. Das gäb’ ne schöne Hatz, würd’ der Wildschütz die Fuchsköpfe an den Toren zählen müssen.«

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