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ermahnte ihn, »Danke« zu sagen und sandte ein zufriedenes Lächeln zu ihrem Mann, das den Stolz auf die Genügsamkeit und Fürsorge ihres Erstgeborenen aus erster Ehe verdeutlichte. Im Gegensatz zu ihr, Agnes, mochte Philipp seine beiden Halbbrüder, vor allem Zacharias. Bereitwillig lernte Philipp den Jüngeren an, was dieser ihm mit freudiger Gefolgschaft dankte. Ihr jedoch waren die Jungen so verhasst wie Ohrwürmer. Desgleichen Vaters zweite Frau. Agnes vermied, mehr als nötig mit ihr zu reden. Viel zu bald nach Mutters Tod hatte Vater das viel jüngere Weib angeschleppt. Agnes sah sie vor sich, wie sie damals auf den Freihof gerollt war, die unwillkommene Witwe aus Schwetzingen mit ihrem blassen Dreikäsehoch Philipp. Drall und rund wie ein gelber Strohballen, mit einer Stimme wie daraus hervorstechende Strohhalme. Vierzehn Jahre war das her, Philipp inzwischen ein Jüngling. Zwei weitere Söhne hatte Susanne dem Zentgrafen geboren: Zacharias, er war im Januar zwölf geworden und musste somit in diesem Jahr den Kuhhirten auf die Wiesen begleiten, wobei ihr Vater darauf bestand, dass er diesen Dienst auf dem väterlichen Hof versah und nicht, wie üblich, sich bei anderen verdingte. Und klein Johannes, den der Vater der Einfachheit halber nach sich selbst benannt hatte, weil es ihm zu mühsam war, ständig Namen für Kinder auszusuchen, die dann ohnehin starben. Fünf seiner Jungen hatten es nicht geschafft, das Säuglingsalter zu überleben, davon war nur eines die Frucht seiner zweiten Frau. Diese fuchsschlaue Person, die behauptete, sie würde nur Söhne gebären. Niemals nannte Agnes sie Stiefmutter, da auch darin das Wort Mutter enthalten war. Mutter gab es nur eine … Mutter nicht daran denken!

      »Konntest du schon etwas herausfinden in der Sache Baumann?«, fragte Georg, der die rechte Stirnseite des Tisches innehatte. Zwischen Agnes und ihm waren zwei Plätze leer, die Tafel des Zentgrafen war groß, zuweilen saßen Gäste, einer von Susannes Brüdern aus Schwetzingen etwa oder einer der Schöffen, mit am Tisch, manchmal auch der Zentbüttel, wenn der über Land unterwegs war.

      Auch bei ihrem drei Jahre älteren Bruder Georg schlug die mütterliche Seite mehr durch. Seine Haare waren von dunklerem Braun als ihre eigenen, die honigfarbene Strähne auf der rechten Seite ließen sie jedoch heller aussehen. Er war groß und kräftig, an die wuchtige Gestalt ihres Vaters kam er allerdings nicht heran. Dass er trotz seiner Größe körperlich nicht auf der Höhe wirkte, lag an seiner Behinderung. Georgs rechtes Bein war von Geburt an kürzer als das linke, was ihm in seiner Kindheit den Spitznamen Scheeger eingetragen hatte.

      Agnes spitzte die Ohren. Ob sie Friedgard erwähnten? Sobald man auch nur in die Nähe seines Namens kam, pochte ihr Herz wie verrückt. Menschen, Gegebenheiten, die sie mit ihm in Verbindung brachte – kam die Rede darauf, brannte sie lichterloh, sie bekam heiße Backen und spürte jedes Mal, wie sich ihre Gesichtshaut spannte. Ob man ihn aufgetrieben hatte?

      »War am Nachmittag ein weiteres Mal bei ihm«, antwortete ihr Vater und biss von seinem Brot ab. Mit vollem Mund sprach er weiter: »Da war er endlich bei Bewusstsein. Sagt, dass er sich nicht recht entsinnen könne. Er glaubt, der Gaul sei gestrauchelt. Dann schwanden ihm die Sinne.« Er schluckte das Brot hinunter. »Einen stechenden Schmerz im Nacken will er noch gespürt haben. Er denkt, er sei überfallen worden.«

      Agnes’ Herz raste als wolle es ihr aus der Brust springen. Um sich zu beruhigen, kaute sie auf Grünkernen herum bis diese in ihrem Mund zu einem dicken Brei geworden waren. Sie würgte ihn hinunter und dachte daran, was Elli ihr erzählt hatte. Ob ihrem Vater dies Gerede ebenfalls zu Ohren gekommen war? Sollte sie ihn darauf aufmerksam machen, die Rede auf die Heilmännin bringen?

      Ihr Vater fuhr in brummigem Ton fort: »Der junge Herwart kam gerade als ich von Baumann fortging. Dem hab ich was erzählt! Bin noch mal mit ihm hoch, damit er die Aussage des Lehrers festhält. Würth, der Pfau, hat sich natürlich nicht darum gekümmert.« Ein verächtliches Schnauben folgte dieser Feststellung, dann ergänzte er: »Der Gaul jedenfalls hat einen nicht ernst zu nehmenden Kratzer am rechten Vorderfuß. Möglich, dass er wirklich strauchelte und Baumann abwarf.«

      Also war er aufgetaucht. War bei seinem Freund. Wahrscheinlich jetzt noch …

      »Ergen ist ein trittsicherer Hengst«, bemerkte Georg und sandte dem Vater über den Tisch hinweg einen zweifelnden Blick. »Das hast du bedacht, als du ihn Baumann liehst.«

      »Dienstag ist Gerichtstag. Baumann wird den Fall zur Rüge bringen«, sagte ihr Vater und es klang, als wolle er nicht weiter darüber reden.

      Georg schien es nicht zu hören. »Wurde ihm etwas gestohlen? Dann wird’s als Diebgeschrei ohnehin auf die Zent zu schreiben sein. Keiner der Dorfschöffen wird da anderer Meinung sein.«

      Vater hatte Georg die Fuhrwerksgeschäfte übertragen, die er neben dem Freihof betrieb, dennoch nahm Georg an den Rechtsangelegenheiten Anteil und besuchte so oft er konnte sowohl das Rüggericht im Ort als auch das Zentgericht in Leimen, was ohnehin eines jeden Untertanen Pflicht war. Dienstag nach Georgi war der ungebotene Gerichtstag des Dorfgerichts. Alle Fälle, die dort verhandelt werden mussten, wurden an diesem Tag gerügt. Schwerere Vergehen schrieb man auf die Zent, sie konnten im Ortsgericht oder direkt in Leimen, wo das Zentgericht tagte, vorgebracht werden.

      Georg fasste sich kurz an die Nasenspitze bevor er einen weiteren Löffel Suppe in den Mund schob.

      Ihr Vater sah nicht von seinem Teller auf, als er seltsam tonlos antwortete: »Fehlen ihm nur ’n paar Kreuzer. Sind ihm vielleicht auch beim Sturz aus der Tasche gefallen.«

      Georg nickte beifällig. »Sieht also ganz nach einem Unfall aus?«

      »Unfall?!«, entfuhr es Agnes. Sie gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt sie war, als sie ergänzte: »Im Ort wird anderes geredet.«

      Georg sah sie an. Bedachte sie mit einem ruhigen Blick aus seinen braunen, goldgesprenkelten Augen. Als Kinder waren sie sich näher gewesen. Nach Mutters Tod hatten sie sich voneinander entfernt. Eigentlich war ihr Bruder ihr zu sittsam. Er trank nicht übermäßig, was zwar gut war, weil er so nicht herumpolterte wie Peter, aber er besuchte den Gottesdienst aus wahrer Überzeugung, wie sie annahm, und seine wenigen, aber guten Freunde waren langweilige, tugendhafte Burschen.

      »Was wird geredet?«, fragte er.

      Auch die anderen sahen zu ihr her.

      Ihre Arme begannen zu kribbeln. Sie schluckte, dachte an Friedgard und an das Gesicht ihres Vaters, als er ihr gesagt hatte: »Kommt nicht in Frage! Ich werd den Teufel tun und mich mit Herwart freiwillig an einen Tisch setzten! Ich finde dir schon den Richtigen. Schlag dir den Tintenkleckser aus dem Kopf.«

      »Man hört, die Heilmännin könnte etwas damit zu schaffen haben«, erklärte sie schließlich.

      Georg gab ein ungläubiges Lachen von sich.

      »Die Heilmännin?«, kiekste Susanne verwundert.

      »Was ist das für ein Gerede, Tochter?«

      Agnes schluckte. Wenn sie jetzt das mit Friedgard und der Eifersucht erwähnte, würde ihr Vater laut auflachen. Er würde es ihrer Eifersucht zuschreiben. Das durfte keinesfalls sein. Wie sollte sie es anfangen?

      Sie zuckte die Schultern. »Hexenwerk«, sagte sie betont gleichgültig.

      »Hexenwerk?«, entfuhr es Bea erschrocken.

      »Man hört so allerlei«, stimmte Peter zu. Der grobschlächtige Großknecht mit seinen Glupschaugen und dem Stiernacken grinste widerlich.

      Zahn fuhr gebieterisch mit dem Arm durch die Luft. »Schluss damit!«, befahl er. »Wir werden sehen, was bei der Rüge am Dienstag herauskommt. Wenn nötig, wird eine Voruntersuchung eingeleitet.« Er schob seinen Teller von sich, um zu zeigen, dass die Angelegenheit damit beendet sei.

      »Du wirst die Untersuchung gewissenhaft vornehmen wie stets. Ich bin sicher, du wirst nichts Unbedachtes tun«, zwitscherte Susanne.

      Dieses Weib umgarnte den Vater mit ihrer verheißungsvollen Helle und Agnes hätte reinschlagen mögen in ihr rundes Gesicht, es blau und grün machen.

      Zahn nickte nur leichthin und hieb Zacharias die Hand auf die Schulter. »Wie gefiel dir dein erster Tag als Kuhhirte, mein Sohn?«

      Zacharias war darauf nicht

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