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Licht in die Stille von Weihnachten. Volker Tesar
Читать онлайн.Название Licht in die Stille von Weihnachten
Год выпуска 0
isbn 9783347098060
Автор произведения Volker Tesar
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
„Nur Milch, bitte.“
„Okay, Zucker habe ich auch nicht, du bist ein höflicher Junge.“
Endlich saßen alle am Tisch, rührten in den Tassen und betrachteten sich neugierig.
Andreas sah sich die beiden jungen Leute an. Magdalena war ein zierliches Mädchen. Ein prachtvoller und sicher unbezähmbarer Haarschopf bedeckte teilweise ein schönes Gesicht, in dem viel Ernst und Nachdenkliches lag. Die Augenfarbe war undefinierbar. Sie schienen blau zu sein, hatten aber auch einen grünlichen Schimmer. Er schätzte sie auf fünfzehn Jahre.
Stefan war ein schlaksiger Junge mit kurzgeschnittenen Haaren und einer schmalen Narbe auf der Stirn. Seine braunen Augen wirkten verträumt und um seinen Mund spielte meistens ein Lächeln. Er hatte den Stimmbruch schon hinter sich und wenn er sprach, verriet der Klang, dass er einmal eine wohltönende Männerstimme bekommen würde. Andreas registrierte auch, dass Stefan immer wieder das hübsche Mädchen betrachtete und dabei einen sehr weichen Gesichtsausdruck bekam.
„Wir haben uns hier versammelt, weil ich es so wollte. Ich bin jetzt fünf Jahre in der Gemeinde St. Quendolin. Es hat sich hier nichts ereignet, außer, dass Gemeindemitglieder sterben, dass geheiratet wird und dass Kinder geboren werden. Wenn ich zu meiner Kirche hinübergehe, denke ich oft, wie düster dieses Gebäude doch ist, obwohl es ein so genanntes Gotteshaus ist. Weihnachten steht vor der Tür und ich habe vor, ein bisschen Licht und Farbe in meinen Laden zu bekommen. Und ich habe beschlossen, dass ihr beiden mir dabei helfen könnt.“
„Warum gerade wir?“ fragte Magdalena.
„Das ist nur so ein Gefühl. Ich glaube, Magdalena, dass man dir sehr viel Verantwortung übergeben kann. Und ich glaube, dass du, Stefan, mit deiner Art Musik zu spielen, bei der Erleuchtung der Kirche einen wichtigen Beitrag leisten kannst, wenn du willst.“
„Kein Problem, Herr Pfarrer.“
„Andreas, bitte. Ich habe an Heilig Abend eine Kindermette. Mir geht es vor allem um die Gestaltung dieser Mette um vier. Ich habe ein Krippenspiel entwickelt, das nur noch auf die Ausführung wartet. Dafür brauche ich eine verantwortliche Leiterin und viele Kinder und Jugendliche. Macht ihr mit?“
Magdalena nickte, ohne zu überlegen und Stefan schloss sich an.
Sie sprachen noch eine Stunde über das Krippenspiel und Pater Andreas zog aus seinem Schreibtisch ein Manuskript heraus, das er Magdalena übergab. „Schau es dir bitte einmal bis morgen an und sage mir, ob wir das so machen können.“
Magdalena nahm den Hefter und blätterte darin. Sie las einige Dialoge und musste lachen. „Das ist gut, bis jetzt …“
„Bevor du dich weiter vertiefst, müsst ihr leider gehen. Ich muss noch zu einem Krankenbesuch und die Leute essen pünktlich um zwölft Uhr. Es macht immer einen komischen Eindruck, wenn ich kurz vor zwölf komme. Ihr versteht schon, was ich meine …“
Magdalena und Stefan verabschiedeten sich. „Könnt ihr morgen Abend kurz vorbeikommen?“
Wieder nickten beide und traten dann auf die Straße hinaus.
„Kommst du noch mit zu mir?“ fragte Stefan verlegen.
„Klar, wir müssen doch das Manuskript studieren.“
Nach zehn Minuten hielten sie vor einem kleinen Haus und Stefan kramte nach seinem Schlüssel. Er sperrte auf.
„Stefan, bist du das?“ fragte eine frische Frauenstimme.
„Ja, Großmutter, ich habe noch jemanden mitgebracht.“
„Wollt ihr erst zu Mittag essen? Der Braten ist gerade fertig geworden.“
„Oh ja, gerne.“ Stefan schob Magdalena vor sich her bis zu einer Holztür, die halb offen stand. „Oma, das ist Magdalena Korbian. Wir waren zusammen beim Pfarrer.“
„Hallo, Magdalena. Ich bin Frieda, Großmutter und Erziehungsberechtigte dieses Lausejungen, der er leider nicht ist.“
Magdalena trat in die Küche und erblickte eine kleine Frau mit durchtrainiertem Körper. Sie mochte Ende fünfzig sein, hatte ein Gesicht voller Lachfalten und dieselben Braunen Augen wie ihr Enkel.
„Schön, Stefan, dass du mal jemanden mitbringst. Ich habe dein Gesicht schon einmal gesehen. Hm, ist deine Mutter nicht die Sängerin Carolin Korbian?“
„Ja, das ist sie. Guten Tag, Frau Schiller.“
„Wir sind doch hier unter uns. Nenne mich bitte Frieda. Das erlaube ich nicht jedem, aber du gefällst mir auf Anhieb.“
Sie drehte sich wieder ihren Töpfen zu. Magdalena sah sich in der Küche um. Mitten im Raum stand ein großer runder Holztisch. „Soll ich den Tisch decken, Frieda?“
„In dem dunklen Schrank findest du eine Tischdecke und das Geschirr ist hier drin.“
Magdalena freute sich, dass sie sich nützlich machen konnte. Während Stefan neues Holz für den Ofen holte, deckte sie den Tisch und genoss es, dass für sie gekocht wurde. Da sie Sina in guten Händen wusste, bei ihrer Freundin gab es immer reichlich zu essen, hatte sie auch keine Gewissensbisse.
„So, jetzt noch die Klöße aus dem Wasser und los geht’s.“
Magdalena wanderte in dem großen Raum umher und blieb vor einer gerahmten Fotografie stehen. Zwei Menschen waren hier abgebildet, eine junge Frau und ein junger Mann, die Stefan sehr ähnlich sahen. Sie blieb eine Weile davor stehen und vertiefte sich in die Züge der beiden jungen Leute. Als eine Hand sie am Arm berührte, zuckte sie leicht zusammen.
„Das sind Stefans Eltern. Sie sind vor vierzehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seitdem ist der Junge bei mir.“
Magdalena drehte sich zu der Frau um, in deren Augen zwei kleine Tränen standen. „Ja, das war ein Schock. Stefan saß auch in dem Wagen, die Narbe auf seiner Stirn ist ein Erinnerungszeichen an den Unfall. Wir haben uns zusammengerauft. Er war ja gerade erst mal zwei Jahre alt, als ich beschloss, für ihn zu sorgen. Genug davon …“
Magdalena nickte und kehrte zum Tisch zurück. Stefan kam mit einem Korb voll Holz herein und meinte: „Es fällt Schnee vom Himmel als würde jemand einen Mehltopf über uns ausgießen. Ich wollte schon immer mal eingeschneit werden.“
„Hast du die Schule zur Zeit satt?“ fragte Frieda.
„Das nicht, aber …“ Stefan warf Magdalena einen schnellen Blick zu, die dies aber nicht zu bemerken schien. „Es ist nur so, dass der Pfarrer mich hier braucht.“
„Fürs Orgelspielen?“
„Nein, für ein Krippenspiel, deshalb war ich doch heute im Pfarrhaus. Wir sollen uns um das Spiel für Weihnachten kümmern.“
Magdalena horchte auf. … wir sollen uns … Hm, Stefan hatte wohl vor, sich mehr zu engagieren als notwendig, warum?
„wohin gehst du denn in die Schule?“
„Ich bin im Musikinternat in Heidelberg, ist zwar fast um die Ecke, aber die Verbindungen sind so schlecht, dass ich dort auch wohne. In zwei Wochen sind Ferien und dann bin ich vier Wochen hier.“
„Wie bitte? In zwei Wochen für vier Wochen Ferien, wie geht denn das?“
„Wir haben im Sommer eine zweiwöchige Konzertreise mit Auftritten gehabt, das ist jetzt der Ausgleich.“
Magdalena konnte ihre Freude nicht ganz unterdrücken, was nun Stefan wiederum zu ignorieren versuchte.
„Also, auf zu Tisch, das Essen wird kalt.“ Frieda servierte und alle machten sich hungrig über das vorzügliche Essen her.
„Kann man Sie mieten, Frieda?“ fragte Magdalena seufzend, nachdem sie den dritten Kloß verdrückt hatte.
„Wie vornehm die junge Dame doch ist. Sie und