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an! Ganz glasig! Und diese Symmetrie! Fantastisch!« Selbst B1 schien ganz euphorisch.

      Aus den Übergangsstellen der Stammsegmente wuchsen rund um den Stamm in regelmäßigem Abstand immer genau zwanzig vollkommen identisch aussehende, astähnliche Blätter heraus, ähnlich wie die Speichen eines Rades. Sie besaßen eine Länge von etwa drei Metern, bestanden dabei selbst aus einzelnen Segmenten und verjüngten sich leicht zur Spitze hin.

      »Und es gibt hier auf der Südseite deutlich mehr davon«, bemerkte B1.

      Jerik nickte und beobachtete auf der Inselkarte den Flug von K-2.

      »Ja, schau Dir mal die Verteilung an! K-2 findet immer mehr .«

      Während K-2 dort entlang flog und gerade schon wieder von der Südspitze der Insel zurückkehrte, poppten über dem weißen Bambuswald immer noch mehr orangene Sphären auf.

      »ISA wird sich freuen!«, scherzte B1.

      Jerik verstand. Neue Arten zu entdecken, war heute ein extrem seltenes Ereignis.

      »Ja, das passiert wirklich nicht alle Tage!«

      »Die ersten Exemplare sind ganz offensichtlich zuerst an der Südspitze aufgetreten. Und sie scheinen sich rasend schnell auszubreiten!«

      »Vielleicht verdrängen sie den Bambus bald komplett.«

      B1 checkte die neuen Schachtelhalmdaten von K-2 und sah, dass keiner in der Nähe einer Lichtung wuchs, also nicht ohne weiteres zu erreichen war.

      »Mag sein. Leider gibt es keine günstigen Landemöglichkeiten.«, meldete B1 und warf Jerik einen kurzen Blick zu.

      »Lass uns zu unserem ersten Ziel fliegen! Das ist auf jeden Fall der beste Landeplatz.«

      B1 nickte. »Okay, machen wir. Vielleicht kommen wir ja von dort weiter.«

      Jerik klickte auf die blaue Zielsphäre der großen Lichtung, die oben am Grat im südlichen Inselteil lag und noch etwa zwei Kilometer entfernt war.

      Während der Kopter langsam darauf zuflog und Höhe gewann, ging Jeriks Blick hinaus aufs Meer und hinüber zu Isla Herschel, der westlichen Nachbarinsel von Isla Deceit.

      Sie hob sich mit dem schneeweißen Wald, der auch sie bedeckte, heute um einiges deutlicher vom Meer ab als Isla Deceit, denn sie war von einer in grellem Türkis leuchtenden Algenkolonie umgeben.

      Diese erstreckte sich bis etwa zur Mitte zwischen beiden Inseln, wo eine scharfe Trennlinie zu den milchig gelbgrünen Algen verlief, die heute auch hier an der Westseite von Isla Deceit im Wasser trieben.

      Das ISA blendete dazu in Jeriks Eyefoil die Algengattung

      Dinozoa 90 %

      ein, die es für am wahrscheinlichsten hielt.

      »Sieht hübsch aus zusammen mit unserer Galdieria!« fand B1 und meinte damit die gelbgrünen Algen, die Isla Deceit umgaben.

      »Wir sind gleich da!«, meldete er wenige Sekunden später. Jerik hob den Kopf und blickte nach vorne aus dem Cockpit. Etwa fünfhundert Meter vor ihnen leuchtete jetzt schon die hellblaue, halbdurchsichtige Zielsphäre über dem Höhenzug auf. Sie sah wegen der dargestellten Reflexe wie eine Glaskugel aus, damit sie vor dem in dieser Richtung teilweise violettblauen Himmel gut zu erkennen war. Sie schwebte hoch über ihrem eigentlichen Ziel, weil dieses hinter der vor ihnen liegenden Bergkuppe noch nicht direkt zu sehen war. Neben der Sphäre waren die für Zielkoordinaten üblichen Daten eingeblendet.

Gefahrenklasse5
Windstärke5-6
Temperatur62
UVI71

      Kurz bevor sie an der höchsten Erhebung der Insel vorbeiflogen, kamen von K-2 seine gerade in diesem Bereich erfassten Daten.

      B1 schien erfreut.

      »Hey, wir haben Glück! Hier kommt noch ein besonders schönes Exemplar, sogar ganz in der Nähe unserer Lichtung!«

      Jerik schaute auf die Karte. Das gerade eben gemeldete Exemplar befand sich auf der flacheren Ostseite und war tatsächlich nur knapp einhundertzwanzig Meter von der Lichtung entfernt. Er markierte es als Ziel und der Kopter beschleunigte über den Grat hinweg darauf zu. Nach wenigen Sekunden waren sie schon da und bremsten wieder ab. Jerik schaute nach vorne hinaus. Zehn Meter vor ihnen stand ein riesiges Schachtelhalm-Exemplar. Mit einer Höhe von sechzehn Metern war es das bisher größte und überragte den Rest des Waldes hier um gut fünf Meter.

      »Okay«, entschied Jerik, »lass uns landen! Den schauen wir uns genauer an!«

      Der Kopter senkte leicht die Nase und beschleunigte wieder. Knapp zehn Sekunden später hatten sie die Lichtung erreicht. Sie durchstießen die hellblaue Sphäre, die sich während ihrer Annäherung immer weiter abgesenkt hatte und jetzt nur noch als Halbkugel die Lichtung virtuell zu überspannen schien, fast wie eine Schutzkuppel. Auch K-2 traf in diesem Moment aus Süden kommend auf der anderen Seite ein. Die Sphäre wurde nun schnell immer noch transparenter und verschwand innerhalb weniger Sekunden ganz.

      B1 übergab die Kontrolle für die Landesequenz an die beiden Kopter. Jerik beobachtete die Kommunikation zwischen diesen und B1, die auch als Kommadofolge auf dem Hauptmonitor erschien.

      Die beiden Kopter begannen jetzt die Lichtung langsam zu umkreisen, um die Verhältnisse am Boden genau zu scannen. Dieser war ziemlich eben und in den dort stehenden, dunkleren Wasserlachen spiegelten sich der weiße Wald und der Himmel. Auf der Westseite blitzte auch die Sonne immer wieder kurz darin auf.

      Nach zwei Umrundungen stieg K-1 zunächst auf einhundert Meter über dem Höhenzug. Jerik konnte von dort gut beobachten, wie K-2 auf der sonnenbeschienenen Seite der Lichtung zu Boden schwebte, dabei langsam seine sechs Teleskopbeine ausfuhr und vorsichtig aufsetzte. Die starke Luftströmung, die von seinen Auftriebsdüsen ausging, wirbelte dabei fast alle Blätter auf der Lichtung sowie einen dichten Wassernebel auf, der rundum an den Bambusbäumen am Rande der Lichtung in die Höhe stob. K-1 schwebte in sicherer Höhe so weit darüber, dass nichts davon in die Ansaugöffnungen gelangen konnten, die wie die Düsen über die gesamte Oberfläche verteilt waren.

      Nach wenigen Sekunden war die Lichtung freigeblasen. Der Wassernebel samt der hochgewirbelten Blättern wurde vom Wind über den Wald hinweg weiter nach Westen aufs Meer hinaus getrieben. Jerik zoomte hinunter und sah den Kopter jetzt inmitten einer Kolonie von ein Meter hohen, kugel- und kissenförmigen Büschen stehen, die dort gerade zum Vorschein gekommen waren. Über ihnen erschienen gerade orangefarbene Sphären, direkt neben diesen die Bezeichnung der Pflanzen 'Kali tragus'.

      Jerik kannte sie schon von der zweiten Expedition. Zuerst hatte er sie für Kakteen gehalten und die Bots angewiesen, einige Exemplare auszugraben, um sie auf Finistere untersuchen zu können. Das Ergebnis war interessant. Die vermeintlichen Kakteen mit den glasigen Dornen waren eigentlich Büsche mit normal verzweigten Ästen im Inneren. Es handelte sich um eine neue Art, die laut ISA wegen der violetten und weißen Längsstreifen der Äste eine gewisse Ähnlichkeit mit einer nelkenartigen Pflanze besaßen, die früher vor allem in Steppen vorgekommen war.

      Allerdings waren die daran wachsenden Blätter aus mehreren Gründen etwas Besonderes. Sie waren einerseits ebenso transparent wie die Blätter der Schachtelhalme. Zudem bildete jedes an seinem Ende einen feinen glasigen Dorn. Die geschlossen wirkende Oberfläche der Pflanzen kam daher, dass die ganz unterschiedliche Wuchslänge der Blätter diese Form vorgab und ihre dornigen Blattenden somit alle nebeneinander lagen. Die Büsche wirkten daher fast wie riesige Glasgebilde, die ihr Inneres durch eine geschlossene Oberfläche hermetisch von der Außenwelt abschotteten.

      Nur auf der Unterseite, direkt um den Stamm, befand sich ein kleiner Bereich von wenigen Zentimetern Breite, in dem keine Dornen und Blätter vorhanden waren. Diese Stelle nutzten die Ameisen, die auf der Lichtung und in den Büschen lebten, als Zugang zu diesen.

      K-2 sank wie erwartet beim Aufsetzen in den Morast ein. Sein Antrieb lief daher noch weiter, bis sich seine Teleskopbeine mit den tellerförmigen Füßen so dem unterschiedlich tiefen Untergrund angepasst hatten, dass sie eine Schräglage des Kopters verhinderten.

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